Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland (Weltexpress). Bernd Paschel sprach mit Regina Rheinwald über ihr Buch „Ein Buch, das nie erschien – Vom System Gewalt gegen das Pferd“.
Regina Rheinwald reitet seit mehr als 40 Jahren, mit 16 Jahren war sie zum ersten Mal als Reitlehrerassistentin tätig, 1992 eröffnete sie eine eigene Reitschule und nahm selbst erfolgreich an Reitturnieren der FN teil.
1998 Prüfung in Allgemeiner Ethologie mit Schwerpunkt Pferd in Zürich an der Akademie für Tiernaturheilkunde, 2000 das erste Buch „Pferdisch kannst auch du lernen“ mit Vorstellung in der Fernsehsendung DAS. Es folgten weitere Bücher und redaktionelle Arbeit für Pferdezeitschriften.
2015: Gründung Rheinwald-Verlag
Paschel: Frau Rheinwald, zu Ihrem neuen Buch kann ich Ihnen aufrichtig gratulieren.
Es war ja anscheinend keine einfache Geburt. Wie gefällt es Ihnen selbst?
Rheinwald: Vielen Dank! Ich bin zufrieden, obwohl ich immer wieder etwas finde, das man hätte anders schreiben können oder von dem ich annehme, dass ich es noch hätte mit hinzunehmen müssen… Ach ja 😉
Aber ich bin vor allem froh, dass die Arbeit am Buch vorbei ist, denn sie war sehr belastend für mich. Das merke ich erst jetzt so richtig, wo das Buch rausgekommen ist.
Fast, als wäre ich aus einer dunklen Höhle wieder ans Licht gekommen. Komischer Vergleich?
Paschel: Sie kennen sicher das Höhlengleichnis von Plato. In der Höhle kommt man demnach der Wahrheit sehr nahe!
Reiter und FN-Vertreter scheinen mir oft auch gefesselt zu sein wie der Mensch im Höhlengleichnis, jedoch in einer Parallelwelt einer Reitsozialisation mit Dogmen und Mythen, die sachliche Auseinandersetzung verhindert. Schnell wird man als realitätsfern oder sogar „Spinner“ abgetan. – Nur keine sachliche Diskussion!
Ist Ihnen diese Taktik schon begegnet?
Rheinwald: Ich würde Reiter und FN-Vertreter nicht über einen Kamm scheren wollen und ihr Tun auch nicht verallgemeinern.
Allerdings ist mir bei meinen Recherchen ein Verhalten begegnet, sowohl von Reiterseite als auch von Richterseite, das dem von Ihnen beschriebenen schon sehr nahe kommt.
Die betroffenen ReiterInnen wissen offensichtlich sehr gut, dass das, was sie tun, nicht in Ordnung ist. Anders lassen sich ihre Aggressivität und die Bedrohungen gegen mich nicht erklären.
Sehr unangenehm waren einige Zusammentreffen mit Richtern. Wie man in einem sehr spannenden, vielleicht auch etwas amüsanten Gedächtnisprotokoll in meinem Buch nachlesen kann, heißt die Taktik dann Diskreditieren, Abwerten und Beschimpfen des Gesprächspartners.
Die Richter, die die Lage genauso kritisch sehen wie inzwischen viele Menschen, die haben sich nicht getraut, sich namentlich zu Wort zu melden.
Über dem ganzen Reitsport hängt eine dicke Decke des Schweigens und der Angst, aber wenn sich einer der Verantwortlichen oder ein Kenner der internen Materie sich erst einmal traut, die Wahrheit zu sagen, dann gibt es eine Explosion. Das glaube ich.
Paschel: Das glaube ich nicht, denn die Taktik der FN-Oberen ist, Nestbeschmutzer zu ignorieren, wie man lehrbuchmäßig bei Dr. Heuschmann und Prof. Meyer sieht, obwohl sie in ihrer Kritik aus meiner Sicht gemäßigt sind. Selbst die wenigen Forschungsergebnisse, die man als wissenschaftlich bezeichnen kann, wie z. B. die Untersuchungen über Jahrzehnte zum Gebiss von Prof. Cook werden geflissentlich übersehen und z. T. wie schon gesagt, unsachlich abgewertet. Ein Kenner der internen Szene, hat diese Zustände in der FN mir gegenüber vertraulich als mafiös bezeichnet.
Rheinwald: Tja, kann ich mir vorstellen. Nur ich habe keinerlei Funktion in der FN. Da kann man mich auch nicht kaltstellen. Vielleicht ist das ein entscheidender Vorteil. Und die Kritiker werden immer mehr!
Paschel: Sie wurden auf Turnieren bedroht: „Die reit ich über den Haufen!“ oder „Ich schlag dir gleich die Kamera in die Fresse!“ Das auf dem Hintergrund, dass Sie nur auf die von der FN vorgeschriebene korrekte Zäumung hinwiesen!
