Berlin, Deutschland (Weltexpress). Klar, man muss den Deutschen jetzt täglich einhämmern, wie gefährlich Russland doch ist, und unter jeder Bettdecke nach russischen Agenten suchen. Aber das, was Buschmann und Faeser nun präsentieren, dürfte noch weit hinterhältigere Absichten verfolgen.

Entweder sie haben zwei wirklich große Fische gefangen oder der deutsche Staatsapparat fischt wieder mal im Trüben. Wenn man hört, wie die Bundesministerin des Innern Nancy Faeser trompetet, es ginge um „Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime“ – was die Tagesschau gehorsamst gleich zur Schlagzeile erhebt – dann denkt man instinktiv an Letzteres. Schließlich ist man seit dem Rollator-Putsch und Correctiv einigermaßen leidgeprüft, was die Erhebung eines Nichts zum nationalen Notstand betrifft, und die handelnden Personen dieses Dramas, insbesondere Madam Faeser, sind alle nicht die Vertrauenerweckendsten.

Aber fassen wir einmal die bisher bekannten Fakten zusammen: Zwei Deutsch-Russen werden in Bayern, in Bayreuth, festgenommen, weil sie die US-Einrichtung in Grafenwöhr fotografiert haben und außerdem Sprengstoffanschläge geplant haben sollen. Einer der beiden soll, von 2014 bis 2016, in einer Einheit der Volksrepublik Donezk gekämpft haben, woraus der Generalbundesanwalt jetzt „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ macht.

Wer schon ein paar Videos von Festnahmen ukrainischer Saboteure in Russland gesehen hat, weiß, dass da der Sprengstoff für beabsichtigte Anschläge gezeigt wird. Ganz konkret. Und wo ist der Sprengstoff in Deutschland? Hatten sie überhaupt welchen? So etwas kauft man nicht an der nächsten Straßenecke, auch wenn der Markt für solche Dinge dank der Weiterleitung aus Waffenlieferungen an die Ukraine auf die Schwarzmärkte ziemlich in Bewegung geraten sein müsste. Sicher, in Deutschland wird längst ein etwas eigenartiges Verhältnis zu materiellen Tatbeständen entwickelt, aber dennoch: Solange da kein Sprengstoff ist, ist eine „Absicht eines Sprengstoffanschlags“ erst einmal nur eine Fantasie.

Grafenwöhr zu nennen, ist auch putzig. Es gibt eine Reihe ganz interessanter US-Einrichtungen in Deutschland, in Büchel zum Beispiel, in Landstuhl, das CENTCOM und das EUCOM, aber Grafenwöhr? Das ist doch die Ecke, wo ihnen drei Ampeln vor der Kaserneneinfahrt immer die Abrams liegenbleiben. Das einzige, was an den Ukrainern, die dort mehrfach ausgebildet wurden, interessant wäre, ist die Frage, ob die zu irgendwelchen Nazibataillonen gehören. Dafür fotografiert man aber Menschen, nicht Anlagen. Aber für das, was Grafenwöhr zu bieten hat, reichen Satellitenaufnahmen.

Wie auch immer. Vermutlich ist diese ganze Geschichte mit der „besonders schweren Agententätigkeit“ nur die Dekoration. Das, worauf es bei dieser Geschichte (abgesehen vom propagandistischen Nutzen, dass mal wieder böse lauernde russische Spione entdeckt wurden) wirklich ankommt, dürfte die Nummer mit der „terroristischen Vereinigung“ sein. Und das nicht deswegen, um einen der beiden Festgenommenen besser verknacken zu können, sondern wegen der Nebenwirkungen, die das auf die gesamte Gesellschaft hat. Dabei zeigt diese Absicht, so widerlich sie ist, auch die Schwäche der herrschenden Erzählung.

