Bleiben wir also lieber noch kurz bei der Vergangenheit. Das haben auch wir nicht erlebt, daß Jean Marais und Marika Rökk 1948 die ersten Preisträger waren. Film wurde wichtig in der aufstrebenden Republik und Filmschauspieler zu sein, erst recht ein berühmter, das war damals wirklich etwas Besonderes. Also war der Bambi immer mit dem „besten“ und der „besten“ SchauspielerIn verbunden. Und das ist heute nicht ganz richtig, denn in den Statuten steht, daß es bei der Auswahl darum geht, wer am meisten berühre. Das war auf jeden Fall gegeben bei Stars wie O.W. Fischer und Maria Schell, die feuchten Glanz in die Augen der Zuschauer trieben, wenn sich in den Fünfziger Jahren der Film in Deutschland heimisch eingerichtet hatte und auch Gesellschaftskritisches zum Thema machte. Da konnte man angesichts von Klasse auch die Heimatfilme irgendwie noch ertragen, die es heute überhaupt nicht mehr gibt und die in anderer Form in seichten Fernsehserien überlebt haben.
Der Bambi selbst sei eine Anmutung auf das Buch von Felix Salten: Bambi. Was international erst durch die Verfilmung von Walt Disney 1942 dem scheuen Rehkitz Weltruhm brachte. Erst war diese Skulptur, die Else Bach geschaffen hatte, aus weißem Porzellan, seit 1958 hat sie den Strahleglanz durch vergoldete Bronze. Ganze zwölf Mal hatte Heinz Rühmann den Bambi erhalten! Aber auch Peter Alexander und O.W. Fischer bekamen zehn, gefolgt in der Häufigkeitsliste von Sophia Loren mit neun und Maria Schell und Johannes Heesters mit acht Bambis. Das kann heute nicht mehr passieren. Denn nicht nur die Zeit ist schnellebiger geworden, sondern auch das Vermarkten von Schauspielern durch Medien wie den Burda Verlag oder die Bild Zeitung.
Und deshalb suchen wir uns von den 14 Preisträgern, denen ja zuvor weitere als Mitnominierte zur Seite standen, nur die uns wichtigen heraus. Und da fangen wir mit dem Mann an, der als einziger herausragte aus einem Meer von ewig lächelnden, sich kreischend gebenden öffentlichkeitsgeilen Selbstdarstellern. Das ist zu hart? Ja! Denn es gibt auch Vernünftige unter den Prämierten und Nominierten. Aber der Abend gehörte eindeutig Hans-Dietrich Genscher, der nicht nur durch Körpergröße herausragte. Der ehemalige Außenminister der Bundesrepublik bekam – Laudator war Nachfolger und FDP-Parteifreund Guido Westerwelle – den Millennium Bambi. Da wissen wir zwar nicht genau, was das ist, aber das Wort ist bedeutend und die Tat, deretwegen Genscher den Bambi erhielt, auch.
Es geht um den 30. September 1989, als die fast Tausend Besetzer der Prager Botschaft der BRD von Außenminister Genscher die Ankündigung erhielten, daß sich die DDR nach Rücksprache mit Gorbatschow in Moskau mit der Ausreise der Besetzer in den Westen einverstanden erkläre. Die Tschechoslowakei war nicht Ungarn und dennoch war dies ein entscheidender Schritt zur Neuformierung Europas. Das ist das eine. Das andere ist, mit welchen kurzen und knappen und zutreffenden Worten der 83jährige Politiker nachgerade souverän die damalige Situation darstellte, durchaus auch die Verpflichtung, die daraus eigentlich für uns Europäer erwachse. Das war aber am ganzen Abend der einzige Moment, wo so etwas wie Wahrhaftigkeit und Wichtigkeit durch den Saal wehte.
Anders beispielsweise als bei der Ehrung für sein Lebenswerk für Udo Lindenberg. Opa Lindenberg hatten einige schon zuvor gesagt. Das ist nicht nett, denn so richtig abgetakelt ist dieser Udo Lindenberg nicht. Aber es ist halt auch so gar nichts Neues, es ist die Aufrechterhaltung einer Fassade, die von allen gepflegt wird. Gerade, wenn er nun seinen Bambi seinen Eltern widmet „Hermine und Gustav“ und Lindenberg begeistert „eine immer geilere bunte Republik“ als Deutschlands Zukunft sieht. Dennoch hätte Anna Loos in ihrer Laudatio nicht die Rolle eines sich vor Lachen nicht haltenden, verliebten Backfischs spielen müssen. Richtig enttäuschend war das. Denn die Frau kann was. Glauben also Laudatoren, sich so geben zu müssen? Dann hätte die Burda Jury auch etwas zu tun.
Überhaupt konnte man nicht den Überblick behalten, wer Moderator, wer Laudator, wer Ausgezeichneter war, denn – reisekostensparend – wurde aus dem einen schnell die andere. Wie beispielsweise beim angereisten Star für den Überraschungs-Bambi: Sarah Jessica Parker. War alles sehr überraschend, das muß man schon sagen. Sie versuchte ihren Rollen gemäß zu agieren und das war weniger dämlich als bei den meisten anderen. Allerdings sah sie grauenvoll aus.
Freuen kann man sich mit Hannah Herzsprung, die für ihre Darstellung in „Weissensee“ als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Das war und ist wirklich eine bewegende Rolle, die sie subtil rüberbrachte, wobei auch ihre Mitkonkurrentinnen Christiane Paul und Anna Loos sehr gute Leistungen brachten. Bei den Männern erhielt den Schauspielerpreis Florian David Fitz für „Vincent will Meer“. Es gibt inzwischen auch einen Preis für „Unsere Erde“. Und weil wir die mit dem Bambi ausgezeichnete Primatenforscherin Jane Goodall auch so gut finden, wird ihr hier gratuliert. Als spontane Publikumswahl während der Preisverleihung setzte sich als beliebteste Fernsehserie „Um Himmels Willen“ durch. Ost trifft West, konnte man zu den beiden Schauspielern angemessen sagen.
Den Sonderpreis der Jury erhielten die Bundestrainer Joachim Löw mit Kollegen, auf die dann Mesut Özil die Lobrede hielt – weshalb eigentlich, wo er doch als Mitspieler überhaupt nicht die Funktion eines Laudators einnehmen könnte – , wobei dieser Mesut Özil dann mit einem Intergrations Bambi ausgezeichnet wurde, dessen Laudatorin so alle Gemeinplätze von sich gab, die einem einfallen. Das ist gemeint damit, wie eines ins andere übergeht und weder die Rollen noch die Funktionen noch auseinander zu halten sind und ein allgemeines Einlullen stattfindet.
Anders der posthum verliehene Kultur Bambi an Christoph Schlingensief, der noch nicht fünfzigjährig im August an seinem Krebsleiden starb. Mit dem Bambi für diesen Mann sind wir nicht nur einverstanden, sondern wir wären neugierig gewesen, wie Schlingensief, der große Widerständler, an diesem Abend seine Dankesrede formuliert hätte, beziehungsweise, welche Aktion er daraus gemacht und den Saal aufgemischt hätte. So gedenken wir seiner auf einer Feier, die so ungefähr das Gegenteil von dem ist, was er sein Leben lang vertrat.