Hennef, Deutschland (Weltexpress). Maren Ziegenfuß, Abteilungsleiterin einer Akademie für Arbeits- und Gesundheitsschutz in Sankt Augustin und Malerin r. A. (realistisches Zeichnen) stand immer in Offenställen mit ihren Pferden, reitet seit nunmehr 30 Jahren im Freizeitbereich und ist als Kind und Jugendliche auf kleinen Turnieren gestartet. Sie gehörte vor 16 Jahren zu den frühen Reitern mit einem Knotenhalfter und war immer auf der Suche nach der artgerechten Haltung. Doch erst auf dem Hof von Bernhard und Martina Krämer in Hennef an der Sieg, nahe Bonn, hat sie den absoluten Traum mit einigen Gleichgesinnten gefunden und eine Utopie mit Pferden verwirklicht, die auch andere Pferdehalter ermutigen kann bei ihrer Suche nach pferdefreundlichen Alternativen in dicht besiedelten Gebieten und in der Nähe von größeren Städten. Alternativen sind möglich, wenn man/frau einen Bauernhof findet, dessen Besitzer bereit und offen ist für alternative Umgangs- und Organisationsformen, die sich langsam aber stetig entwickeln unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, wie die ökologische Bewegung Veränderungen in der traditionellen Landwirtschaft hervorgebracht hat.
Das Interview
Paschel: Liebe Maren, wir haben uns kennengelernt auf einem Trail-Kurs bei Heinz Welz und erlebt, dass sich unsere Pferde auf Anhieb gut verstanden haben. Ist meine Erinnerung richtig?
Ziegenfuß: Ja, daran kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Ich freue mich immer, auf Kursen nette Menschen und Pferde kennenlernen zu dürfen.
Paschel: Danach konnten auch wir einige Gemeinsamkeiten entdecken. Wir sind beide im tiefsten Ruhrpott geboren, Du in Bochum Wattenscheid und ich ein paar Jährchen früher in der Nachbarstadt Castrop-Rauxel. Neben den Pferden haben wir noch ein weiteres gemeinsames Hobby, das Malen. Mir scheint, es ist für Dich schon mehr als ein Hobby neben Deinem Hauptberuf im Management.
Lass uns beim Malen beginnen.
Du malst bei Bedarf im Auftrag Pferdebilder. Wie bist Du zum Malen gekommen?
Ziegenfuß: Das werde ich sehr oft gefragt und viele erwarten dazu eine Geschichte oder ein Erlebnis. Bei mir war es tatsächlich so, dass ich glaube gemalt zu haben, bevor ich Mama sagen konnte. Mein erstes Pferdebild habe ich noch heute. Von Anfang an haben mich Pferde am meisten fasziniert, selbst als ich noch gar nicht geritten bin. Schon mit drei Jahren habe ich Pferde gemalt und wollte mich auf jedes Pferd draufsetzen, welches wir bei Spaziergängen mit den Eltern getroffen haben. Mit 5 wollten mir meine Eltern etwas Gutes tun und „steckten“ mich in einen Malunterricht. Dort wurde nach der ersten Stunde gesagt, ich wäre unterfordert. Ich wollte das Geweih eines Hirsches nicht wie eine Antenne malen sondern eben realistisch, wie es nun mal aussieht. Ich habe es nicht eingesehen, es so unrealistisch zu malen; ich habe noch nie einfach irgendetwas gemacht, wo ich keinen Sinn drin sehe.
Paschel: Das ist für mich anders. Der Sinn beim Malen besteht für mich im Ausdruck meiner Gefühle, was bekanntlich Expressionismus genannt wird.
Dein zweites Bein ist Managementberatung. Ich könnte mir vorstellen, dass Seminarmanagement und Pferdemanagement einige Parallelen hat.
Ziegenfuß: Beruflich organisiere und verkaufe ich (kurz gesagt) Seminare rund um das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz. Organisation und den Überblick bewahren ist dort sehr wichtig und Ja, es gibt einige Parallelen zur Pferdehaltung. Ohne Organisation funktioniert das Versorgen, Bewegen und die artgerechte Haltung von Pferden gar nicht, selbst wenn es nur ein Pferd ist und nicht drei, wie bei mir. Es ist nicht nur Ankommen-Putzen-Reiten-ab in die Box, sondern das ganze Versorgungsmanagement um das Pferd herum. Organisation von Heu und Stroh, Misten, Zäune reparieren, ggf. Bodenbelag erneuern, Wiesenmanagement uvm.. Meine Eltern sagen immer, ich hätte in die Landwirtschaft gehen sollen.
