Berlin, Deutschland (Weltexpress). Währungsunion und politisches Euro-Krisenmanagement stecken in einer derart tiefen Krise, dass ein Überleben der Gemeinschaftswährung immer unwahrscheinlicher wird. Der Europäischen Währungsunion scheint eine selbstzerstörerische Kraft innezuwohnen, die sich selbst politisch nicht bändigen lässt. Was sind die Sprengsätze der Währungsunion und warum tut sich die Politik trotz großer Anstrengungen so schwer, eine Lösung zu finden?
1. Streit um die Haftungsfrage schwächt die Handlungsfähigkeit der EZB
Der neuralgische Punkt, an dem die Politik nicht so recht weiterkommt, besteht in der Frage, wer für die Schulden der Euro-Staaten haften soll. Die Lösung gerade dieses Problems ist aber entscheidend für die Handlungsfähigkeit einer Zentralbank.
In den USA, Großbritannien und Japan, wo das Schuldenproblem keineswegs weniger brisant ist als in der Eurozone, werden die Schulden ganz selbstverständlich als eine nationale Schuld angesehen, für deren Sicherheit auch die jeweilige Notenbank zuständig ist. Indem die US-amerikanische Notenbank Fed, die Bank von England bzw. die Bank von Japan Anleihen ihrer Staaten kaufen, zeigen sie ihre Bereitschaft, für die Staatsschulden notfalls einzutreten. Das schafft ein gewisses Maß an Sicherheit, solange jedenfalls, wie die Anleihekäufe das Vertrauen in die Währung nicht ernsthaft erschüttern.
Demgegenüber kann sich die Europäische Zentralbank (EZB) nicht in gleicher Weise schützend vor die Staatsschulden der Euroländer stellen. Voraussetzung dafür wäre nämlich deren Bereitschaft, für die von der EZB übernommenen Risiken gemeinschaftlich zu haften. Je nach wirtschaftlicher Lage weichen hier die nationalen Kapitalinteressen erheblich voneinander ab.
Deutschland, die Niederlande und Finnland haben keine Schwierigkeiten, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Vor allem Deutschland gilt den Geldanlegern als „sicherer Hafen“. Beispielsweise wurde auf der Geldmarktauktion Anfang 2012 für sechsmonatige deutsche Schatzwechsel ein Negativzins gezahlt. Umgekehrt konnten sich Griechenland, Portugal und Irland selbst zu hohen Zinsen kaum noch Geld auf den Kreditmärkten borgen. Spanien, Italien, Belgien und zeitweise auch Frankreich und Österreich mussten Risikoaufschläge für aufgenommene Kredite verkraften. Mitte Januar 2012 stuften Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit von neun Euroländern herab. Je nachdem in welchem Umfang und zu welchen Zinssätzen sich solche Problemländer auf dem Kapitalmarkt finanzieren konnten, waren sie mal mehr Mal weniger stark an der Vergemeinschaftung der Schulden interessiert.
Drohende Staatsbankrotte: Eine Zerreißprobe für den Euro
Ihr Interesse musste existenziell sein. Denn ohne einen Zugang zu gemeinschaftlich garantierten Krediten hätte in dem einen oder anderen Land ein Staatsbankrott gedroht, mit der Folge, dass zugleich die Banken solcher Staaten Pleite gewesen wären. Das nationale Kreditsystem wäre zusammengebrochen und damit auch der Kredit, den Unternehmen benötigten, um im Geschäft zu bleiben. Aber nicht nur das Wirtschaftsleben wäre kollabiert, die Schuldtitel des zahlungsunfähigen Staates hätten nicht länger zur Refinanzierung bei der EZB eingesetzt werden können, mit der Konsequenz, dass das entsprechende Euroland von der entscheidenden Geldquelle abgeschnitten gewesen wäre. Die Gründung einer eigenständigen Notenbank, versehen mit dem Recht, eine nationale Währung zu schaffen, wäre die unabwendbare Folge. Solche Ereignisse hätten weniger finanzschwache Länder erschüttert und dort möglicherweise ähnliche Prozesse ausgelöst. In der Verschuldung der Staaten ist demnach genügend Sprengkraft enthalten, um das gesamte Eurosystem auseinander brechen zu lassen. Das hartnäckige Ringen um die finanzielle Rettung des griechischen Staates findet hier seine Begründung.
