Auf die Idee der Zusammenarbeit ist James Patterson gekommen, aber so schnell traute sich keiner, mit ihm gemeinsam zu schreiben, der heute als der meistgelesene Krimiautor gilt – laut Verlagsunterlagen schreibt er Bestseller im Akkord und verkauft mit 165 Millionen Exemplare mehr Bücher als Stephen King, Dan Brown und John Grisham zusammen, was man sich kaum vorstellen kann. Liza Marklund hielt mit und was wir unentwegt beim Lesen uns überlegten, ist, welche Passagen von wem sind. Zuerst aber einmal die Geschichte, die man nicht durcherzählen darf, weil bei Krimis Inhaltsangaben nur so weit gehen dürfen, wie sie die Lösung nicht verraten. Und eine Lösung gibt es, eine durchaus intelligente und wahrscheinliche.
Es fängt wie eine Geschichte aus einem Swingerclub an, wie überhaupt Sex in diesem Roman immer ganz ganz toll, ein bißchen buchstabentoll ist, sofern er stattfindet. Eben auch zwischen Sylvia und Mac, dem Pärchen, das schön und kommunikativ, es vor allem auf frisch Verliebte oder frisch Angetraute abgesehen hat. Sich mit diesen zu vergnügen, wird man erst auf die falsche Fährte gelockt, bis man merkt, daß die niedliche blonde Sylvia eiskalt mit dem Messer umgeht und diejenige ist, die jeweils „Kopf ab“ fabriziert, d.h. Teile bleiben noch dran, aber der Exitus und der Blutschwall treten unmittelbar ein. Danach wird saubergemacht, d.h. Sylvia und der willfährige Mac, der alle Frauen schon vom Anblick her bezaubert, entfernen picobello alle ihre Spuren, insbesondere die Fingerabdrücke.
Das Muster dieser Morde zieht sich inzwischen durch Europas Hauptstädte, aber was die Morde als zusammengehörig ausweist, ist die Tatsache, daß die Mörder ihr Vorhaben jeweils durch Postkarten an zufällig angeschriebene Journalisten ankündigen – im Original heißt der Thriller darum auch „Postcard Killers“ und nach dem Mord von ihren Blutschauplätzen Fotos machen, die an ausgewiesene Journalisten gesendet werden und merkwürdig anmuten, da es keine ’normalen’ Leichenschauplätze sind, sondern arrangierte, deren tiefere inhaltliche Bedeutung lange im Dunkeln bleibt. Da kommt die schwedische Journalistin Dessie Larsson aus Stockholm ins Spiel. Sie hat nämlich vor dem Mord eine Postkarte vom Killer-Pärchen erhalten, auf der der nächste Mord angekündigt wird, der prompt vor den Toren der schwedischen Hauptstadt auf einer Schäreninsel passiert.
Vor ihrer Haustür findet sich ein weiterer Mordgeselle ein, allerdings steht der auf der richtigen Seite und ist trotz seines Aussehens als krimineller Penner ein Polizeiermittler aus New York, der seit einem halben Jahr den Spuren des mörderischen Pärchens durch Europa folgt, ’besessen’ folgt, wie Dessie meint, bis sie weiß, daß dessen Tochter Kimmy in Rom Opfer vom noch namenlosen Paar wurde. Beide tuen sich notgedrungen zusammen, weil die schwedische Polizei und Anklagebehörde bürokratisch und leicht verschnarcht ihren Gang geht. Es kommt noch schlimmer. Als das Pärchen tatsächlich identifiziert und inhaftiert wird, wobei offensichtlich wird, daß sie es auf ihre Entdeckung angelegt haben, geht Staatsanwalt Ridderwall soweit, daß er beide wegen mangelnden Tatverdachts entläßt, was das Pärchen mit einer großangelegten Pressekonferenz im Paradehotel beantwortet.