Gehen wir zurück ins Jahr 2014. In Kiew kommt es zu einem vom Westen orchestrierten Putsch, der eine ziemlich braune Suppe an die Macht spült. Auf der Krim und im Donbass bildet sich daraufhin bewaffneter Widerstand. Ich erinnere mich noch an ein Video mit Waleri Bolotow, dem späteren Chef der Lugansker Republik, in dem er zu diesem Zeitpunkt noch mit Sturmhaube über dem Gesicht erklärte, es sei die Lehre von 1933, dass man gegen den Faschismus sofort zu den Waffen greifen müsse. Anfang März gab es Berichte aus Kiew, dass Menschen, die auf den Faschistengruß „Heil der Ukraine“ nicht mit „Den Helden heil“ antworteten, auf offener Straße zusammengeschlagen wurden. Ja, das roch wie 1933, und es sah auch aus wie 1933.

Nach deutschem Recht wäre das, was dann in Donezk und Lugansk geschah – und was einzig durch die in Kiew getroffenen Entscheidungen dann zum Bürgerkrieg wurde – legitimer Widerstand gegen die unrechtmäßige Machtergreifung eines faschistischen Regimes. Man hat es aber in Deutschland so nicht berichtet, außer einmal – wohl eher aus Versehen am 9. Mai 2014 –, als in Mariupol von der dorthin entsandten und aus echten Rechtsradikalen bestehenden Nationalgarde blind in die Menge gefeuert wurde.

Im Gegenteil, als am 11. Mai dann das Referendum stattfand, verkaufte das ZDF einen Überfall des Rechten Sektors auf ein Wahllokal sogar als Gewalttat der „Separatisten“. Und das Massaker am 2. Mai 2014 in Odessa wurde unterschlagen. Schon gar nicht erwähnt wurde, wie sehr die Junta, die in der Ukraine herrschte, in diese Tat verwickelt war – neben einem gewissen Oligarchen namens Igor Kolomoiski, der später dann einen gewissen Schauspieler namens Wladimir Selenskij nach oben hievte. Kolomoiski, der an den Straßen Plakate aufstellen ließ, auf denen er für jeden „Separatisten“, tot oder lebendig, eine Belohnung versprach.

Zurück zu unserem Terrorismusvorwurf. Der Bundesminister der Justiz Marco Buschmann von der FDP soll „eine entsprechende Verfolgungsermächtigung erteilt“ haben. Die Tagesschau jubelt weiter: „Ein Schritt mit hoher Symbolkraft, der diplomatische Folgen haben dürfte.“ In Wirklichkeit hat er voraussichtlich vor allem auch innenpolitische Folgen.

Es ist zumindest ungewöhnlich, dass Buschmann eine derartige Ermächtigung erteilt. Das übliche Verfahren, eine ausländische Organisation zum Gegenstand einer Verfolgung nach dem Paragrafen 129b des Strafgesetzbuches (StGB) zu machen, ist nämlich längst durch ein Procedere der Europäischen Union (EU) geregelt. Eine Geheimkommission der EU namens CP 931 (benannt nach jenem Ratsbeschluss, der sie 2001 schuf, und die sich zweimal die Woche trifft) entscheidet nämlich, eine Organisation möglicherweise auf die Terrorliste der EU zu setzen. Genau das sollte im Herbst 2014 bezogen auf die beiden Donbass-Republiken passieren, wie durch ein vom damaligen Linken-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke veröffentlichtes Dokument 2014 bekannt wurde, in dem es heißt, die Frage der Einstufung der Donezker und Lugansker Volksrepubliken („DVR“/“LVR“) sei zur weiteren Beratung im September 2014 an das PSK, das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der Europäischen Union verwiesen worden. Wenn ein derartiger Beschluss vorliegt, erfolgt dann auf dem Wege der Ermächtigung die Übertragung in nationales Recht.

