Berlin, Deutschland (Weltexpress). Es könnte eine Quizfrage sein: Wo kann man mitten im indischen Ozean mit dem Euro bezahlen? Auf der französischen Insel La Réunion! Die Vulkaninsel liegt 800 Kilometer östlich von Madagaskar an der Südostküste von Afrika und hat eine Größe von 2500 Quadratkilometern. Das entspricht etwa der Fläche des Saarlandes und ist etwas größer als die Nachbarinsel Mauritius. Die Entfernung von Paris beträgt fast 10.000 Kilometer, das Klima ist tropisch heiß und feucht und auf ihr erhebt sich mit 3070 Metern Höhe der Piton des Neiges, der höchste Berg des indischen Ozeans. Als ein Übersee-Department von Frankreich gehört die Insel zu den Gebieten „in äußerster Randlage der EU“, wie es im offiziellen Sprachgebrauch der EU heißt. Damit gelten die Regeln des Binnenmarktes der Europäischen Union auch hier und machen Réunion zu dem am weitesten von Europa entfernten Ort der EU.
Die übergroße Mehrheit der Reisenden – vor der Pandemie im Jahr 2018 waren es mehr als eine halbe Million – erreicht Réunion mit Flugverbindungen über den Internationalen Flughafen der Hauptstadt Saint-Denis. Ein Teil der Besucher kommt aber auch per Schiff. Auf Réunion liegt der viertgrößte Hafen von Frankreich, Pointe des Galets, der gleichzeitig Passagier-, Fischerei-, Container- und Militärhafen ist. Für das französischen Ponant-Explorer-Schiff „Le Jacques Cartier“ ist La Réunion die letzte Station auf seiner Reise von den Seychellen rund um Madagaskar, bevor die Kreuzfahrt in Mauritius zu Ende geht. Die Passagiere können eine Tagestour per Jeep zum Vulkan Piton de la Fournaise unternehmen.
Fahrt zum Plateau am Fuße des Vulkans
Unser Fahrer und zugleich Guide David, der hier auf der Insel Réunion lebt, hat auf der insgesamt achtstündigen Tour rund um die Insel und zum Vulkan genügend Zeit, seinen Gästen Spannendes über seine Insel zu erzählen. Vor drei Millionen Jahren entstand die Insel, als Vulkane aus dem Ozean aufstiegen. Damit ist sie erdgeschichtlich noch sehr jung. In einem längeren Prozess bildete sich eine Vulkankette. David unterstrich diese Ausbrüche und die Geburt von Vulkaninseln sehr anschaulich, in dem er in seine Erklärungen über den Hot-Spot-Vulkanismus vielfach die Worte „plop, plop“ einfügte.
Ziel unserer Fahrt ist ein Aussichtspunkt am Fuße des 2632 Meter hohen Vulkans Piton de la Fournaise, der zu den aktivsten der Erde gehört und durchschnittlich alle neun Monate ausbricht. Bei unserem Besuch ist er ruhig. Guide David zeigt während der Fahrt mit gekonnter Geschicklichkeit auf seinem mobile Phone ein Video, wie der glühende Lavastrom aus dem Vulkan strömt. Er hat das Video selbst aufgenommen, als er beim letzten Ausbruch im Juli 2023 Vulkanologen zum Krater gefahren hat. Angesichts der besorgten Gesichter seiner Fahrgäste fügt er beruhigend hinzu: Der Vulkan sei – ob aktiv oder passiv – genauso bewacht wie die Schatzkammer des Louvre. Ein Vulkanausbruch dauert normalerweise von einigen Stunden bis zu einem Monat, die Lava- und Feuerfontänen sind zwischen 20 und 40 Meter hoch, und durch die Neigung des Vulkans fließt die Lava in unbewohntes Gebiet Richtung Meer ab. Nur selten wird die am Meer entlangführende Küstenstraße in Mitleidenschaft gezogen und muss nach einem Ausbruch wieder hergestellt werden.
Spezialität von Réunion ist die Bourbon Vanille
Die Fahrt auf der bis zu 70 Kilometer breiten Insel zum Vulkanberg führt über gut ausgebaute teilweise zweispurige Landstraßen, vorbei an wirtschaftlich prosperierender Industrie und ausgedehnten Gewerbegebieten. Auf der Insel, so erfahren wir, begann die industrielle Revolution mit den Anfängen des Zuckerrohranbaus, der die Kaffeeplantagen an der Küste verdrängte und auch noch heute ein Schwergewicht der Agrarindustrie darstellt. Eine Spezialität ist der Anbau der international bekannten Bourbon-Vanille, weltweit gehört sie zu den Delikatessen der gehobenen Küchenkultur. Auch landwirtschaftliche Betriebe mit Viehwirtschaft haben sich angesiedelt und Réunion produziert aus eigenem Milchaufkommen 20 Käsesorten. Insgesamt hat Réunion über Jahrzehnte von EU-Geldern profitiert. Auf fast allen Dächern der Wohnhäuser sieht man Solarpanele. Es sollen bis zu 80 Prozent der Häuser mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet sein, so die offiziellen Zahlen.
