Es begann 1964 mit einem Konzert des Instituts für Forstwissenschaften Eberswalde. Anlässlich der »VIII. Naturschutzwoche und der Woche des Waldes in der DDR« spielte das Staatliche Kulturorchester Eberswalde in der Klosterruine Chorin vor 208 Besuchern. Organisiert hatte das Konzert – im Auftrage des Institutsdirektors Albert Richter – sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Gunther Wolff. Seitdem findet jahraus, jahrein das Musikfest unter wechselnden Namen, aber beständig wachsend, statt, und Jahr für Jahr wird es seitdem geleitet von dem Forstwissenschaftler Professor Dr. Gunther Wolff. Finanziert haben das Ganze der Rat des Kreises Eberswalde, zeitweise unterstützt vom FDGB, der zwei Arbeiterfestspiele in Chorin veranstaltete, und nach der Wende das Land Brandenburg, die Stadt Eberswalde und Sponsoren, deren gewichtigste die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, die Kulturstiftung der Sparkasse Barnim und die Feuersozietät sind. Das Kirchenschiff der Klosterruine wurde Schritt für Schritt konzerttauglich gemacht. Der Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin, Iván Fischer, der im August 2012 zum ersten Mal in Chorin dirigierte, war beeindruckt von der Akustik der Kirche. Für ihn ist der Saal sein Instrument, und diese Halle ist ein gutes Instrument. 850 000 Besucher in 400 Konzerten zählt der Musiksommer seit 1964, bis zu 30 000 waren es im Jahre 1988 und 26 500 im Jahre 2011. Für jedes Konzert sind 2 000 Besucher zugelassen, davon 600 auf der beliebten Rasenfläche im Innenhof.
Die Veranstalter, die Mitglieder des Vereins »Choriner Musiksommer«, sind stolz auf die Geschichte ihres Musikfests, das auch die Wirren der Wende erfolgreich bewältigt hat. »Ein Kind des Ostens« nennt der Vorsitzende Claas Cordes den Choriner Musiksommer, »eigentlich ein Kind der Forstwissenschaft der DDR«. Ehre, wem Ehre gebührt. Tatsächlich hat die Betriebsgewerkschaftsleitung des Instituts in der DDR den Musiksommer getragen und hat die Belegschaft unermüdlich ehrenamtliche Arbeit für die Konzerte geleistet. Auch heute noch ist das Engagement freiwilliger Helfer unverzichtbar. Und ganz bewusst werden im Jubiläumsjahr Klangkörper aus dem »Osten« eingeladen: neben dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt/Oder, dem Konzerthausorchester Berlin und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin als den »Stammorchestern« die camerata lipsiensis, die Staatskapelle Halle, die Deutsche Streicherphilharmonie (mit DDR-Herkunft) und – zum ersten Mal in Chorin – die Staatskapelle Weimar, die Jenaer Philharmonie sowie aus dem polnischen Nachbarland die Stettiner Philharmonie. Besonders interessant: das Debüt des Young Philharmonic Orchestra Jerusalem-Weimar, bestehend aus Musikstudenten aus Israel und Deutschland, geleitet von Michael Sanderling. Das Blechbläserensemble Ludwig Güttler aus Dresden wird auch im Jahr des 70. Geburtstags des »Königs der Trompete« mit Kabinettsstückchen überraschen.
»Das Fünfzigste ist ein Grund zum Jubilieren«, meint der Senior des Musikfests, Gunther Wolff. »Und das schönste Instrument ist die menschliche Stimme.« Deshalb hat er im Jahre 2013 den Schwerpunkt auf Vokalmusik mit Chorsinfonik, a-capella-Chören und Gesangssolisten gelegt. Hervorzuheben sind das Dresdner Barockorchester und der Dresdner Kammerchor mit der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach (Leitung Hans-Christoph Rademann) sowie die Berliner Symphoniker und der Bachchor der Erlöserkirche Bad Homburg mit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven (Leitung Lior Shambadal).
Stolz ist Wolff auf das Engagement der beiden berühmten Knabenchöre »aus dem Osten«, des Dresdner Kreuzchors und – nach 30 Jahren wieder in Chorin – des Thomanerchors Leipzig mit den Kantoren Roderich Kreile und Georg-Christoph Biller. Ein Glanzpunkt wie immer: die Gala der Solisten der von Siegfried Matthus geleiteten Kammeroper Schloß Rheinsberg . Einzigartig wird das Konzert des Young Philharmonic Orchestra sein mit Werken jüdischer Komponisten älterer und jüngerer Generationen: Felix Mendelssohn Bartholdy, Gustav Mahler, Dmitri Schostakowitsch und Berthold Goldschmidt. Dieses Programm versteht Wolff ausdrücklich als einen politischen Schwerpunkt.
Für das opulente Festprogramm haben alle Sponsoren einen Zuschlag zu ihren »normalen« Zuschüssen bewilligt. Geschäftsführer Lars Döbler hat diesmal rund 620 000 Euro zur Verfügung und damit 100 000 Euro mehr als gewöhnlich. Das Land Brandenburg steuert Mittel des Europäischen Sozialfonds bei. Zu 80 Prozent werden die Kosten durch den Kartenverkauf gedeckt.
Der Vorverkauf beginnt am 1. Dezember per schriftlicher und telefonischer Bestellung sowie per Internet. Allen registrierten Kunden wurde ein ansprechendes Programmheft zugeschickt. Erfahrungsgemäß wird bereits im Dezember die Hälfte der Karten verkauft, im Frühjahr ein weiteres Viertel. Der Rest wird »spontan« abgesetzt, wobei die Wetterprognose eine Rolle spielt. Erstmalig können Kunden und Theaterkassen gegen einen Aufschlag von 65 Cent je Karte auf Plätze ihrer Wahl zugreifen. Die Kartenpreise werden in den Kategorien I und II um 2 Euro erhöht (auf 27 bzw. 19 Euro); die Kategorien III und IV bleiben mit 12 bzw. 7 Euro stabil. Erstmalig erhalten Kinder, Schüler, Studenten und Schwerbeschädigte eine Ermässigung von 2 Euro. Kinder bis zu 6 Jahren haben freien Eintritt auf dem Rasen. Etwa 50 Prozent der Besucher kommen aus Berlin und 40 Prozent aus Brandenburg. Um nachwachsendes Publikum bemühen sich die Veranstalter mit ihrem »Jugendmusiksommer«, zu dem Jugendliche aus den umliegenden Kreisen eingeladen werden, die für einen symbolischen Preis von 4 Euro die klassische Musik und das architektonische Denkmal kennenlernen können.
Der Rekord des Jahres wird die 50jährige Leitung durch Gunther Wolff sein. Gefragt, ob er je ans Aufhören dachte, sagt Wolff: »Nein. Ich habe nie an dieser schönen Arbeit gezweifelt. Mein Ziel war, den 50. Musiksommer zu erreichen. Nun werde ich das Amt an einen jungen fähigen Nachfolger abgeben.«