Wer allerdings zu Allerseelen in den Ort im Inn-Tal kommt, kann sich davon überzeugen, dass die Einheimischen ihre Toten nicht vergessen. Dann erinnern auf den Dorffriedhöfen nach alter Tradition Kerzen an verstorbene Verwandte und Freunde. Trotzdem – nicht weniger als 200.000 Besucher zählt man pro Jahr auf dem Museumsfriedhof. Da rücken Trauergemeinden aus ganz Europa an. Ohne Kränze und Blumen – dafür bewaffnet mit Kameras aller Art.
Inzwischen sind es um die 800 Grabsteine und Grabkreuze, die der Schmied und Steinmetz Hans Guggenberger im Laufe der Jahre gesammelt hat. Die Originellsten stehen unter freiem Himmel. Den „Kreuzritter von Tirol“ nennt man im Ort den Hobbyforscher wegen dessen ungewöhnlicher Leidenschaft für die „Spuren der Toten“. Die meisten der Tafeln stammen aus dem 19. Jahrhundert. Die ältesten sind fast 500 Jahre alt. Sie erfüllten ihren Zweck, als das Sterben gewissermaßen zum Leben gehörte. Als hohe Kindersterblichkeit, Ohnmacht gegen viele Krankheiten und unzählige andere Widrigkeiten eine weitaus geringere Lebenserwartung als heute mit sich brachten. Gevatter Tod war anno Dazumal allgegenwärtig. Fast aus dem gesamten Alpen-Raum kommen diese Grabkreuze mit den kurzen, verblüffend-ehrlichen „Lebensläufen“. Aus dem heutigen Bundesland Tirol, anderen Landstrichen Österreichs und dem italienischen Südtirol. Darunter auch sogenannte Marterl – Gedenktafeln, die zur Warnung und Erinnerung an Unglücksstellen aufgestellt wurden.
Was sie allesamt so ungewöhnlich macht, ist der hintergründige Humor der Inschriften. Wie also:
„Hier ruht Martin Krug,
der Kinder, Weib und Orgel schlug.“
Von einem anderem Kirchenmusiker weiß man zu berichten:
„Hier liegt begraben unserer Organist.
Warum? Weil er gestorben ist.
Er lobte Gott zu allen Stunden.
Der Stein ist oben
Und er liegt unten.“
Ein Schelm dagegen ist, wer beim Lesen dieser Zeilen Arges denkt:
„Es liegt begraben die ehrsame Jungfrau
Nothburg Nindl
Gestorben ist sie im
siebzehnten Jahr,
just als sie zu gebrauchen war.“
Einer möglicherweise ebenfalls noch jungen Dame wurde folgender Spruch gewidmet:
„Hier liegt die Jungfer Rosalind
geboren als ungewünschtes Kind
Ihr unbekannter Vater
War Kapuziner-Pater.“
Ist es eine Warnung oder lediglich ein Erlösungs-Seufzers eines Wiwers, wenn zu lesen ist:
„Hier liegt mein Weib,
Gott seis gedankt,
oft hat sie mit mir gezankt;
Eh lieber Wanderer
Geh gleich fort von hier,
sonst steht sie auf und zankt mit dir.“
Ebenfalls als Finger-Zeig ist wohl auch dieser Spruch zu verstehen.
„Hier ruht Franz Josef Matt,
der sich zu Tod gesoffen hat.
Herr, gib ihm die ewige Ruh
Und ein Gläsle Schnaps dazu.“
Der „fröhliche Friedhof“ in Kramsach ist jeden Tag geöffnet. Im Sommer von 9.00 bis 18.00 und im Winter von 10.00 Uhr bis zur Einbruch der Dunkelheit. Eintritt frei.
Wer noch eine Inschrift für einen Grabstein sucht, der könnte sich vielleicht für diesen Spruch erwärmen:
„Hier ruht in Gott
Adam Lentsch
26 Jahr lebte er als Mensch
u. 37 Jahr als Ehemann“.
Dagegen eher eine liebevoll-erotische Erinnerung:
„Oh liebe Rosina!
So manche Nacht,
haben wir mitsamen zugebracht
bis der liebe Heiland kam
und dich wieder zu sich nahm.“