Vor knapp 8000 Zuschauern in der O2 Arena gewinnt der Deutsche Vizemeister gegen den Meisterschaftszweiten aus Polen 79:68. Für Alba der dritte Erfolg im dritten Euromatch, der zweitstärksten Wettbewerbskategorie auf dem Kontinent. Und wohl gleichbedeutend mit dem Weiterkommen aus einer Vierergruppe des 32-er Gesamtfelds in die Runde der besten 16.
Der erwähnte Deutsche aus der Starting-Five-Formation muss sich dennoch Vorwürfe seines Trainers anhören. "Was er gesagt hat? Na ja, besser, dass ihr das nicht verstanden habt", meint der Gescholtene lächelnd. Konrad Wysocki hat die lautstark vorgetragene Kritik verstanden. Denn er versteht und spricht Polnisch. Mit vier ist er mit den Eltern aus dem Nachbarland nach Deutschland
gezogen. Bereits die dritte Saison, die zweite als Kapitän, geht der 29-Jährige für das Team aus dem polnischen Teil von Görlitz auf Korbjagd.
Als erster und derzeit einziger Deutscher in der polnischen Liga mit momentan 13 (BBL in Deutschland 18) Mannschaften. Warum Polen? -"Weil der Verein europäisch spielt, professionell aufgestellt und mit überwiegend jungen Spielern erfolgsorientiert ist." Nach Stationen mit College-Basketball und Architektur-Studium in Princeton/USA sowie in Ulm und Frankfurt/M. reizte ihn auch die Herausforderung, sich in seinem Geburtsland zu beweisen. Allerdings, "die ersten Wochen und Monaten haben die Polen gelächelt, wenn ich
mich Polnisch verständigt habe. Wegen meines harten deutschen Akzents."
Der 2,00 m große Flügelspieler wiederum musste sich daran gewöhnen, dass er nun nicht mehr wie in Deutschland "Wysokki", sondern "Wysotzki" genannt wurde.
Ungewöhnlich, dass der Auslandsprofi seinem Job mit bis zu zehn Stunden Busfahrten im Ausland nachgeht, aber nach wie vor in Deutschland wohnt. Im drei Kilometer von der Turow-Halle entfernten Görlitz. "Ich habe dort in einem renovierten Altbau eine traumhafte Wohnung gefunden: vier Meter hohe Decken, mit Stuck verziert, wunderbare Holztüren…und bei 140 Quadratmetern einen günstigen Mietpreis, den ich lieber verschweigen möchte." Vergleichbares sei im polnischen Teil von Görlitz, das als europäische Modellstadt für Altbausanierung ausgezeichnet wurde, "einfach nicht vorhanden". Wenn er nach Hause käme und die Beine hochlege, komme sogleich "ein Wohlgefühl wegen der schönen Umgebung auf". Weshalb auch seine Freundin gern aus Ulm in den östlichen Zipfel Deutschlands anreist.
Sportlich hat sich Turow in der Vorsaison im Final-Play-off dem achtfachen Champion Prokom Gdynia nur knapp 3:4 beugen müssen. Prokom ist derzeit in der europäischen Meisterklasse sowie in der osteuropäischen "VTB United League" aktiv. Und bis Februar mit einer Sonderregelung, die europaweit einmalig sein dürfte, von der Punktrunde befreit.
Erst dann stellt sich Gdynia in der Zwischenrunde vor den Play-offs mit den fünf besten Klub der Vorrunde: "Klar, ich möchte mit Turow endlich mal Meister werden." Wie es momentan aussieht, dürfte Wysocki den nach der Saison auslaufenden Vertrag verlängern. Es sei denn, es käme ein attraktives Angebot aus der BBL. Sein aktueller Eindruck vom Fernseher: "Die deutsche Liga hat momentan hohes Niveau, großes Zuschauerinteresse und erstklassige Sporthallen. Was die Spitzenmannschaften zeigen, ist großartig. In Polen ist das Leistungsgefälle deutlich größer."
Nach 51 Länderspielen für Schwarz-Rot-Gold und der Olympiateilnahme in Peking hatte ihn der Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann (jetzt Bayern München) nicht mehr berücksichtigt. Wysocki hofft, vom noch nicht berufenen neuen Auswahlcoach eingeladen wieder zu werden: "Es ist für mich eine Ehre, für Deutschland zu spielen." Entsprechende polnische Avancen hat er abgelehnt. Auch weil er mittlerweile in Turows Interesse – zwei polnische Spieler müssen in der Liga auf dem Parkett sein – die Doppel-Staatsbürgerschaft besitzt.
Was die nationale Komponente in den Aufgeboten angeht, nehmen sich Polens
Tabellenprimus und der deutsche Tabellenzweite nicht viel: Fünf Einheimische plus Wysocki sowie sechs mit deutschem Pass sind im Protokoll aufgelistet. Doch in den Startbesetzungen des globalen Basketball-Entertainments dominieren die Erfinder des Basketballs, made in USA.