Oberbürgermeister Burkhard Jung begrüßte als Hausherr nicht nur die Festversammlung im Alten Rathaus im Renaissancestil, wo heute das Stadtgeschichtliche Museum haust, das seine Räume für diese Ausstellung räumte, sondern hielt auch gleich die inhaltlich packendste Rede. Er bedankte sich für die Unterstützung des Landes Sachsen bei der Vertreterin der Landesregierung, Eva-Maria Stange, für ideelle und finanzielle Hilfe und verwies auf das Gemeinschaftswerk von Land, Stadt und Uni mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. „Daß sich die Bundesrepublik Deutschland – am heutigen Mittag wurde die Sonderbriefmarke und die Gedenkmünze zum Universitätsjubiläum der Öffentlichkeit übergeben – und der Freistaat Sachsen am selben Tag hier in Leipzig zu diesem Ereignis zusammenfinden, belegt die weit über unsere Stadtgrenzen hinausreichende Bedeutung der Universität Leipzig.“
Jung füllte insbesondere die notwendige gesellschaftliche Rolle der Universität im 21. Jahrhundert inhaltlich aus, die sich in Leipzig und Sachsen als regional verwurzelt zeigen müsse und im Umkehrschluß dann auch zur Identifizierung der Bevölkerung mit „ihrer“ Universität beitrage. Er ging auf die in Leipzig stärker als in anderen Städten enge Verbindung von Stadt und Universität ein, die Symbiose zu nennen, er sich nicht scheut und die für beide Seiten immer ein Gewinn waren. Anders als in den typischen Studentenstädten wie Heidelberg, der ältesten Universität auf deutschem Boden, oder Freiburg, sei allerdings Leipzig nie ausschließlich Universitätsstadt gewesen, aber die Beinamen der Stadt als „Messestadt“, „Musikstadt“ oder „Buchstadt“ seien aus dem Zusammenspiel von Stadt und Universität erwachsen. „Und wenn diese Ausstellung eines zeigt, dann, aus welch starker lokaler Verwurzelung und gleichzeitiger kosmopolischer Ausrichtung dieser Leipziger Geist entstand. Es war diese besondere Melange aus Gelehrten und Kaufleuten, aus Aufklärern und Händlern, aus Akademikern und Kommunalpolitkern, also in einem Wort: die Trias von Geist, Geld und Macht, die das moderne Leipzig seit dem 17. Jahrhundert entscheidend geprägt hatte.“
Der Oberbürgermeister ging dann dem Ausstellungstitel an die Wurzeln und legte mit „Erleuchtung der Welt“ den doppelten Charakter der Lichtwerdung und des gesellschaftlichen Fortschritts dar. Denn zu oft wird dies auf die technischen Erfindungen und Entdeckungen unserer Welt allein bezogen. „Was uns die Ausstellung auch zeigt, ist ein zweiter und ebenso wichtiger Teil. Er trägt den Namen: ’Die Welt anders denken.’“ Denn es war und bleibt eine Aufgabe von Wissenschaft, unsere Wahrnehmungen, Vorstellung und Urteile auf den Prüfstand des kritischen Geistes zu legen, denn „Erleuchtung der Welt“ führt immer als Pendant die „“Entzauberung der Welt“ mit sich. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben und wo es leuchtet, „verschwinden die Schatten des Unwissens und der Halbbildung. Diesem dialektischen Erbe der Aufklärung werden wir wohl kaum entkommen können.“ Und auch nicht wollen, fügen manche Zuhörer im Geiste hinzu, die sich auch später noch mit den Ausführungen auseinandersetzen.
Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange entschuldigte den Ministerpräsidenten aus traurigem Anlaß. Der Todesfall im Dresdner Landgericht, wo ein Angeklagter seine Anklägerin, eine ägyptenstämmige Frau tödlich mit dem Messer angegriffen hatte, hatte in Ägypten und anderswo zu schweren Vorwürfen an deutsche Politiker geführt, weswegen der Ministerpräsident sozusagen außenministerisch derzeit deutlich mache, daß Rechtextremismus in Sachsen keine Fuß fasse und sie deshalb an die letzten Worte des Vorredners anknüpfe: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Als Vorsitzende des Kuratoriums der Ausstellung war Eva.Maria Stange auch bisher mit der Ausstellung befaßt und weiß längst, die Universität Leipzig war ein Motor in Sachsen und Deutschland. Die Leipziger Uni hat Wissenschaftsgeschichte geschrieben, das wisse man sofort, frage man: Was ist von hier ausgegangen, welche Größen haben hier gewirkt, nicht nur an der Universität, sondern -wie es der Oberbürgermeister dargestellt hatte – als Symbiose von Geist, Geld und Macht.