Paschel: Naja, Du kannst Dich ja bei „Bauer sucht Frau“ bewerben. Ich weiß nicht, ob Deine Eltern damit glücklich wären! (Maren lacht)
Ein wenig Landwirtschaft nebenbei mit drei Pferden – da sind wir beim zentralen Thema „Eine Wohngemeinschaft für Pferde“. Lass uns mal etwas ins Detail gehen!
Ziegenfuß: Zumindest haben meine Eltern nichts gegen Wohngemeinschaften.
Eine menschliche Wohngemeinschaft basiert nach meiner Vorstellung auf demokratischen Umgangsformen, wobei ich nie in einer WG gelebt habe, ich brauche Raum und Platz für mich allein. Auf Pferde übertragen würde ich demokratisch durch artgerecht ersetzen. Ich bin auf die Haltung meiner Ponys sehr stolz. An dem Hof stehe ich jetzt seit fast 8 Jahren und habe mit den Möglichkeiten keinen zweiten erlebt. Wir können in „unserem“ gepachteten Bereich machen und werkeln wie wir wollen. Jeder hat seinen eigenen großen Offenstall in den unterschiedlich viele Pferde passen. Da wir alles Besitzer mit mindestens zwei-vier Pferden sind, haben wir alle unsere eigenen kleinen Gruppen. Manche gehen im Sommer zusammen auf die Weiden. Meine haben als einzige ihre große Weide zum Teil in Hanglage direkt am Paddock und bleiben daher in ihrer kleinen Dreier-Gruppe.
Paschel: Wieviel Hektar oder qm haben die Drei denn?
Ziegenfuß: Nachdem die „Nachbarn“ ausgezogen sind, habe ich den Paddock dazugemietet und habe nun ca. 150 qm Paddockfläche mit zwei Hütten. Sie sind 24 Stunden draußen, das ganze Jahr. Sie können in ihre Hütten und unter ihre Vordächer wie sie möchten. Die Raufe bietet mit einem Dach ebenfalls geschütztes Fressen. Selbstverständlich haben sie auch eine Salzsteinstation, diese ist mittlerweile unter dem Vordach von der kleinen Hütte mit 4 verschiedenen Salzsorten. Hier gibt es tatsächlich auch bei den Dreien unterschiedliche Vorlieben. Während Boogey das starke Viehsalz bevorzugt, mag Nemo das Himalayasalz am liebsten und Diego scheint das eher milde – ich habe es selbst probiert – Karpatensalz zu bevorzugen. Das bayrische Alpensalz hingegen ist bisher unberührt geblieben. An 9-10 Monaten im Jahr ist die Wiese 24 Stunden offen, außer es ist zu viel Regen und Matsch, dann mache ich sie im Herbst schon mal zu. Da sie aber so viel Paddockfläche haben, ist das kein wirkliches „Luxusproblem“.
Paschel: Wie groß ist die Koppel?
Ziegenfuß: Die Weide ist etwas verwinkelt aber sie wird ca. 1,2 ha messen + zwei Baumgruppen. Für eine ganzjährige Versorgung wären 2,5 ha optimal, aber durch die verwinkelte Struktur und die Hanglage ist sehr viel Bewegung und Abwechselung da und auf Grund der 24 Stunden Heufütterung – auch im Sommer – genügt die „kleinere“ Fläche.
Um Ostern rum, habe ich immer eine Woche Werkelurlaub, die Wiese wird gemacht, Zäune geflickt, Böden erneuert und was mir sonst noch so einfällt.
Von Februar bis März/April je nach Wetter und Wachstum bekommt die Wiese ihre Pflege mit Mulchen, Düngen und Einsäen, so dass sie wieder fit für die nächste Saison wird. Das mache ich alles von Hand und mit Hilfe von Boogey. Nur das Mulchen macht der Bauer mit der Maschine.
Paschel: Das Konzept des Bauern, euch so viel Freiraum zu geben, würde auch mir sehr entgegen kommen, zumal aus meinem Verständnis das Versorgen des Pferdes nicht beim Putzen endet. Wie spielen die anderen Einsteller denn mit?
Ziegenfuß: Wir haben am Stall insgesamt 20 Pferde bei 6 Besitzern und dann noch die Gnadenbrotgruppe mit 8 Pferden der Stallbesitzerin. Einen sehr großen Reitplatz mit ca. 30×50 Metern und einen Roundpen, Waschplatz, Boxen nur als Heulager und was man so für Bodenarbeit braucht, schönes Ausreitgelände und eine sehr nette Gruppe, die alle sehr viel Bodenarbeit und „Horsemanship“-Affin sind. Fast alle reiten gebisslos und fast alle ohne Eisen an den Hufen, ich reite eh nur mit Knotenhalfter, auch mein Mini hat ein kleines Knotenhalfter.