Da jede Eskalation der Schuldenkrise in Richtung Staatsbankrott den Euro in Frage stellt, versuchen die Euro-Länder eine derartige Zuspitzung der Staatsschuldenkrise derzeit noch zu vermeiden. Das setzt gemeinschaftliche Garantien und Kredite voraus, gegen die sich vor allem die deutsche Kapitalnation wehrt. Dieser Zwiespalt erklärt die halbherzigen Maßnahmen der EZB, die hin und her gerissen wird von den Notwendigkeiten der Märkte und den gegenläufigen nationalen Kapitalinteressen.
EZB im Fadenkreuz von Politik und Finanzmärkten
Schon als die EZB im Mai 2010 Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Länder zu kaufen begann, formierte sich in der deutschen Diskussion starker Widerstand, der in dem Maße zunahm, wie die EZB das Tempo der Käufe erhöhte. Der Druck der Finanzmärkte, solche Käufe zu tätigen, erwies sich als stark genug, dass die EZB bis Frühjahr 2012 trotz der deutschen Blockade-Politik Staatsanleihen im Volumen von rund 220 Mrd. Euro erwarb, für die auch Deutschland haftet.
Die Vergemeinschaftung der Schulden erstreckt sich nicht nur auf diese Wertpapierkäufe. Die von der EZB bereitgestellten Refinanzierungskredite bergen gleichfalls Risiken, die alle Euroländer anteilsmäßig tragen. Aber auch hier bestimmen Marktgegebenheiten das Geschehen: Deutschland konnte nicht verhindern, dass die EZB den Banken Ende 2011/Anfang 2012 rund 1000 Mrd. Euro für drei Jahre lieh, zum niedrigen Zinssatz von einem Prozent. Gleichzeitig lockerte die EZB zum wiederholten Male die Anforderungen an Sicherheiten für die Wertpapiere, die Banken für die Liquidität zu hinterlegen haben.
Der nicht enden wollende Streit um die Aufstockung bzw. Hebelung des Euro-Rettungsschirms EFSF/EMS und die anhaltend scharfen Auseinandersetzungen um die Einführung von Eurobonds kreist gleichfalls um die Frage, in welchem Umfang die Staatsschulden der Euroländer gemeinschaftlich garantiert werden sollen. In dem Maße, wie die Finanzmärkte in Richtung Schuldengemeinschaft drängen, wächst vor allem in der vom deutschen Kapital hergerichteten Öffentlichkeit der Unmut über die Haftungssumme, die von Tag zu Tag größer wird.
2. Zu den selbstzerstörerischen Kräften der Währungsunion
Um die Euro-Krise richtig einzuordnen, sollte man die Verbindungen zur allgemeinen Krise der Warenproduktion nicht aus den Augen verlieren: Der gefährliche Schuldenaufbau der Staaten entstand als Kehrseite einer Interventionspolitik, die darauf abzielte, eine massive Vernichtung von Kapital zu verhindern. Durch diese Rettungsaktionen, die schwerpunktmäßig in den Jahren 2008 und 2009 erfolgten, wanderten die Entwertungsrisiken vom Kapitalsektor in den Staatshaushalt. Aus der Krise des Kapitals wurde eine Schuldenkrise des Staates. Um nicht Pleite zu gehen, benötigten die finanzschwachen Länder von den noch kreditwürdigen Staaten Kredite und Garantien. Da die Euro-Krise diese zugespitzte Staatsschuldenkrise als einen wichtigen Bestandteil enthält, kann sie nicht als etwas Abgetrenntes von der kapitalistischen Warenproduktion angesehen werden.
Das Scheitern der „Krönungstheorie“
Darauf reduziert sich die Euro-Krise aber keineswegs. Sie besitzt noch einen speziellen Charakter, der auch mit der Warenproduktion zu tun hat, wenngleich auf andere Weise.
Es liegt offen auf der Hand, dass sich die Staatsschuldenkrise nur deshalb zur Euro-Krise fortentwickeln konnte, weil eine solche Gemeinschaftswährung 1999 zunächst als Buchgeld, dann Anfang 2002 auch als Bargeld eingeführt worden war. Das politische Hin und Her über die Größenordnung gemeinschaftlicher Schuldengarantien war nur möglich, weil trotz Gemeinschaftswährung die Staaten souverän und damit die Staatsschulden national definiert blieben. Die Währungsunion korrespondiert gerade nicht mit einer Fiskal- und Schuldenunion.
