Freud und Phallus hin oder her: ein Leuchtturm ist ein Leuchtturm. Er übt eine Funktion aus. Er ist nachts ein Schifffahrtszeichen für die Positionsbestimmung und kein Phallussymbol für die Unterdrückung der Frau. Das wird sich auch die 1964 in Bad Kreuznach geborene Gabi Reichert gedacht haben, die nicht neidisch auf den Mann als solches gewesen sein dürfte, auch nicht unterbewusst, als sie mit ihrer digitalen Spiegelreflexkamera (vermutlich mit dem einen oder anderen Wechselobjektiv, die zu Hochzeiten des Feminismus in Westdeutschland auch als Phallussymbole denunziert wurden) draufhielt.
Der professionellen Fotografin Reichert, die es offensichtlich in die Natur, ans Meer, eher in den Norden als den Süden zu ziehen scheint, sind schöne Aufnahmen von Leuchttürmen geglückt. Die Bilder zeugen vom Wollen und Können der Autorin. Die zwölf Leuchttürme im Kalender für 2016 vom Bielefelder Verlag Delius Klasing wirken zwar wie inszeniert, doch Inszenierungen sind diese Kulturdenkmäler in Naturlandschaften wahrlich nicht.
Das Gute am Schönen voller Licht- und Farbgewalt ist, dass es zu jedem Bild von Reichert nicht nur eine Bildlegende gibt, sondern einen QR-Code, über die Leser unter den Betrachtern „ausführliche Informationen und Geschichten zum abgebildeten Leuchtturm bekommen“.
Nicht nur Meer, auch Mythen und Märchen umspülen die Mauern der Leuchttürme. Nicht nur Geschichten über die Leuchtfeuer der Leuchttürme, auch die Geschichte jedes einzelnen dieser maritimen Wahrzeichen wird erzählt, nur nicht als Phallussymbole. Den Kalender Leuchttürme 2016 kann man sich an die Wand hängen. Mit Verlaub: wie einen Penis.
Bibliographische Angaben
Gabi Reichert, Leuchttürme 2016, Format: 56 x 46,2 cm, Spiralbindung, Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 1. Auflage 2015, ISBN: 978-3-667-10068-9, Preise: 22,90 Euro (D), 22,90 Euro (A)