Wir haben uns übrigens gemeinsam zu dieser „Selbstversorgerform“ entschieden. Bis vor zwei Jahren hat der Besitzer noch das Heu usw. besorgt. Wir haben uns als Gruppe zu dieser Änderung geeinigt und ich glaube der Hofbesitzer ist sehr zufrieden damit. Er hat keine Sorge mehr mit Heupreisen und Kalkulation.
Paschel: Ich hoffe, das lesen auch Hofbesitzer!
Ich stell mir das nicht so einfach vor, wie managt ihr als Stallgemeinschaft Eure Pferdewohngemeinschaft?
Ziegenfuß: Das Tolle ist halt wirklich, dass wir in unseren Paddocks fast alles machen dürfen, Böden wie wir wollen, Zaun, Raufen usw. Nur die Hütten dürfen wir nicht abreißen, aber das will ja keiner. Wir sind selbstversorgend. Der Stallbesitzer macht Weidepflege mit, Mistabholen und Heuballen fahren, also alles was mit dem Traktor gemacht werden muss. Wasser wird gestellt – nur aus der Leitung und aus Bottichen, Pferde trinken übrigens lieber in großen Schlücken, als aus den automatischen Tränken – und natürlich der Heuboden. Wir besorgen Heu selbst und Einstreu ebenso, zahlen also eine Art Kaltmiete. Shetty´s bis 1m Größe sind umsonst in der Kaltmiete. Vielleicht haben wir deswegen irgendwie mittlerweile in jedem Paddock noch ein Shetty dabei , aber Boogey ist einer der „Urponys“ und der „hofälteste“ Zwergi, aber er ist auch erst 9, was für ein Shetty ja gar kein Alter ist.
Paschel. Im Fernsehen gab es mal einen Bericht über ein Pony, das über 50 Jahre alt war!
Ziegenfuß: Ob ich das noch erlebe? Ich hoffe, Boogey begleitet mich später, wenn ich mit dem Rollator unterwegs bin!
Wenn einer krank ist oder in den Urlaub fährt oder ähnliche Gründe hat, warum er mal nicht kann, helfen wir uns natürlich gegenseitig. Manche haben auch eine „Misthilfe“. Das ist selbstverständlich möglich. Eine gute Kommunikation ist alles.
Paschel: Es gibt doch sicher auch Meinungsverschiedenheiten oder?
Wie regelt ihr diese?
Ziegenfuß: Wir haben zwar alle ähnliche Beweggründe unsere Pferde in der Form zu halten, jedoch haben wir natürlich nicht alle die gleiche Meinung und setzen auch Training und diese Haltung mit unterschiedlichen Prioritäten um. Da wir jedoch jeder unabhängig von dem anderen agieren können und jeder so gesehen seinen „eigenen Stall im Stall“ hat, haben wir sehr wenig Streitpunkte was das Dasein am Hof an sich angeht. Eigentlich vermeidet man so sehr viele Streitpunkte, die es an anderen Höfen mit vielen Mädels auf einem Haufen, ja doch schon mal gibt. Gerad in den Ställen wo Leistungsdruck und Erfolgswillen vorherrscht. Das haben wir ja nicht, wir sind alles Wald- und Wiesenreiter, die das Miteinander mit dem Pferd im Vordergrund sehen.
Lediglich die Heulagerung ergab mal einen Diskussionsgrund. Wir kaufen unser Heu ja selbst und das zum Teil von verschiedenen Bauern – jeder bevorzugt eine andere Heuart. Oh ja, das klingt verrückt, aber bei Heu gibt es so viele Unterschiede, das glaubt man gar nicht, wenn man sich einfach nur darauf verlässt, dass der Stallbesitzer das Pferd „schon füttern wird“. Naja, so war es natürlich schwierig im Heuboden 40 Heuballen zu lagern ohne dass wir durcheinander kamen. Aber auch das konnten wir lösen. Unsere Heuballen sind nun jeweils anders markiert. Jeder Pferdebesitzer hat eine andere Markierung, so kommen wir nicht mehr durcheinander.
Paschel: (lacht) Das hört sich logisch an und macht auch Sinn. Vielen Dank, liebe Maren, für dieses nette Gespräch
Ziegenfuß : Gerne, lieber Bernd.