Schon bei der Einführung des Euro ließ sich die Gemeinschaftswährung nicht in eine politische Union einbetten. Dafür waren die Widerstände zu groß, die zwischen den verschiedenen nationalen Standortkapitalen fortbestanden. Die Vorstellung von einer wachsenden Globalisierung, die schließlich zu einer weitgehend homogenen Weltwirtschaft und zu einem Niedergang der Nationalstaaten führen würde, verkannte den nationalen Charakter des Kapitals. (Dazu mehr bei G. Sandleben, Nationalökonomie und Staat, VSA 2003). Die als Hoffnungsträger hoch gehaltene „Krönungstheorie“, wonach eine fortschreitende ökonomische Einigung die politische Integration als Krönung hervorbringen würde, erwies sich als Illusion. Euro und einheitliche Geldpolitik wirkten keineswegs als Katalysatoren eines ökonomischen Integrationsprozesses. Statt zusammenzuwachsen, blieben die Unterschiede zwischen den Nationalökonomien der Eurozone nicht nur bestehen, sie vertieften sich noch.
In solchen Unterschieden wurzelt der spezielle Charakter der Euro-Krise. Hier liegen auch die Sprengsätze der Währungsunion. Ein zusammenfassender Ausdruck für die inneren Gegensätze ist das Auseinanderlaufen der nationalen Leistungsbilanzsalden. Seit Einführung des Euro sind vor allem in Deutschland die Leistungsbilanzüberschüsse stark gestiegen, während die Problemländer wachsende Defizite verzeichnen. Solche Gegensätze resultieren aus einer Verschiebung in der auswärtigen Konkurrenzfähigkeit der Euro-Länder.
Nationale Unterschiede in der Entwicklung von Produktivität, Inflation, Löhnen, und Lohnstückkosten
Maßgebend dafür sind zunächst ungleiche Entwicklungstendenzen in den nationalen Arbeitsproduktivitäten. Höhere Arbeitsproduktivitäten bedeuten, dass weniger Arbeitszeit zur Herstellung einer Ware notwendig ist. Deren Wert fällt also. Würde der in Euro ausgedrückte Preis diesen Wertrückgang adäquat widerspiegeln, müsste auch der Preis der Ware fallen. Allerdings verhindert die EZB mit ihrer Geld- und Kreditpolitik einen allgemeinen Fall der Warenpreise. Sie schafft stattdessen für die Eurozone gemeinsame Voraussetzungen für allgemein steigende Preise. Relativ stärker steigende nationale Arbeitsproduktivitäten können sich deshalb auf der Preisebene lediglich in weniger stark steigende nationale Inflationsraten ausdrücken.
Preise und Arbeitskosten der Wirtschaft stiegen besonders stark in Italien, Spanien, Griechenland, Irland und Portugal, also in den Ländern, die von der Krise am härtesten betroffen sind. Hierdurch verschlechterte sich deren Konkurrenzfähigkeit. Der Abstand zur deutschen Preisentwicklung fiel besonders hoch aus, wie man der Tabelle entnehmen kann. Solche Verschiebungen in der Konkurrenzposition der Länder hatten nicht nur Einfluss auf die relative Exportkraft innerhalb der Eurozone, sondern beeinflussten zudem die Exportfähigkeit in andere Regionen des Weltmarktes.
Euro-Krise als Zusammenfassung und Zuspitzung der inneren Gegensätze der Währungsunion
Die Verschiebungen in der Konkurrenzfähigkeit der Euroländer lassen sich vor allem am Kostpreis messen, worin alle Kosten enthalten sind, die Unternehmen zur Herstellung ihrer Waren aufwenden. Der Kostpreis bildet die Minimalgrenze des Verkaufspreises, der erzielt werden muss, soll der vorgeschossene Kapitalwert nicht verloren gehen. Diese „kapitalistische Kost der Ware“ (Marx) hatte sich in den Problemländern bereits im Vorfeld der großen Krise erheblich verteuert. Ein wichtiger Indikator dafür sind die Lohnstückkosten in der Wirtschaft.
