Heute steht Fiat in erster Linie für erfolgreiche Kleinwagen und Crossover. Allenfalls in der Kompaktklasse können die Italiener noch mithalten. Schon in der Mittelklasse schwächelt das Unternehmen. Dank breiter Aufstellung als Konzern mit den Marken Chrysler, Alfa Romeo, Maserati, Ferrari, Jeep, Lancia und Dodge, deckt der italienisch-amerikanische Automulti, der 2012 mit rund 215 000 Mitarbeitern knapp 84 Milliarden Euro Umsatz und einen Gewinn von 1,411 Milliarden Euro Gewinn erzielt hat, das gesamte Spektrum der Pkw und leichten Nutzfahrzeuge ab.
In den 60er Jahren war Fiat noch erfolgreich mit dem 2300 am Start, der als Stufenhecklimousine, Kombi und Coupé mit einem Sechs-Zylinder-Reihenmotor verfügbar war, der aus 2,3 Liter Hubraum 77 kW / 105 PS schöpfte. Das bis 1964 produzierte Coupé leistete in einer Version von Abarth sogar 100 kW / 136 PS und war fast 200 km/h schnell. Das Engagement in der oberen Mittelklasse beziehungsweise in der Oberklasse war in jenen Tagen für erfolgreiche Autobauer ein Muss, weil auf den europäischen Märkten nach dem Wiederaufbau der Kriegsfolgen eine immer breiter aufgestellte gut situierte Mittelklasse nach kultivierten und leistungsstarken Autos fragte.
Für 1969 war im Fiat-Designstudie „Centro Stile“ eine 4,75 Meter lange Limousine entstanden. Studioleiter Mario Felice Boano hatte mit dem Viertürer eine vergrößerte Interpretation des 128 geschaffen. Das chrombeladene Auto fand schnell zahlreiche Kritiker, die den 130 als barock und überladen empfanden. Der Innenraum zeichnete sich durch ein ausgezeichnetes Platzangebot aus und ließ sich auf Wunsch mit Leder, Klimaanlage und elektrischen Fensterhebern ausstatten. Für die Motorisierung sorgte ein moderner V6-Benziner mit zuerst 2,9, später mit 3,2 Liter Hubraum. Der V6 mit einem Gabelwinkel von 60 Grad stammte nicht, wie oft kolportiert, aus dem Ferrari Dino, obwohl ihn der Ferrari-Konstrukteur Aurelio Lamperdi mit oben liegenden Nockenwellen und einem Zahnriemenantrieb für den Nockenwellenantrieb konstruiert hatte. Der 2,9-Liter leistete 103 kW / 140 PS, der 3,2-Liter stellte schließlich standesgemäße 121 kW / 165 PS bereit.
Auf dem Genfer Automobilsalon 1971 stellte Fiat eine Coupé-Version des 130 vor. Nach der harschen Kritik für die Limousine hatte Fiat die Gestaltung des 4,84 Meter langen Zweitürers an Pininfarina übertragen. Die klassischen Trapezlinien mit den strengen geraden Linien und klaren großen Flächen überzeugte zumindest die Fachwelt und trug dem Entwurf zahlreiche Preise ein. Der neue Armaturenträger mit Holzeinlagen und klassischen Rundinstrumente überzeugte ebenfalls, so dass er ab 1971 auch Eingang in die Limousine fand.
In Deutschland kam der Fiat 130 als Zweitürer für 28 000 Mark auf den Markt. Damit war der Pininfarina-Fiat rund 8000 Mark teurer als die Limousine. Bereits 1973 waren 31 800 Mark für das Auto fällig. Der Zweitürer konkurrierte in dieser Preisklasse mit einem BMW 3.0 CS für rund 30 000 Mark oder einem Mercedes 280 SE Coupé, für den etwa 40 000 Mark fällig waren.
Obwohl von einem Ferrari-Spezialisten entwickelt, überzeugte der Motor in der Praxis weder durch ruhigen Lauf noch durch bemerkenswerte Leistungsentfaltung. Neben dem manuellen Fünf-Gang-Getriebe von ZF bot Fiat als Option für beide Karosserievarianten eine Drei-Gang-Automatik von Borg-Warner an. Ausgestattet mit dem Automaten musste ein 130-Besitzer beim Praxisverbrauch zwischen 15 und 22 Liter einkalkulieren.
Das hohe Preisniveau für einen Fiat schreckte die potentielle Kundschaft ebenso ab wie beispielsweise in Deutschland eine Handelsorganisation, die sich mit den Ansprüchen einer gehobenen Klientel überfordert sah und die Kunden somit nur unzureichend akquirierten und betreuten. Außerdem ließ die Verarbeitungsqualität ebenso zu wünschen übrig wie die kaum vorhandene Rostvorsorge. So entstanden vom Coupé nur 4493 Exemplare, deren gehegten raren Restbestände ihren Besitzern vor allem wegen der schlechten Ersatzteilversorgung Sorgen bereiten. Die Limousine schaffte nur eine Gesamtauflage von 15 093 Einheiten.
Nach dem Ende des 130 versuchte Fiat die gehobenen Segmente durch Lancia und Alfa Romeo abdecken zu lassen, was jedoch nie vollwertig gelang. Erst mit dem Maserati 3200 GT konnte der Konzern ab 1998 wieder an die Tradition eines repräsentativen und sportlichen Coupés anknüpfen. Zugegeben, der Zweitürer und seine Nachfolger bilden eine adäquate Fortsetzung für den zeitlosen letzten großen Fiat von Pininfarina.
ampnet/tl