Berlin, BRD (Weltexpress). Noch ist nicht abzusehen, wie sich die NATO-EU-Provokationen in der Ostsee nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten weiterentwickeln werden. Klar ist jedoch, dass die Biden-Regierung weitere Eskalation wünscht. Das kann man jetzt in The Atlantic nachlesen.

Inzwischen werden die Entwicklungen in der Ostsee rund um die beiden Tanker Eagle S und Evertin immer absurder, selbst nach den angeblich legalen Sanktionsbeschlüssen der EU. Gleichzeitig hat eine der wichtigsten Publikationen der US-Neocons, The Atlantic, für das unter anderem Anne Applebaum tätig ist, die Ehefrau des polnischen Außenministers Radoslaw „Thank you USA“ Sikorski, einen Artikel veröffentlicht, der darauf abzielt, die Entwicklung noch weiter anzuheizen: „In Europa hat bereits ein umfassenderer Krieg begonnen“. In diesem wird den Führungen der EU-Länder vorgeworfen, nicht wahrnehmen zu wollen, dass Russland bereits Krieg gegen sie führe.

„Die Unfähigkeit, Kriegshandlungen als Kriegshandlungen zu beschreiben, ist Teil einer Kultur der Verzerrung und Verleugnung, was das Thema staatlich finanzierter Gewalt betrifft.“ Selbstverständlich ist mit diesem Satz im The Atlantic nicht der Terrorangriff auf Nord Stream gemeint, dessen Milliardenschäden ja nur eine freundliche Amtshilfe der Biden-Regierung für die Einhaltung der Klimaziele war, sondern die vermeintlichen Angriffe auf Ostseekabel und diverse weitere Beispiele angeblicher russischer Sabotage.

Man könnte fast behaupten, dieser Artikel fasst den letzten Auftrag der momentanen Washingtoner Machthaber an die EU-Vertreter zusammen: „Die Kombination aus Putins Aggression und Trumps Indifferenz sollte für Europa eine Gelegenheit sein, die Verantwortung für seine eigene Verteidigung zu übernehmen. Der erste wichtige Schritt bei dieser Erkenntnis ist es, anzuerkennen, was bereits geschieht: Einen Krieg einen Krieg nennen.“

Nun zu den letzten Ereignissen auf dem vermeintlichen Schlachtfeld Ostsee. Die Eagle S wird weiter in Finnland festgehalten, aber zumindest wurde der überwiegend indischen und georgischen Besatzung inzwischen erlaubt, auf das Schiff zurückzukehren. Die neueste Geschichte, die aus Finnland gesponnen wird, lautet, das Schiff habe modernste Spionageausrüstung an Bord gehabt und auf seinen Fahrten die Kommunikation der NATO ausspioniert. Wie es in EU-Landen inzwischen üblich ist, wird diese Geschichte munter verbreitet, ohne dass die tiefen Widersprüche darin auffallen.

Die damit beginnen, dass nach Angaben der indischen Zeitung National Defence der Kapitän der einzige Russe zwischen Indern und Georgiern ist – wobei in der Variante, die Lloyd’s List verbreitet, diese Spionageausrüstung von „russischen, türkischen und indischen Funkoffizieren“ bedient worden sein soll. Die beiden Erzählungen von Sabotageakt und Spionage schließen einander allerdings im Grund aus; sollte tatsächlich die Eagle S dazu genutzt worden sein, die Kommunikation der NATO auszukundschaften, wäre eben dieses Schiff so ziemlich das letzte, das beauftragt würde, um ein Unterseekabel zu zerstören (übrigens, schon einmal gehört, dass die russische Marine U-Boote besitzt?).

Interessanterweise gibt es keinerlei Belege für diese Behauptung, denn, so die Erklärung von Lloyd’s List, nachdem die Ausrüstung bei der letzten Anlandung in Russland zur Auswertung abgeladen worden sei, sei keine neue an Bord genommen worden. Das ist also alles auf dem üblichen Niveau von „vermutlich“, „angeblich“ usw. Angeblich sei die Eagle S in einer Nacktcharter von „Eiger Shipping, dem Verschiffungsarm des russischen Ölhändlers Litasco“ gemietet.

National Defence hat einen der beiden Direktoren des Schiffsmanagements, der Peninsular Maritime India Pvt Ltd., Sharvan Kumar, kontaktiert. „Wir sind freiwillig mitgekommen und haben die Behörden unterstützt, um ihnen bei der Untersuchung zu helfen. Wir waren in internationalen Gewässern auf unschuldiger Durchfahrt nach dem UNCLOS [Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen].“ Er kritisierte das finnische Vorgehen: „Wenn ein Schiff festgehalten wird, wird ein Gerichtsbeschluss gefällt, wo ist dieser Gerichtsbeschluss?“

Das Schiffsmanagement betreue dieses Schiff seit eineinhalb Jahren. „Unser einziger Fehler ist, dass wir zufällig in einem bestimmten Gebiet waren, aber nicht an dem genauen Ort“, betonte er. Die Vorwürfe, das Schiff sei in Spionageaktivitäten verwickelt, wies er entschieden zurück.