Aufgrund stärker steigender Löhne und einer mehr und mehr zurückfallenden Produktivitätsentwicklung verzeichneten vor allem die Problemländer seit der Einführung des Euro als Buchgeld einen beschleunigten Anstieg dieser wichtigen Kostengröße. Der Abstand zur deutschen Entwicklung hat sich auf 20 bis 30 Prozentpunkte aufgetürmt.
Ohne Währungsunion hätten Abwertungen bzw. Aufwertungen der nationalen Währungen für einen Ausgleich der gegensätzlichen Entwicklungen gesorgt. Genau diesen Mechanismus setzte die Gemeinschaftswährung außer Kraft. Die Gegensätze blieben bestehen und verschärften sich weiter, ohne sich unter der Form von Währungsschwankungen ausgleichen zu können. In der gegenwärtigen Krise kommen nicht nur die Widersprüche der Warenproduktion und des Kreditsystems sondern zugleich die inneren Gegensätze der Währungsunion zum Eklat. Das unterscheidet die Krise in der Eurozone von den Überproduktions- und Kreditkrisen anderer Regionen des Weltmarktes.
Die Euro-Krise ist aber nicht nur eine Zusammenfassung und Zuspitzung der Gegensätze, sie erzwingt mehr und mehr deren Ausgleich.
3. Politisches Euro-Krisenmanagement
Es gibt zwei Möglichkeiten eines solchen Ausgleichs: Entweder gelingt es der Politik, die Ökonomie soweit zu regulieren, dass die unterschiedlichen ökonomischen Entwicklungsverläufe aufhören, Gegensätze zu bilden, oder aber der Marktprozess drängt die Politik mehr und mehr in Richtung Rückabwicklung der Eurozone, wo sich dann die ökonomischen Gegensätze in Form von Kursschwankungen der wieder eingeführten nationalen Währungen ausgleichen.
Grenzen der Politik
Skepsis ist angebracht, dass mit den herkömmlichen politischen Instrumenten das Auseinanderbrechen der Eurozone wirklich verhindert werden kann. Denn die Stellschrauben, über die die Staaten zur Rettung des Euro verfügen, reichen nicht weit genug, um die ökonomischen Gegensätze innerhalb der Eurozone abzuschaffen oder wenigstens abzuschwächen. Ein Eingriff in das kapitalistische Eigentum und damit zugleich in die Investitionstätigkeit der Unternehmen ist nicht vorgesehen und wegen gesellschaftlich-struktureller Gegebenheiten auch nicht zu erwarten. Denn die Staaten definieren sich gerade darüber, dass sie das kapitalistische Eigentum als souveräne ökonomische Macht anerkennen und lediglich die Gemeinschaftsaufgaben übernehmen, die das Privateigentum nicht erledigen kann.
Ohne staatlichen Eingriff in die Investitionstätigkeit bleibt jedoch der gesamte Wirtschaftsprozess eine durch das Wertgesetz gesteuerte unpolitische Angelegenheit der Märkte. Statt den gesellschaftlichen Akkumulationsprozess bewusst zu gestalten, sind die Akteure den daraus entstehenden Sachzwängen unterworfen. Ihre Tätigkeiten bringen gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und Resultate hervor, die weder gewollt noch beabsichtigt sind. Diese „unsichtbare Hand der Märkte“ hat die nationalökonomischen Unterschiede aber nicht nur konserviert sondern noch verstärkt. Dazu gehören das Auseinanderlaufen der nationalen Arbeitsproduktivitäten und die Unterschiede in der Preis- und Lohnentwicklung ebenso wie der Verlust an Konkurrenzfähigkeit, der zu Leistungsbilanzdefiziten und schließlich zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Wirtschaftskraft einer Reihe von Ländern führt.
Möglichkeiten der EZB
Die EZB könnte die Zinsen weiter senken, sie könnte das Programm von Anleihekäufen drastisch ausweiten, sie könnte sämtliche Staatsschulden der Eurozone garantieren, wie gelegentlich gefordert wird, die gegensätzlichen ökonomischen Grundtendenzen kann sie mit einer solchen Politik aber keineswegs ausräumen. Sie mag mit ihrer Geldpolitik die Voraussetzungen für eine bestimmte Entwicklung der Inflation schaffen, aber sie kann die besondere Inflation einzelner Euro-Länder nicht beeinflussen. Auf das Auseinanderlaufen nationaler Inflationsraten hat sie gerade keinen Einfluss.
