Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der mehr oder weniger mazedonische Beitrag im Wettbewerb der 69. Berlinale mit dem Titel „Gospod postoi, imeto i’ e Petrunija“ (Englischer Titel: „Go exists, her Name ist Petrunija“) von von Teona Strugar Mitevska beschreibt auf gekonnt satirische Weise den Kampf einer Frau gegen ihre von Kirche und Männlichkeit geprägten Gesellschaft.
Es ist nicht so, dass Filmkritiker nicht gerne Filme schauen, eher das Gegenteil. Wenn das allerdings wie bei der Berlinale regelmäßig ab 9 Uhr früh der Fall ist, dann hier und heute immer ein leichtes innerliches Murren zu spüren. Es ist Berlinale, ja, doch später wäre besser. Sollten Kinogänger und Kritiker jedoch gleich gegen 9 Uhr in der Frühe einen solch guten Film serviert bekommen, legt sich die schlechte Laune schnell.
Das frühe Aufstehen hat sich doch gelohnt. Gute Filme können schließlich Glücksmomente versprühen. Im Fall des Films „Gospod postoi, imeto i’ e Petrunija“ war dies der Fall, jedenfalls bei mir. Aus meiner Sicht ist der Beitrag einer der überzeugendsten im Wettbewerb. Es ist erstaunlicher, dass es sich hierbei um einen Frauenfilm handelt, der für mehr Gerechtigkeit gegenüber Frauen, in diesem Fall für die Gerechtigkeit an einer Frau eintritt. Und das ohne den pädagogischen, moralischen, brechtschen Zeigefinger zu heben, der ein filmisches Werk dann oft schwerfällig erscheinen lässt.
Wie der Filmtitel schon verspricht, handelt der Film von Petrunija. Sie lebt in einer kleinen mazedonischen Gemeinde, ist arbeitslos und einen Mann hat sie auch nicht. Glück gehabt, möchte mancher meinen. Da sie Geschichte studiert hat, kann sie keine Arbeit finden und gilt als Nichtsnutz, brotlose Künstlerin wäre noch ein Lob. Doch das alles ändert sich am Dreikönigstag. An diesem Tag wird in Mazedonien nach orthodoxer kirchlicher Tradition ein heiliges Kreuz in den Fluss geworfen, in welchen die jungen Männer des Dorfes springen um dieses zu ergattern. Wer es findet hat nach kirchlicher Überlieferung ein Jahr Glück. Ja, das ist der männliche Wettkampf, dem Streben um Glück, dem drängen nach Gold, der Gier nach Geld.
Dieser Tag wird allerdings für Pertunija und ihre Gemeinde alles ändern. Nur eben nicht wie gedacht. Petrunija hat an diesem Tag ein Vorstellungsgespräch in der örtlichen Näherei. Den Job bekommt sie nicht. Sie habe keine Arbeitserfahrung. Für die Maschine reicht das nicht. Außerdem reicht es auch nicht fürs Bett, denn der Boss findet sie nicht attraktiv genug.
Auf dem Heimweg gerät Pertunija mitten in die Zermonie, deren Hauptakteure die Männer sind – sein sollten. Durch einen Zufall gerät sie ins Wasser und ist beim Finden des Kreuzes schneller als ihr geschlechtlicher Gegenpart. Sie hat nun jenes Kreuz, das nach orthodoxen Regeln eigentlich den Männern und dem männlichen Glück zusteht.
Da Petrunija unbeabsichtigt alle Regeln über den Haufen geworfen hat gerät alles außer Kontrolle und die Gemeinde, angesichts des Erfolgs von Petrunija, läuft zwar nicht Amok, verliert aber zumindest die Nerven. Denn mit einem Schlag sind die gesamte Traditionen, Konventionen, kirchlichen Regeln, sogar die selbstverständliche männliche Dominanz, kurz das gesamte Weltbild auf den Kopf gestellt. Kirche, Polizei und Justiz stehen vor der Frage, wie damit umzugehen ist.
Es wäre das einfachste, wenn Petrunija das Kreuz zurückgibt. Doch die weigert sich vehement, will sie doch endlich einmal für ein Jahr das Glück in Anspruch nehmen. So wird sie auf das örtliche Polizeirevier mitgenommen. Zwar ist sie nicht verhaftet, die rechtliche Grundlage dafür fehlt schlicht, doch sie hat nicht niedergeschriebene Regeln missachtet, nicht aber das Gesetz.