Zwei Gründe waren ausschlaggebend: Die Videoaufnahme im Hotel zeigte, wie Sylvia und Mac, die bei ihrer Vernehmung als Ehepaar angesprochen, laut lachen und sich als Zwillinge, wenngleich inzestuöse Zwillinge entlarven, wie also das blonde schöne Zwillingspärchen aus dem Hotelzimmer kommt und sich lachend vom darauf ermordeten Paar verabschiedet und kurze Zeit später ein dunkler Typ mit langen Haaren und Hut ins Zimmer geht und wieder herauskommt und nun als der Mörder gelten muß, was Dessie und Jacob sofort als Verkleidung des Mac ausmachen, der damit nur beweisen will, daß Sylvia und Mac noch Lebende verlassen haben. Aber die Verkleidung wird lange nicht gefunden. Außerdem, und das wiegt schwer, ist gleichzeitig in Kopenhagen, dann Oslo ein gleicher Paarmord passiert, der ebenfalls per Postkarte angekündigt wurde, als die beiden schon verhaftet waren und ausgeführt wurde, als sie von aller Welt beäugt im Paradehotel saßen.
Die Muster der Morde sind immer gleich. Es handelt sich um junge, sehr wohlhabende Paare, die zuvor noch, motiviert durch das Mörderpärchen, sich gegenseitig große Geschenke machten, wobei die Mörder die Pin-Nummern erfuhren, und nach angekündigtem gemeinsamen Verlustieren bei Champagner im Hotelzimmer die Messer zückten und nach dem Mord und dem Raub der Juwelen und sonstigen Luxusdinge aus dem Hotelzimmer auch noch deren Konten leerten, vor allem aber die Ermordeten in eine Position auf ein Foto bannten, das erst Dessie als Nachahmung eines Kunstwerkes entdeckt. Und jetzt werden alle Ermordetenfotos als nachgebildete Gemälde rekonstruiert. Die Ermordeten auf der Schäreninsel sind einem Bild aus dem Museum Moderner Kunst in Stockholm nachgestellt, das durch Video gesichert, tatsächlich das Zwillingspaar beim Betrachten zeigt. Gleichwohl, sie sind entlassen, weil keine Beweise gefunden wurden und gleichzeitig das Morden weiterging und auch für die Vergangenheit klar wurde, daß sie für einzelne Paarmorde nicht in Betracht kamen, weil sie sich nachweislich zum Tatzeitpunkt am anderen Ende Europas aufhielten.
Jacob Kanon hält es daraufhin nicht in Schweden, er eruiert in den USA den Hintergrund der Geschwisterlegende, deren sehr wohlhabende Eltern in Jugendtagen umgebracht wurden wie auch die Jugendfreundin Macs verschwand – man ahnt längst, daß die süße Sylvia hinter allem steckt – und wo die Geschwister beim Kunststudium der Universität verwiesen wurden, weil sie in einer, von ihnen als künstlerischer Akt bezeichneten öffentlichen Beischlafaktion an die Grundfesten der Moral stießen. Wir wissen es längst, denn das wird ja von Anfang an nicht geheimgehalten, daß wir es mit besonders verrückten und hochintelligenten Mördern zu tun haben. Also geht es im Krimi darum, wie man es fertigbringt, selbst im Gefängnis zu sitzen und gleichförmige Morde, mit Ritualisierung und Fotos ablaufen zu lassen. Das nun wollen wir nicht verraten, nur, daß es mit Kunstenthusiasten und Rudelbildung zu tun hat und dem Internet dazu. Eine durchaus nachvollziehbare Lösung einer nicht auflösbar scheinenden Konstellation.
Das Buch beider Krimiheroen hat durchaus gute Kritiken erhalten und wird von den Lesern goutiert. Fragt sich also, warum es nicht in der KrimiBestenliste von Arte und Welt erscheint und kaum bei Krimiliteratur“ eine Rolle spielt. Das hat sicher auch mit Vorurteilen gegenüber einer auf den Krimimarkt schielenden Zusammenarbeit zweier Großer im Krimigeschäft zu tun und damit, daß James Patterson fabrikmäßige Thriller zugeschrieben werden, die von der Masse her schon lange nicht mehr aus seiner eigenen Feder stammen können. Beim „Letzten Gruß“ liegt auf der Hand, daß die in Schweden und Stockholm spielenden Szenen von Liza Marklund stammen, was für die Örtlichkeiten gilt, nicht für die Behausung von Dessie und Jacob, deren Sexszenen, die vor allem die Frau glücklich macht, wir eher als von einem Mann geschrieben ansehen.
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James Patterson und Liza Marklund: Letzter Gruß, Thriller (Gebundene Ausgabe, Übersetzer: Anne Bubenzer und Dagmar Lendt, Limes Verlag.