Selbst wenn der Euro-Rettungsfonds EFSF/EMS eine Banklizenz erhielte, könnte er – ausgestattet mit diesem gigantischen Hebel – lediglich die Zuspitzung der Schuldensituation hinausschieben, aber nur um den Preis einer künftigen Verschärfung. Schulden verschwinden nicht, wenn sie mit weiteren Schulden bekämpft werden. Vor allem erreicht die Schuldenpolitik nicht die Quellen der gegensätzlichen Entwicklungen. Der gesellschaftliche Akkumulationsprozess mit den darin enthaltenen Bedingungen für die Arbeitsproduktivität lässt sich mit einer bloßen Schuldenpolitik nicht steuern. Mit zusätzlicher Liquidität wird lediglich etwas Zeit gewonnen, die aber schon in der Vergangenheit nicht wirklich genutzt wurde.
Fiskalpolitik
Die Fiskalpolitik hat längst ihre eigenen Grenzen offenbart, als es darum ging, die Stockungen des Akkumulationsprozess ein wenig abzumildern und das private Kreditsystem vor einem Kollaps zur schützen. Die Staatsfinanzen hängen direkt ab von der Akkumulation der Wirtschaft selbst. Stockt es hier, sinken die Staatseinnahmen während die Ausgaben steigen. Als die Staaten in 2008 und 2009 ihre finanziellen Möglichkeiten durch massive Interventionen in das Krisengeschehen überdehnten, gerieten sie selbst in die Schuldenkrise, die nun zum großen Problem wird. Die extrem harte Sparpolitik unter anderem in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien ist der Versuch, diese Schuldenkrise zu entschärfen. Was sie aber bewirkt ist eine weitere Verschärfung des Krisenprozesses in der Wirtschaft. Statt nivelliert zu werden, verstärken sich zusätzlich die ökonomischen Gegensätze zwischen den Euroländern. Der auf dem EU-Gipfel Anfang Dezember 2011 beschlossene „Fiskalpakt“, der die Euro-Staaten zu mehr Haushaltsdisziplin zwingen soll, wird die Euro-Krise ebenso wenig lösen können wie der bereits bestehende Euro-Stabilitätspakt.
4. Hinweis auf eine politische Lösung der Euro-Krise
Die bisherige Politik besitzt also nicht die Instrumente, die Euro-Krise in ihrer Tiefe auszuräumen. Sie kuriert lediglich an Symptomen, ohne die Ungleichmäßigkeiten in der ökonomischen Entwicklung wirksam zu beseitigen. Sie federt die aktuelle Krise ab, indem sie die künftigen Schwierigkeiten noch verschärft. Wegen der unzureichenden politischen Gestaltungskraft der Staaten wird die Politik durch die „unsichtbare Hand der Märkte“ in Richtung Rückabwicklung der Eurozone gedrängt. Auf kapitalistischer Grundlage ist dieser Prozess nicht zu verhindern.
Die Politik müsste über ihren eigenen Schatten springen, wenn sie ernsthaft ein Auseinanderbrechen der Währungsunion in letzter Minute verhindern wollte. Statt mit kapitalismuskonformen Mitteln einzugreifen, müsste die Politik den Wirtschaftsprozess der gesamten Eurozone bewusst organisieren, um auf diese Weise die Zwangsgewalt des Wertgesetzes auszuräumen. Erst dann hörten unterschiedliche ökonomische Entwicklungsverläufe auf, Gegensätze zu bilden, die sich als Krise zusammenfassen und zuspitzen. Nationale Währungen würden überflüssig, um solchen Gegensätzen eine adäquate Verlaufsform zu geben. Auf der Grundlage einer gemeinschaftlich organisierten Ökonomie ließe sich dauerhaft ein vereintes, friedliches Europa ohne Krisen und ohne nationale Gegensätze schaffen. Das wäre ein sozialistisches Europa, nicht wie es Sozialdemokraten im Auge haben, sondern ein revolutionäres Europa, worin sich die Menschen die Totalität der Produktivkräfte aneignen, indem sie das kapitalistische Eigentum und mit ihm das Lohnverhältnis, die Sklaverei der Lohnarbeit, beseitigen.
Anmerkungen:
Erstveröffentlichung: Sozialismus, Heft 3-2012, leicht modifizierte Fassung, in „Proletarische Briefe“, 30.06.2012.
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