Auf dem Revier ist sie dem Druck von Poilzei und Kirche ausgesetzt, aber gegen den wütenden Mob der Männer geschützt
Unterstützung erhält sie von einer Fernsehjournalisten, die in dem ganzen durcheinander die Chance auf eine große Story sieht. In der ungünstigen Gemengelage von Polizei, Justiz, Kirche, (Männer-)Mob und Fernsehberichterstattung spitzt sich die heikle Lage zu, aus der Petrunija schließlich mit erhobenem Haupt hervor geht – ohne vor den über ihr stehenden Gewalten auf die Knie gegangen zu sein.
Der Film basiert auf Ereignissen, die sich 2014 in Mazedonien abgespielt haben und die die Filmemacherin Teona Strugar Mitevska inspiriert habe, einen Film über die Position der Frau in dem noch sehr von der Kirche und von alten Konventionen beherrschten Mazedonien zu machen. Angenehm ist, dass Petrunija eine stille Helden ist bzw. aufgrund einer Verkettung von Umständen unwillentlich zu einer wird. Das macht ihre Figur und den Film umso angenehmer. Keine Feministin oder von vornherein um ihr Überzeugung kämpfende Frau wird hier porträtiert, sondern Petrunija als jemanden vorgestellt, die sich wie viele andere durchkämpfen muss und nebenbei als aufgeklärte und gebildete Frau gezeigt wird. Wir können uns daher gut mit ihr indentifizieren.
Was den Film genauso auszeichnet ist, dass er einen starken satirischen Unterton besitzt. Eigentlich ein Drama in der die Einzelne gegen die Gesellschaft steht. Doch die Satire dahinter ist immer spürbar. So wird Petrunija im Verhör von ihrem Vernehmer gefragt ob sie gläubig sei, um ihr ein schlechtes Gewissen aufzuerlegen, sie soll ja das Kreuz hergeben. Worauf Petrunija unverholen gegenfragt ob er Schwul sei. Genauso als der Vernehmer, er hat von Petrunijas Abschluss in Geschichte erfahren, ihr unterstellt das ihr Schwerpunktthema wahrscheinlich Alexander der Große sei und Petrunija im Gegenzug die chinesische Revolution als ihr Lieblingsthema nennt. Petrunija erlebt in dem Film eine Entwicklung. Ist sie zu Beginn die Frau, die angepasst und unscheinbar erscheint, ist sie am Ende die starke Persönlichkeit, die sich in der Männerwelt behauptet hat. Und dies auf die zurückhaltende unaufdringliche Art. Nur Petrunija als sie selbst.
Der Titel des Films bezieht sich hier auf den Brief eine Kirchenvorstehers, welcher eine Unterstützung der Dreharbeiten verweigerte und in einem Brief gegenüber den Fimemacherin deutlich zu erkennen gab Gott existiert, er ist ein Mann. Und der Film lässt sich hier zum Glück nicht auf die einfache Gegenformel Gott exisitert, sie ist eine Frau ein, sondern auf die Gottesexistenz mit dem Namen Petrunija. Petrunija, die für Werte von Gerechtigkeit, tolerantem Denken, Bildung, Weltoffenheit, Geschlechtergleichheit und somit gegen jede Form von Konventionen und Stigmatisierung steht. Somit ist Teona Strugar Mitevska Film zeitlos und vermittelt einen universellen und allgemeinverständlichen Inhalt auch wenn er in Mazedonien handelt und die Thematik sich um die Ereignisse am Dreikönigstag ansiedelt. Am Ende steht sogar nicht einmal der Kampf einer Frau gegen die Institutionen, sondern das schlichte Verlangen einer Frau nach mehr Gerechtigkeit und Anerkennung in einer männerdominierenden Umgebung. „Gospod postoi, imeto i’ e Petrunija“ ist auf sympatische Weise vielschichtig und sollte somit große Chancen bei der diesjährigen Binoche-Jury haben.
Filmographische Angaben
Originaltitel: Gospod postoi, imeto i’ e Petrunija
Englischer Titel: Go exists, her Name ist Petrunija
Staat: Mazedonien, Belgien, Slowenien, Kroatien, Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Teona Strugar Mitevska
Buch: Elma Tataragic, Teona Strugar Mitevska
Darsteller: Zorica Nusheva
Dauer: 100 Minuten