Der Paragraf 129b ist einer der unappetitlichsten Paragrafen, und das nicht nur, weil meine Terroristen deine Freiheitskämpfer sind, die Definition also sehr wandelbar ist. Nelson Mandela stand noch auf einer US-Terrorliste, als er schon Präsident von Südafrika war. Der Paragraf 129b ermöglicht das volle Programm, Festnahmen durch SEK, Isolationshaft … , da sind wir bei des Pudels Kern, den gewaltigen Nebenwirkungen auf alle, die irgendwie damit zu tun haben.

Wenn Buschmann, wenn der Generalbundesanwalt heute, zehn Jahre nach den Handlungen, die nun bei einem der Angeklagten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung belegen sollen, einen derartigen Pfad beschreiten, dann könnte das – zumindest vorerst – auch all jene betreffen, die beispielsweise die Wahrheit über den Krieg berichten, der von 2014 bis 2022 im Donbass herrschte, denn auch das wäre dann Werbung für eine terroristische Vereinigung. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu sehen, wie dann auch aus humanitärer Hilfe für den Donbass Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wird. „Fahnen, Abzeichen, selbst das Verlinken der Hymnen, jede Form von Berichterstattung, die nicht der vorgegebenen Linie entspricht, schon die schlichte Äußerung, man halte den Aufstand für gerechtfertigt, all das kann zur Werbung erklärt und verfolgt werden. So habe ich die Folgen 2014 zusammengefasst.

Dass Buschmann diesen Fels allein ins Rollen bringt, belegt, dass er nicht einmal in der EU Unterstützung dafür gefunden hat, sonst wäre die EU-Terroristenliste, die nach wie vor vom 04.02.2022 stammt, inzwischen geändert. Nein, dieser Angriff bezieht sich nur auf Deutschland. Das ist schon allein deshalb bizarr, weil eben diese vermeintlichen Terroristen Vertragsparteien eines Abkommens waren, das Deutschland mit beurkundet hat und das durch Beschluss des UN-Sicherheitsrats in den Rang von Völkerrecht erhoben wurde: die Minsker Vereinbarungen. In den Jahren 2014 und 2015 wirkte Deutschland noch als Garant an diesen Abkommen mit. Und zehn Jahre danach erklärt man eine der Vertragsparteien zu einer „terroristischen Vereinigung“? Wohlgemerkt nicht bezogen auf die Gegenwart (wo das ja nicht mehr ginge, da mittlerweile die beiden Republiken Teil der Russischen Föderation und die Bataillone in die russische Armee eingegliedert sind), sondern bezogen auf eben den Zeitraum, in dem besagte Verhandlungen geführt wurden.

Die beiden womöglich sprengstofflosen „Sprengstoffattentäter“ sind vermutlich nur das Bauernopfer, um endlich das Loch im Narrativ stopfen zu können, durch das so unangenehme Wahrheiten hereintröpfeln. Endlich all die Videos auf YouTube löschen lassen, auf denen man sieht, was in Odessa, in Mariupol geschah, weil das alles Werbung für eine terroristische Vereinigung ist. Nun also endlich alle zum Schweigen bringen können, die darauf bestehen, dass von 2014 bis 2022 alle Kiewer Regierungen auf ihre eigenen Landsleute schossen. Denn es ist schlimm genug, dass die anstehende Niederlage des Kiewer Regimes die Blütenträume von der Plünderung Russlands zerstört und die Deutschen nicht so recht willig sind, für die Bandera-Republik zu sterben. Da will man wenigstens allen den Mund stopfen können, die auf die wahren Terroristen hinweisen und damit ständig die Mär vom „unprovozierten russischen Angriffskrieg“ gefährden.

Und noch ein kleiner persönlicher Nachsatz sei erlaubt: Dass die heutige Bundesregierung das Bandera-Regime stützt, ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte unverzeihlich. Ein Deutscher, der geholfen hat, den Donbass gegen die ukrainischen Faschisten zu verteidigen, hat damit ebenso sehr die Ehre seines Landes bewahrt wie die Kämpfer der Internationalen Brigaden aus Deutschland in Spanien vor bald neunzig Jahren.

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde am 18.4.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.

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