Heute darf aufgeatmet werden: Den Status einer fabelhaft gelungenen Publikation verdient „Der Taucher“, von Friedrich Schiller; zweieinhalb Jahrhunderte später vom Bilderbuchkünstler, Dieter Wiesmüller illustriert. Das Buch wurde so konzipiert, dass es bei der Lektüre zum spannenden Erlebnis für Kinder und Erwachsene wird.
Schillers Gedanken befassten sich oft genug mit Menschen zwischen Leben und Tod. Der Dichter dachte in Bildern, seine Sprache war durch und durch szenisch. Der pure Dramatiker erschafft immer noch bei der Lektüre seiner Werke Bilder im Kopf. 250 Jahre nach ihm griff der 1950 geborene Dieter Wiesmüller zum „Taucher“ und erschuf Momente, die an Caspar David Friedrich erinnern. Bilder, die denen entsprechen, die Schiller im Kopf erzeugte. Die 1797 geschriebene Ballade vom grausamen König und seinem Knappen, den er zwei Mal dazu verführt, sich in das brüllende Wassergebirge zu stürzen, beeindruckt in der Sprache des Künstlers zutiefst. Dieses ungeheure Element, das tosende Meer, wird in Wiesmüllers Bildern so gezeigt, wie es wohl nur erfahrene Seeleute kennen. Die künstlerische Umsetzung könnte nicht vollkommener sein: Der winzige Mensch vor der blauen Gewalt, die ihn erschreckt, aber auch hinzieht.
Das geniale an dem von Carlsen Verlag herausgebrachten Buch ist seine Teilung: Zuerst kommt das Schiller’sche Versepos, in voller Länge, danach folgen Dieter Wiesmüllers ganzseitige Bildinterpretationen. Das prächtige Bilderbuch kann ein Erwachsener genießen, aber gerade für ein Kind wird es zum wahren Erlebnis: Denn ihm darf es frei erzählen werden. Nicht nur ein Mär öffnet seine Pforte vor dem kleinen Betrachter, ganz nebenbei wird auch der Faden zur Klassik vermittelt. Zum 250 Geburtstag des Dichters – am 10 November 2009 – lohnt es sich, in die Ballade einzutauchen und in die Wiesmüller’sche Bilderflut zu stürzen. Einen Bestseller-Status verdient der doppelter „Taucher“ schon jetzt.