Wal-Beobachtung und lange Wanderwege in Vulkanbergen
Doch Guide David ergänzt, dass die Insel auch ein Touristen-Hotspot ist mit ihren langen Küsten und schwarzen Vulkan-Stränden. Von Mai bis November ist das große Wal-Beobachten für die Touristen angesagt. Die Vulkan-Berge und die Schluchten locken viele Aktiv-Urlauber mit über tausend Kilometern an attraktiven Wanderwegen.
Durch die bis zu 3000 Meter hoch reichende Vulkanlandschaft im Zentrum der Insel führt nur eine Straße, die zwischen den beiden Vulkan-Massiven des Piton des Neiges und des Piton de la Fournaise entlangführt. Wir schlängeln uns mit dem Auto durch unzählige Serpentinen hinauf. Nur ein einziges Mal entdecken wir in der Ferne ein paar Windräder. Hier ist die Landschaft nicht verschandelt.
Bei einem Zwischenstopp am Aussichtpunkt Nez de Boeuf eröffnet sich ein grandioser Ausblick in das Tal des Rivière des Remparts. Die Länge der Schlucht beträgt 3,8 Kilometer. Wenn man weiter bis zur Küste wandern möchte, ist man mindestens 9 Stunden unterwegs und überwindet 2000 Höhenmeter – ein Paradies für Wanderer mit viel Kondition. Auf der Insel sind Wanderrouten auf insgesamt 900 Kilometern eingerichtet. Sie führen durch die spektakuläre Vulkanlandschaft, durch die Talkessel, die sogenannten Cirques, auf die Gipfel der Vulkane oder durch tiefe Wälder mit endemischer Vegetation.
Mit jeder Eruption wird die Insel größer
Als wir uns der Vulkan-Region nähern, durchfahren wir Zedern-Wälder und schließlich dominieren immer mehr ausgebreitete erkaltete Lavaflächen. Wir erreichen den Pass des Sables und schauen hinunter auf die weite Sandebene Plaine des Sables, hinter der sich der Vulkan Piton de la Fournaise erhebt. Die Asphaltstraße endet hier, und wir holpern weiter durch eine Mondlandschaft von rötlichen Schlackefeldern zum Aussichtspunkt Pas de Bellecombe mit einem atemberaubenden Panoramablick auf den Piton de la Fournaise. Der Kommentar von Guide David: „Wie auf einem anderen Planeten!“ Mit jeder Eruption und abgelagerter erkalteter Lava werde seine Insel größer, meint er noch augenzwinkernd. Einige unentwegte Bergsteiger beginnen den mehrstündigen Aufstieg zum Vulkankrater. Die Mehrzahl der Besucher zieht es vor, zu ihrem Fahrzeug auf dem Parkplatz zu gehen und wieder herunterzufahren.
Besuch in der Cité du Volcan
Einen idealen Standort hat sich das Vulkan-Museum gewählt. Es befindet sich direkt auf halbem Weg zum Piton de la Fournaise. Schon im Jahr 1992 errichtet, nennt es sich heute „Cité du Volcan“, Vulkanstadt – und das völlig zu Recht. Im Jahr 2014 wurde das Vulkan-Haus mit modernen Technologien ausgerüstet. Der Besucher kann eine Reise in das Innere des Piton de la Fournaise unternehmen, etwas über das Sonnensystem lernen oder Dokumentationen über Vulkanausbrüche früherer Zeiten aus sicherer Entfernung betrachten. Im Jahr 2007 erfolgte die größte Eruption der jüngsten Zeit, bei der der Hauptkrater einstürzte und der Vulkan einen fünf Kilometer breiten Lavafluss ins Meer laufen ließ mit einer Höhe von bis zu 80 Metern.
Im vulkanischen Observatorium des Museums ist auch etwas darüber zu erfahren, wie die Eruptionstätigkeit der Vulkane exakt vorausgesagt werden kann und wie der Piton de la Fournaise rund um die Uhr beobachtet wird. Ein Messgerät zeigt die Erdstöße an, und auch während wir im Museum stehen, finden kleine Erdbeben statt, obwohl diese von uns nicht zu spüren sind. Auch an die kleinsten Besucher ist gedacht mit einem Game Room, in dem Kinder von 3 Monaten bis 6 Jahren, wie es heißt, eine bunte und interaktive Spielarena vorfinden.
Darauf einen Dodo für den langen Nonstop-Flug
Bei aller Exotik von Pflanzen wie Vanille, Jackfrüchte, Guaven oder Victoria-Ananas – die hier vor Ort ganz authentisch schmecken, sollte sich der Besucher von Le Réunion mit einem kreolischen Drink verabschieden. Das könnte ein Cocktail sein mit einem Rum französischen Stils von der Insel wie Charrette oder Isautier. Oder man trinkt ein Bier, das offiziell Bourbon heißt, welches aber die Insulaner Dodo nennen. Es ist nach dem legendären vor langer Zeit auf Mauritius ausgestorbenen Laufvogel benannt. „Dodo“ bedeutet im Französischen so viel wie „ein Nickerchen machen“. Ausreichend gestärkt mit den Inselgetränken hat man dann den Nonstop-Flug innerhalb der EU nach Paris in gut elf Stunden schneller hinter sich gebracht.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Dr. Ronald Keusch wurde unter keusch-reisezeiten.de im Dezember 2023 erstveröffentlicht.
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