Rheinwald: Ja, das ist mehrfach passiert, auch wenn ich auf unangemessenen Sporen- oder Zügeleinsatz hingewiesen habe. Zuletzt wurde mir geraten, ich solle mich lieber um Flüchtlinge kümmern, dann hätten alle etwas davon…
Paschel: Den Sporen als Folterinstrument widmen Sie 20 Seiten mit sehr anschaulichen Fotos.
Gustav Steinbrecht als anerkannter „Alter Meister“ der Dressur schreibt schon 1884: „Der Reiter muss den Spornstoß kräftig und entschlossen setzen….. Er verursacht dem Pferde augenblicklich heftigen Schmerz und erregt außerdem durch die Verletzung der Haut Entzündung und Anschwellung der getroffenen Teile, wodurch deren Empfindlichkeit auf längere Zeit sehr gesteigert wird.“
Er hat sicher auch Gutes gesagt, aber davon muss man sich doch distanzieren oder?
Rheinwald: Das kannte ich noch nicht und ich finde es widerwärtig!
Paschel: Beim Gebiss zeigen Sie sehr anschaulich, wie mit der Angst Werbung gemacht wird und mit immer schärferen Gebissen eine bessere Kontrolle über das Pferd versprochen wird, die trügerisch ist und in einer Spirale der Gewalt am Pferd endet in der Rollkur.
Ich selbst fühle mich mittlerweile nach jahrelanger Erfahrung mit Gebiss beim Pferd unsicher, da mir klar ist, dass ein Pferd kein Vertrauen zu einem Menschen entwickeln kann, der ihm unnatürlich Schmerz beifügt.
Warum werden nach Ihrer Meinung die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse von Prof. Cook dermaßen ignoriert?
Rheinwald: Cook und andere werden meiner Meinung nach deshalb ignoriert, weil sich etwas grundsätzlich ändern müsste im Reitsport, wenn man sie ernst nehmen würde. Dieses Ignorieren hat auch System.
Paschel: „Ich schalte meinen Anwalt ein“ ist die Erwachsenenform von „das sag ich meiner Mama“.
Genau das ist mir auch passiert, als ich eine ältere Reiterin im Training fotografierte.
Das Bild, das ich schoss, war nahezu identisch mit Ihrem Bild auf Seite 66, mit der Ergänzung, dass das Pferd zusätzlich mit Stosszügeln ausgebunden war.
Mittlerweile wird mir schlecht beim Anblick solcher Bilder.
Wie halten Sie das aus?
Rheinwald: Ganz schlecht. Ich glaube, bei den Recherchen bin ich knapp am Magengeschwür vorbeigeschrammt.
Paschel: Aufschlussreich finde ich auch Ihre Dokumentation von Diskussionsbeiträgen in Internetforen, weil dort oft anonym Jugendliche und Reiter der „Ländlichen Turniere“ berichten.
Rheinwald: Beiträge in Foren spiegeln sehr gut wieder, was von den „Großen“ im Sport vorgelebt wird. Sehr traurig, was man da alles lesen kann.
Paschel: Die Dokumentation von exemplarischen Gesprächen mit Richtern der FN auf Turnieren ist entlarvend, wie auch Ihre Briefwechsel mit den Verbänden.
Dazu bedarf es keines Kommentar’s oder?
Rheinwald: Ich glaube nicht… Lach!
Paschel: Liebe Frau Rheinwald, als ich Ihr Buch gelesen hatte, ging es mir sehr schlecht, denn ich gehe kaum noch auf Turniere der FN und schalte mittlerweile den Fernseher aus bei Turnierübertragungen.
Sie sagen, dass Sie bei Richtern erfahren:
„Abwehren, Abstreiten, verächtlich machen….“
könnte ich für Reiter ergänzen, die diese sadistische Gewalt ausüben:
„Leugnen, Verdrängen, Verlust von emphatischen Gefühlen….“
Rheinwald: Den Verlust von Empathie kann man wohl bei einer bestimmten Reiterklientel ganz klar feststellen. Dazu muss man verdrängen, dass das, was man tut, dem Pferd Unbehagen oder Schmerz verursacht. Und wenn man soweit ist, dann leugnet man alles, was da an Kritik kommt.
Paschel: Das ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für Ihren Mut! Ich hoffe, das Gespräch motiviert alle Reiter, denen das Wohlergehen des Pferdes oberstes Gebot ist, zum Kauf Ihres Buches. Ihre Bilder sind keine Momentaufnahmen, das Argument entkräften Sie überzeugend mit über 80 Fotos in Ihrem Buch, das unter den Weihnachtsbaum aller Reiterinnen gehört.
Rheinwald: Vielen Dank, dass Sie sich dem Thema widmen und mich und mein Buch vorstellen.
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Ergänzende Literatur: www.rheinwald-verlag.de, https://www.youtube.com/watch?v=Co-1LDUbSCE