Er kam, sah und sägte -„Saw VI“ ist eine filmische Nervensäge der blutigen Art

Für alle, welche das Glück haben, die „Saw“-Reihe nicht zu kennen: Nicht weiter lesen! Für alle, die „Saw“ kennen, aber nicht genau wissen, worum es geht: ein Mörder mit dem Decknamen „Jigsaw“, eine Anspielung auf die englischen Worte für Puzzle und Säge, sperrt seine Opfer in komplizierte Foltermaschinen. Um diesen zu entkommen müssen sie sich selbst verstümmeln. In einer Variation dieses Konzeptes müssen die Opfer bisweilen entscheiden, wer von mehreren anderen Gefangenen qualvoll sterben muss und wen sie – natürlich durch Selbstverstümmelung – retten. Derartige Szenen reihen sich bis zum Filmende aneinander. Dieses besteht aus dem immer gleichen offenen Schluss: Jigsaw ist noch lange nicht fertig. In „Saw“ x,y,z, geht’s weiter. Gab es zu Beginn der Kinoserie noch einen Regisseur, tut es mittlerweile der Cutter in Sachen Regie – passend, bedenkt man, dass das Zer- und Abschneiden (von Körperteilen) eine entscheidende Rolle in „Saw VI“ spielt. Der Killer wird meist durch eine Marionette vertreten, was angesichts der hölzernen Darsteller keinen qualitativen Unterschied macht. Ungereimtheiten wie die Rückkehr in einem der vorigen Serienteile Verstorbener werden mit ein paar Sätzen notdürftig gerechtfertigt: „Ich wusste nicht, wem ich trauen konnte.“ Selbst bei unbekannten Darstellern kann man sich nicht darauf verlassen, dass sie in solchem Schund zweimal mitspielen. Der oder die Mörder führen eine Doppelexistenz zwischen anstrengenden Vollzeitberufen und Serienmord. Woher sie Zeit und Geld zur Konstruktion all der Foltermaschinen nehmen, bleibt schleierhaft („Überstunden? Unmöglich, ich muss doch noch die Rückgratquetsche ölen.“).

Tatsächliche alle „Saw“-Filme zu sehen wäre fast ebenso schlimm, wie alle Disney-Filme hintereinander zu sehen oder eine Endlosplatte mit „Last Christmas“ zu hören. Ein Akt der Selbstfolter. Für die „Saw“-Reihe wäre dergleichen eine interessante Variation. Statt seine Opfer mit Hackmaschinen zu quälen, könnte Jigsaw beziehungsweise der Praktikant, der gerade unter dessen Maske steckt, vor seinen Gefangenen einen Videorekorder aufstellen: „Jetzt laufen nacheinander alle sechs „Saw“-Filme. Wenn die zu Ende sind, ist wahrscheinlich schon der siebente abgedreht.“ Vor soviel Grausamkeit schrecken vermutlich sogar die Produzenten der blutigen Filmserie zurück. Zumal eine derartige Qual sich nicht durch eine größere übertrumpfen ließe. Einzige Herausforderung an die Macher der Filmreihe ist, sich immer brutalere, grausigere Verstümmelungs- und Todesarten auszudenken. Ohne kontinuierliche Steigerung des Ekelfaktors würden die Fans der Reihe irgendwann wegbleiben. In punkto Originalität stoßen die Autoren jedoch auf ihre Grenzen. So zeigt „Saw VI“ altbewährte Mordmethoden. Nie den Körper in die Säure sonst geschieht das Ungeheure. Besser arm dran als Arm ab. Rauchen tötet. Und so weiter.

Eine wichtige Schlussbemerkung: „Saw VI“ ist hirnlos und gewaltvernarrt. Wer sich „Saw VI“ ansieht, sperrt trotzdem nicht morgen Frau Huber aus der Mathestunde in den Folterkeller nachdem er oder sie im Kino war. Auch wenn manche Moralwächter das gerne so sehen wollen. Jigsaws reale Kollegen malen eher lustige Clowns malen (John Wayne Gacy) oder hören „The first Time ever I saw Your Face“ (Jeffery Dahmer) als Horrorfilme zu gucken. Vertreter der Filmzensur folgen dem Prinzip Jigsaws: was sie als moralisch schlecht empfinden, muss weggeschnitten werden. Schlimmer als Teil sechs von „Saw“ ist und bleibt die FSK.

* * *

Titel: Saw VI

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Horrorfilm

Kinostart: 3. Dezember 2009

Regie: Kevin Greutert

Drehbuch: Patrick Melton, Kevin Dunstan

Darsteller: Tobin Bell, Costas Mandylor, Betsy Russel, Shawnee Smith

Verleih: Kinowelt

Internet: www.saw6film.com

Vorheriger ArtikelDie Filmbüchse der Pandora – Hoffnungslos: James Camerons Alien-Saga „Avatar“
Nächster ArtikelGanz nah dran – Großformatiger Molière in den Kammerspielen des DT