Eklat bei Opel – 2.000 Mitarbeiter verlassen Betriebsversammlung – Dissens als Ausdruck der allgemeinen Krise

Dabei war der schwierige Verhandlungsweg zwischen den Tarifparteien schon sehr weit beschritten worden. Die Mitarbeiter sind bereit, die im Mai für die Branche ausgehandelte Erhöhung der Löhne und Gehälter um 4,3 Prozent zu stunden. Für den Fall, daß die Gespräche über die Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen konstruktiv verlaufen, seien weitere Zugeständnisse denk- und machbar, heißt es aus dem Betriebsrat. Ziel ist die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen und speziell die dauerhafte Auslastung des Produktionsstandortes Bochum. Die bislang gültige Bestandsgarantie für das Werk im Ruhrgebiet läuft 2014 aus, sie soll nach der Vorstellung des Managements höchstens bis 2016 für die Fertigung des Zafira gelten. IG Metall, Betriebsrat und Belegschaft sehen die Notwendigkeit einer Verlängerung auch darüber hinaus.

500 Millionen Euro hat die Betriebsleitung für die Kosten des Personalabbaus veranschlagt. Betriebsratschef Einenkel geht aber davon aus, daß real eine Milliarde Euro nötig sein werden. Er sieht dieses Geld wesentlich besser in die Modellpolitik und Standortsicherung Bochums investiert. Außerdem habe das Bochumer Werk die höchste Auslastung von allen bundesdeutschen Standorten und fahre als einziges Werk Gewinne ein, argumentiert der Gewerkschafter für den langfristigen Erhalt von Opel in Bochum.

Der Streit bei Opel ist konzentrierter Ausdruck der allgemeinen Krise der automobilen Volumenhersteller in Europa. Der Neuwagenverkauf sank in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um sieben Prozent auf 5,6 Millionen Fahrzeuge. Experten prognostizieren weitere Rückgänge. Lediglich Premiumhersteller wie Audi, BMW und Mercedes konnten die Krise durch vermehrten Absatz in China, den USA und in Schwellenländern kompensieren. Am heftigsten von der europäischen Nachfrageschwäche betroffen sind Fiat, Opel, Peugeot und Renault.

Fiat-Chef Sergio Marchionne, der zur Zeit auch dem Verband europäischer Automobilhersteller (Acea) vorsteht, fordert deshalb eine koordinierende Rolle der Politik und finanzielle Hilfen der EU-Kommission beim Abbau von Überkapazitäten. Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes und VW, deren Lage trotz der Krise gut ist, lehnen solche Interventionen jedoch ab.

Um regulierende Maßnahmen, die der Krise begegnen, wird auf die Dauer jedoch wohl niemand herumkommen. Staatliche Ausgaben für die Infrastruktur (Elektromobilität!), gezielte Investitionslenkung zum Beispiel für integrierte Verkehrskonzepte, die Entwicklung öffentlicher Einrichtungen (ebenfalls Nachfrager von Fahrzeugen) sind krisenheilend. Gleichfalls bedeuten Arbeitsplätze und Löhne immer wieder Nachfrage und allgemeine Konjunkturstärkung.

Autos kaufen keine Autos; Autos bauen auch keine Autos.

kb

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