Erst auf Seite 361 taucht Brad Pitt auf und das, was man erfährt, sind die angeblichen Gefühle seiner damaligen Frau Jennifer Ariston und das ist ein gutes Beispiel für die Konstruktion, die sich der Worte- und Zitate-Buchhalter Andrew Morton zu nutze macht, um so viele Seiten zu füllen: Er nimmt die Nebenpersonen, bis zu den Freunden der Großeltern der Angelina Jolie, um irgendwelche Zitate aneinanderzufügen, daraus psychologische Erkenntnisse zu gewinnen, die er dann von irgendwelchen Psychoanalytikern deuten lässt, die in Person der Franziska De George besonders perfide aus Handlungen der Person Jolie auf ihre angeblichen seelischen Defizite stößt. Ein Vorgehen, für das sich kein ernsthafter Psychotherapeut hergibt, das aber hier zum Unterton des ganzen Buches wird.
Das betrifft auch die Personen aus dem Leben der Angelina Jolie, die sich – wie er im Nachwort referiert – für Interviews zur Verfügung stellten, die er ausführlich zitiert. Beim Lesen bewältigt man eine ungeheure Zitatensammlung, ohne dies überprüfen zu können, und man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die zitierten Personen der Protagonistin nicht nahestehen oder ihr sogar feindlich gesinnt sind. Der nächste Befragte ist wohl der Exliebhaber der Mutter, mit dem diese elf Jahre zusammenlebte, also auch das Kind Angelina erlebte. Mehr als dürftig, wenn man mit so wenig Fundament an eine Person der Zeit- und Filmgeschichte herangeht. Zudem gewinnt man beim Lesen den Eindruck, daß diese Personen deshalb so beflissen etwas erzählen, weil sie so in ein Buch über eine berühmte Frau kommen und über sich selbst lesen können. Wie es so ist, sagt dieses Buch wenig über Angelina Jolie aus, schon gar nichts Neues, was nicht von ihr selbst oder in Interviews bekanntgegeben wurde, was also der Schweinetrog ist, aus dem sich der Autor bedient. Damit wird man nicht fett. Und vom Buch nicht wissender. Das Buch sagt mehr über den Autor, gewisse frauenfeindliche, vor allem aber kleinbürgerliche Klischeevorstellungen.
Das Hauptproblem des Buches ist dabei nicht einmal, dass er keine Ahnung von der lebendigen Person Jolie hat, also auch diese nicht vermittelt, sondern, dass er wohl in der Recherche eine so ungeheure Anzahl von Hinweisen, Erzählsträngen, Einzeldetails angehäuft hatte, die zusammenzubinden und in irgendeiner Weise zu strukturieren ihm, einfach nicht gelingt. Schlimmer noch, man hat den Eindruck, er versucht es bei diesem chronologisch angelegten, aber hin und her springendes Erguss gar nicht. Will man etwas über den Menschen erfahren, um den es hier geht, ist es sicher sinnvoller, sich ihre Filme anzuschauen oder autorisierte Interviews zu lesen. Sie ist nämlich eine verdammt gute Schauspielerin, diese Angelina Jolie, was Andrew Morton nicht bekannt ist, denn er handelt ihre Filmrollen genauso langweilig-distanziert ab, wie ihre gewesenen Männer.
„Doch schon fünf Wochen nach der Entbindung, während sie noch Mühe hatte, richtig zu stillen – obwohl das Brad Pitt nicht davon abhielt, für seine Freunde bei dem Magazin W Schwarzweißfotos von ihr beim Stillen zu machen -, führte sie Gespräche, um Tome Cruise in dem Spionagethriller Edwin A.Salt zu ersetzen. Nachdem Cruise ausgestiegen war, arbeiteten die Autoren die Hauptfigur eifrig zur Frau um, und Angelina hatte beste Chancen, eine CIA-Beamtin zu spielen, die zu Unrecht beschuldigt wird, eine russische Agentin zu sein.“ (Seite 446) Damit sind wir mitten im Ereignis, das am Mittwochabend in Berlin Premiere hatte, und dem eine Pressekonferenz vorangegangen war, deren Berichterstattung ein sehr positives Bild der Schauspielerin und sechsfachen Mutter, des Sexsymbols und der UN-Botschafterin ergab. Das ist einfach ein anderer Ton, der einem entgegenschlägt, als die auf neutral getrimmte, oft gemeine Faktenhuberei, die eben mit der Ansammlung von Fakten verschleiert, daß eine gemeine Meinung transportiert wird. Wen man das Objekt seines Schreibens nicht mag, soll man es lassen. Niemand, außer seinem Gewinnstreben, zwingt Andrew Morton dazu, solche sinnlose Arbeit zu tun.
Wäre er nämlich am Menschen Jolie, oder auch am Leser interessiert, dann hätte er, statt die Schauspielerin Jolie gegen die gerade mit Zwillingen niedergekommene Mutter gegeneinander auszuspielen, anders auf diese für jede Frau schwierige Situation reagiert, direkt nach einer Geburt eine Actionheldin zu spielen. So nämlich, wie die Schauspielerin offen in einem Interview über die brutal harten Nahkampfszenen von „Salt“ sprach: „Ich hatte gerade Vivienne und Knox zur Welt gebracht und fühlte mich sehr, sehr mädchenhaft, weich und verletzlich. In dieser Stimmung sollte ich mich also mental auf diese harte Rolle vorbereiten. Das war nicht einfach.“ Der Film selbst zeigt, wie außerordentlich gut das mentale und praktische Training mit Partner Brad Pitt gelang.
Bleibt etwas. In der Tiefe, so das Buch überhaupt eine hat, geht die Geschichte gar nicht um Angelina Jolie und ihr Leben, sondern um das merkwürdige, verfehlte und in die Kinder projizierte Leben der geschiedenen und gescheiterten Eltern zwischen Hollywood und New York. Was dort an Schilderungen über Karrierehoffnungen – Der Vater wurde ein bekannter Schauspieler, der dennoch nie das erreichte, was alle erwarteten, sie blieb ein sitzengebliebenes Modell -, Eitelkeiten, Elternversagen und Erziehung zum Hass mit Zitaten zum Besten gegeben wird, zeigt, auch wenn nur die Hälfte von diesem stimmt, ein so erschütterndes Familienbild, das man sich ehrlich gesagt wundert, wie aus einem verkorksten Kind eine so disziplinierte Schauspielerin und fürsorgliche, an der Welt teilnehmende Person geworden ist.
Von daher haben die desinteressierten, ja abfälligen Sätze des Autors über die von ihm beschriebene Person bei uns Lesern das Gegenteil hervorgerufen. Wir wollen von ihm nichts lesen, haben aber sofort den Film „Salt“ gesehen und werden uns auch die anderen von Angelina Jolie gedrehten Filme – so noch nicht gesehen – im Nachhinein anschauen. Im Film steckt manchmal mehr Wahrheit als in Büchern. Zumindest diesmal.