Allerdings ist ja schon die Geschichte rund um das angeblich durchtrennte Kabel eigenartig. Es handelt sich um ein Stromkabel von Finnland nach Estland, das mit dazu beitragen soll, die Abtrennung der baltischen Staaten vom ehemaligen sowjetischen Stromnetz zu ermöglichen. Objektiv gesehen gibt es jedoch keinen Grund für Russland, diese Abtrennung zu verhindern – die Balten zahlen dadurch nur mehr für ihren Strom, schädigen also sich selbst, aber nicht Russland. Im Gegenteil, das aggressive Verhalten dieser Zwergstaaten legt es eher nahe, sie bei jedem Versuch, sich selbst zu schaden, zu unterstützen. Eine der üblichen schlecht konstruierten Geschichten, von denen letztlich nur ein einziger Vorwurf übrig bleibt – dass das Schiff in Russland gefördertes Öl transportiert.

Auch rund um die Eventin herrscht Verwirrung. Derzeit liegt der Tanker vor Sassnitz; jetzt heißt es, er soll nach Skagen in Dänemark geschleppt werden, wozu es aber erst eine Sondergenehmigung brauche. Die Aussagen dazu, die sich etwa beim NDR dazu finden, sind eigenartig.

„Da es sich bei dem Öl an Bord um Embargoware handelt, konnte das Schiff nicht nach Sassnitz oder in einen anderen deutschen Hafen geschleppt werden – das wäre nur in einem Notfall möglich gewesen. Allerdings gilt auch in Dänemark das Embargo gegen russisches Öl, deswegen das Warten auf die Sondergenehmigung.“

Das ist falsch, weil selbst nach dem EU-Recht davon nur jene Schiffe betroffen wären, die auf der EU-Sanktionsliste stehen. Die Eventin gehört jedoch nicht dazu. Es wird also eine Beschränkung behauptet, die selbst nach den eigenartigen Rechtsvorstellungen der EU nicht einmal existiert. Ein wenig ehrlicher ist zumindest die Aussage des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes: Der Tanker sei für die meisten deutschen Häfen zu groß; in Sassnitz wären die denkbaren Ankerplätze schon von LNG-Tankern belegt und in Rostock würde es den restlichen Verkehr blockieren.

Der interessante Punkt ist allerdings der – wäre das Schiff tatsächlich so marode, wie (beweislos) behauptet wird, wäre es gerade dieses Verhalten, das die Gefahr, die man angeblich bekämpfen will, erst schafft. Wenn es darum ginge, ein reales Risiko für eine reale Ölpest in der Ostsee zu verringern, wäre schließlich genau das Gegenteil geboten: sicherzustellen, dass jedes dieser Schiffe, sobald es Probleme hat, im allgemeinen Interesse der Anlieger die größtmögliche Unterstützung erhält. Aber wir reden hier von einer konstruierten Geschichte, für die einfach auf die immer gleiche Behauptung zurückgegriffen wird, die Schiffe seien „meist veraltet, rostig und marode“, auch wenn sogar die Sanktionsliste der EU dem widerspricht.

Völkerrechtlich geht es die EU nichts an, was auf internationalen Wasserstraßen an ihr vorbei transportiert wird; ein Teil der ganzen Scharade ist der Versuch, sich eine Jurisdiktion über die Ostsee anzueignen, als handele es sich dabei um ein Binnengewässer. Allerdings scheinen die für diese Maßnahmen Verantwortlichen, sofern sie nicht nur, ohne weiteres Nachdenken, den oben erwähnten Vorgaben aus Washington folgen, selbst nicht wirklich Ahnung zu haben, womit sie es zu tun haben.

T-Online liefert dafür ein etwas erschreckendes Beispiel: „Der Sprecher des Außenministeriums machte deutlich, dass die Schiffe der Schattenflotte „nicht unbedingt russischen Eignern“ gehörten, sondern „auch durchaus andere Flaggenstaaten haben“.

Der erste Teil der Aussage ist absolut korrekt. Das Konstrukt der „Schattenflotte“ beruht ja nur auf der Tatsache, dass diese Schiffe Öl russischen Ursprungs transportieren; was rein gar nichts mit der Frage zu tun hat, wem das Schiff (oder das Öl) gehört. Aber die Frage, wem das Schiff gehört, hat nichts damit zu tun, unter welcher Flagge das Schiff fährt. Diese beiden Punkte fast gleichzusetzen, belegt deutlich, dass die Kenntnisse über Seeschifffahrt ausgerechnet im für derartige Fälle zuständigen Außenministerium mehr als begrenzt sind.

