Volker Reinhardt untersucht in seiner vorzüglichen de Sade Biografie die Frage, ob der Marquis de Sade (1740 – 1814) ein Sadist, Verbrecher und Geisteskranker oder ein Aufklärer, ein Vorkämpfer gegen Triebunterdrückung und scheinheilige Moral war.
Es ist die erste fundierte Biografie des Namensgebers des Sadismus seit langem. Reinhardt schaufelt aus Mythen, gefälschten Geschichten und angeblichen Großtaten ein ausführliches Bild des adligen Franzosen. Dieser war zuerst ein Kind seiner Zeit und seines Standes. Gleichheit und Brüderlichkeit waren ihm ein Graus, der Mensch die schlimmste Bestie auf Werden. Die Kirche war der Hauptfeind, ihrer verlogenen Moral, die sich die adlige Gesellschaft wie ein feines Mäntelchen übergestreift hatte, galt sein publizistischer Kampf. Ihr hielt er den Spiegel vor, in aller nötigen Härte und Brutalität. Da er seine sexuellen Fantasien auslebte, landete er zwangsläufig im Gefängnis und beendetet seine Tage im Irrenhaus. Doch Reinhardt interessiert sich zuerst für den Freigeist und Philosophen de Sade. De Sade räsoniert in seinen philosophischen Romanen über das ewig dem Bösen verpflichtete Tun des Menschen, wo alle Tugend keine Chance hat. Im feinsinnigen letzten Kapitel zeigt Reinhardt die gegenwärtige Rezeption de Sades und erklärt uns, warum der schöne Marquis zu einer Schlüsselgestalt der Moderne geworden ist. Großartiges Buch, besonders für die trüben Januartage sehr zu empfehlen.
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Volker Reinhardt, De Sade oder Die Vermessung des Bösen – Eine Biographie, C.H. Beck Verlag, München 2014, 464 Seiten, mit 60 Abbildungen, eine Karte und eine Stammtafel, ISBN: 978-3-406-66515-8, Preis: 26,95 Euro (D)