Berlin, Friedrichshafen, Deutschland (Weltexpress). Die Berlin Volleys haben entgegen vielfacher Prognosen das erste Meisterschafts-Finalspiel gegen den Rekordmeister VfB Friedrichshafen am Donnerstagabend mit 3:1 (22:25, 25:21, 25:22, 25:19) für sich entschieden. Und damit für ein kleines Volleyball-Wunder gesorgt.
Denn die vorherigen fünf Saisonbegegnungen hatte der 13-fache Titelträger (seit 1998) gegen den achtmaligen Champion (seit 1993) und Titelverteidiger aus der Hauptstadt mehr oder weniger klar dominiert. Was u.a. dazu führte, dass auch der Berliner Tagesspiegel seine Finalvorschau mit der Schlagzeile versah: Warum die Berlin Volleys diesmal nicht Meister werden…
Nach dem ersten von maximal fünf Duellen ist diese Einschätzung zwar noch nicht komplett widerlegt, doch die Umstände des Geschehens am Donnerstag vor 1932 Zuschauern in der ZF Arena am Bodensee sprechen für die Berliner. Mit einem Erfolg vor heimischer Kulisse am Sonntag (15 Uhr) in der Max-Schmeling-Halle könnten sie bereits eine Vorentscheidung im Titelrennen erschmettern.
Richtige Spielanlage und richtige Wechsel
Kaweh Niroomand, Manager, Macher und Sponsor der Volleys, zeigte sich nach Abpfiff hochzufrieden: „Das war der erste und vielleicht wichtigste Sieg. Auch wenn wir den ersten Durchgang verloren haben, haben wir die Ruhe bewahrt und nie aufgehört zu kämpfen. Wir hatten die richtige Spielanlage und eine sehr starke Blockarbeit. Adam White war unser überragender Mann heute.“
Gegenüber der holprigen Hauptrunde war der 2,05 m große Australier White auf der Annahmeposition für Steven Marshall in die Startformation aufgerückt. Und nach verlorenem ersten Satz hatte BRV-Trainer Stelian Moculescu im zweiten Durchgang bei 4:9 nicht gezögert, den australischen Hauptangreifer Paul Caroll vom Feld zu nehmen. Eine mutige und letztlich richtungsweisende Entscheidung. Der Linkshänder Caroll (31), seit 2011 im Verein, maßgeblicher Erfolgsgarant, Topscorer und Identifigationsfigur in den Reihen der Hauptstädter, hatte bis dahin weit hinter seinem sonstigen Niveau agiert. Er wurde vom US-Amerikaner Kyle Russell (24) ersetzt, mit 2,05 m nur zwei Zentimeter kleiner als Caroll, aber variabler im Angriff, stark beim Aufschlag und wirkungsvoller im Block als Caroll.
Wie sehr Russell dem souveränen Hauptrundenersten VfB zu schaffen machte, zeigte seine vom VfB-Trainer Vital Heynen getroffene Ehrung als wertvollster Spieler (MVP) beim Sieger. Moculescu würdigte damit die Aktionen des Zuspielers Simon Tischer beim Gastgeber.
Nicht nur eine Mannschaft von Meistern
White hätte die MVP- Auszeichnung auch verdient. Denn er war als vermeintlicher Annahmeschwachpunkt Zielscheibe der generischen Aufgaben. Dies meisterte er ebenso erfolgreich wie den Abschluss von eigenen Angriffen. Mit einer Effektivität von 56 % war er mit 15 Punkten wie Kapitän Robert Kromm bester Punktesammler beim Sieger.
Vor allem aber beim Aufschlag (8 direkte Punkte/ 0 bei VfB) und in der Blockabwehr (12 Zähler/ VfB 3) waren die Berliner den „Häflern“ diesmal deutlich überlegen. Berlins Abwehrspezialist, Libero Luke Perry (22) hatte vor dem ersten Ballwechsel gefordert: „Wir wollen am Ende der Saison wieder eine Meister-Mannschaft sein und nicht nur eine Mannschaft aus Meistern.“
Ein Hinweis, dass dies bei den mehr als 40 Saisonauftritten zuvor nur selten der Fall gewesen ist. Diesmal aber zogen alle an einem Strang. Das führte zu einer kompakten Mannschaftsleistung, mit der man in den Sätzen zwei und drei den jeweils führenden Gegner noch abfing. Ein schockartiges Geschehnis für die Friedrichshafener, die im vierten Abschnitt von Anbeginn (8:4, 16:10 für Berlin) die Köpfe hängen ließen und ungewohnte Fehler in Serie zeigten.
Danach präsentierte Niroomand nachvollziehbar Genugtuung auf der ganzen Linie. Russell und White waren doch keine Fehleinkäufe. Und die für manche Beobachter wenig verständliche Trennung vom italienischen Trainer Roberto Serniotti und das mißglückte Experiment mit dem 31-jährigen Cheftrainer-Novizen Luke Reynolds dürften der Mannschaftsentwicklung nicht gerade förderlich gewesen sein. Um das Hauptziel Meisterschaft zu retten, bot er im Januar ausgerechnet Moculescu vom Erzrivalen Friedrichshafen, wo der gebürtige Rumäne in knapp 20 Jahren zum erfolgreichsten Trainer im deutschen Männervolleyball aufstieg, den Platz auf der Berliner Trainerbank an. Jener beendete mit 67 sein Rentnerdasein, weil es ihn reizte, das nach seiner Ansicht vorhandene Potenzial der Volleys zum Vorschein zu bringen.
Diese Rechnung ist bisher und am Sichtbarsten am Donnerstag aufgegangen. Gewinnen wir, so Niroomand, am Sonntag nicht das Heimspiel, „wäre alles für die Katz gewesen“.