Nur noch einmal zum Mitschreiben: in der Regel hat ein Frachtschiff, gleich, was es transportiert, einen Eigentümer. Der kann, muss aber nicht auch der Reeder sein, der die Nutzung des Schiffes für den Warentransport verwaltet, also das ganze Schiff oder Teile davon über Verträge vermietet. Außerdem gibt es inzwischen auch noch das Schiffsmanagement, das für die Besatzung zuständig ist; meistens gibt die Adresse des Schiffsmanagements einen Hinweis darauf, in welchen Ländern die Besatzung rekrutiert wird. In der Regel stammt die Besatzung aus verschiedenen Ländern. Völlig unabhängig davon ist wiederum das Land, unter dessen Flagge das Schiff fährt; seit mehreren Jahrzehnten ist das mehr oder weniger freie Entscheidung, und auch die meisten Frachtschiffe mit deutschen Eignern fahren unter sogenannten „Billigflaggen“ wie Panama oder den Jungferninseln. Und dann gibt es auch noch den Versicherer; die ursprüngliche Idee hinter den EU-Sanktionen gegen Schiffe, die Öl russischer Herkunft transportieren, war, dass die Schiffe keine Versicherung mehr fänden, wenn ihnen der Zugang zu den Londoner Schiffsversicherern verwehrt wäre; eine weitere Fehlkalkulation, auf die jetzt mit dem Mythos reagiert wird, die Versicherungen seien zweifelhaft, nur weil sie nicht in den G7-Ländern beheimatet sind.

Damit ist die Runde der Beteiligten aber noch nicht vollzählig, weil eben noch die Eigentümer der transportierten Waren mit betroffen sind, wenn so etwas wie bei der Eagle S geschieht. Dabei sind die verschifften Waren meistens bereits in den Besitz des Käufers übergegangen, wenn sie den Hafen verlassen. Internationaler Seehandel ist einer der Bereiche, in denen nach wie vor Wechsel üblich sind; wenn ein Käufer einen Wechsel ausstellt, hat er eigentlich bereits bezahlt, aber der Verkäufer erhält den Zugriff auf diese Bezahlung erst, wenn die Ware eingetroffen ist. Genau diese Verwendung von Wechseln war der Grund, warum während der Finanzkrise 2009 der internationale Seehandel für etwa drei Monate fast komplett stillstand – da meistens auch zwei Banken beteiligt sind, damals aber das ganze Banksystem so fragil war, dass keine Bank der anderen mehr traute, schon gar nicht über den Zeitraum, den so ein Seetransport in Anspruch nimmt.

Noch ein wenig lustiger wird es dann, wenn, wie im Falle der Eagle S., von irgendwelchen rechtswidrigen Handlungen auch die Besatzung betroffen ist. Eine Festsetzung indischer Seeleute in Finnland erzeugt auch einen diplomatischen Zwischenfall zwischen Finnland und Indien, denn die indische Botschaft muss dann dafür sorgen, dass die Rechte der Seeleute gewahrt bleiben. Was unabhängig vom rechtlichen Gegenüber in anderen Fragen ist, ist, dass erst einmal der Staat Flaggenstaat ist, der auch für zivilrechtliche Ansprüche gegen ein Schiff der Gerichtsort ist.

Wenn der Vertreter des Auswärtigen Amtes sich auf eine solche Weise äußert, wird erkennbar, dass den Beteiligten auf deutscher Seite nicht einmal klar ist, mit wie vielen möglichen Parteien sie sich auf einmal anlegen, wenn sie ihr „Vorgehen gegen die russische Schattenflotte“ umsetzen: mit den meist indischen oder chinesischen Käufern des Öls, mit den Eigentümern, den Reedern und dem Management der Schiffe und dann auch noch mit den Ursprungsländern der Seeleute, die von ihnen mit in Haftung genommen werden, wie im Falle der Eagle S.

Wenn die Kriegstreiber aus den USA wie im besagten Artikel in The Atlantic die EU auffordern, sich gefälligst mit Russland im Krieg zu befinden, wird dem gehorcht, ohne auch nur wahrzunehmen, dass all die anderen beteiligten Parteien so reagieren könnten, wie das diplomatisch üblich ist – indem sie Gleiches mit Gleichem vergelten. Die Verachtung des internationalen Rechts, die sich beim Umgang mit Eagle S und Eventin zeigt, ist letztlich eine Bedrohung für den Seehandel insgesamt. Die Fantasie Brüssels und der EU-Regierungen, diese Auseinandersetzung auf die Ostsee begrenzen zu können, wird sich, wenn diese Spielchen weiter fortgesetzt werden, bald als Illusion erweisen.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde unter dem Titel „Eventin und Eagle S: Warum der Umgang mit den Tankern den gesamten Seehandel bedroht“ am 14.1.2025 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.

Siehe auch den Beitrag

im WELTEXPRESS

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