Der Ausstellungstitel habe ihr noch weitere Assoziationen nahegelegt. Derzeit arbeite das Leipziger Fraunhofer Institut an neuen Lichtquellen, nämlich einer leuchtenden Tapete, die Licht spendet. “An diesem Punkt sind wir heute. Und damals fing man mit der Elektrizität überhaupt gerade an, auch das ist ein sächsischer Beitrag zu Erleuchtung der Welt.“ Sie reflektierte, wie unser Leben ohne Aufklärung aussehe. „Was wären wir heute ohne die Aufklärung. Wie würde der Bürger heute leben und was würden Leibniz und seinesgleichen zur heutigen Welt sagen“, nämlich auch, wie die Nachgeborenen mit ihren Erfindungen und Erkentnissen umgehen und sie weitertreiben. Ein wichtiger Punkt von Oberbürgermeister Jung angesprochen und in der Ausstellung kenntlich, seien der Bürger und die Emanzipationsbewegung von Wissenschaft und Menschen gleichermaßen. Beide sind heute durch das Grundgesetzt geschützt. Das ist aber nicht einmal geschaffen worden, sondern muß jeweils gelebt und praktiziert werden: als mündiger Staatsbürger. In einem solchen Mitmachsinn seien auch die Experimentierstationen in der Ausstellung zu verstehen.
Der Rektor der Universität, Franz Häuser, entlastete sich mit dem Stoßseufzer: „Es ist soweit“. Das Augenmerk auf die Aufklärung sei wichtig und richtig, weil weder der Beitrag Leipzigs, noch der Beitrag der Universitäten für die Moderne genügend gewürdigt sind. Er verwies auf die jahrelangen Vorbereitungen zu diesem Jubiläum, die im Oktober 2002 als Absichten formuliert waren und schon seit 2003 maßgeblich dem Kustos der Kunstsammlung der Universität Leipzig, Rudolf Hiller von Gaertringen als Projektleiter überantwortet worden waren. Ihm sei wichtig, daß eine Ausstellung herausgekommen sei, mit der sowohl Fachleute wie auch Laien etwas anfangen können und die man nun massenhaft besuchen solle.
Der Vierte im Bunde, der Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, bezog sich beim Schwerpunkt Aufklärung vor allem auf den mitteldeutscher Raum, weswegen man gerne an der Ausstellung zum sechshundertsten Geburtstag mitgewirkt habe und als Geschenk das Akademiemitglied, die Person Detlef Döring als geistigen Urheber der Ausstellung habe mitwirken lassen, der auch für Katalog und Essayband zuständig gewesen sei. In das gleiche Horn blies abschließend der Projektleiter der Jubiläumsausstellung Rudolf Hiller von Gaertringen. Zusammen mit dem wissenschaftlichen Kopf Döring und dem Leiter des Stadtgeschichtlichen Museums, Volker Rodekamp habe man das Konzept der Ausstellung erarbeitet und der Landesregierung vorgelegt. Rudolf Hiller faßte die inhaltlichen Begründungen für die Ausstellung noch einmal zusammen. Warum Aufklärung? Weil es sich um eine richtungsweisende Zeit handelt. Das späte 17. und frühes 19. Jahrhundert habe die Moderne geboren, die Aufbruchsstimmung in den Geistswissen- und den Naturwissenschaften habe die heutigen Disziplinen ermöglicht. Manches gab es zum ersten Mal: wissenschaftlich Zeitschriften, die erste Zeitung, es wurden gelehrte Gesellschaften gegründet, wissenschaftliche Geräte in großem Stil gebaut, Frauen beteiligen sich an dem Wissenschaftsdiskurs. Immer wieder kommt Mitteldeutschland als Stichwort, wo Leipzig Hervorragendes leistet: Grundlegendes im deutschen Strafrecht, auch in dessen Humanisierung.
Hiller von Gaertringen führte im Schnellrundgang die Ausfächerung der sich emanzipierenden Wissenshaften vor: die Geschichte, die Archäologie, die Orientalistik, die Arabistik und immer wieder Leibniz als Erneuerer, nicht nur durch seinen Binärcode als Grundlage des modernen Rechensystems. Der Kustos der Universitätssammlungen faßte dann auch noch einmal die besonderen Exponate der Ausstellung zusammen und verwies auf deren Herkunft einerseits aus den Museen und Archiven der städtischen Museen, aber auch auf die Leihgaben, die aus aller Welt als Glanzpunkte die Ausstellung bereichern und beweisen, daß Leipzig das Zentrum der Aufklärung war. Das Gelingen der Ausstellung sieht er als Triumph der theologischen Tugenden:
Glaube, daß es sich lohnt
Hoffnung, daß alle an einem Strang ziehen, was klappte,
Liebe zu Leipzig und zu seiner Universität.
Das Pauliner Barockensemble hatte mit den Kompositionen des Studenten der Leipziger Universität, Georg Philip Telemann (1681-1767 und an der Uni von 1701-1705), den Festakt eingeleitet und abgerundet.
Leipzig feiert seine 600jährige Universität in großem Stil. Schon vor vielen Jahren war ein bauliches Modernisierungs- und Erweiterungsprogramm – verbunden mit einer räumlichen Neuordnung der Fachbereiche – gestartet, das pünktlich zum Jubiläum mit dem Campus Augustusplatz eingeweiht werden soll, dem größten innerstädtischen Universitätsleben, an dem seit 2004 gebaut wird. Dem Artikel über die Eröffnung der Jubiläumsausstellung folgen Artikel zur Ausstellung selbst.
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Jubiläumsausstellung: „Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften“ vom 9. Juli bis 6. Dezember 2009
Katalog: „Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften. 600 Jahre Universität Leipzig“, hrsg. von Detlef Döring, Rudolf Hiller von Gaertringen, Cecilie Hollberg und Volker Rodekamp unter Mitarbeit von Tobias . Müller im Sandstein Verlag, Dresden 2009
Der Ausstellungskatalog lag pünktlich zur Ausstellungseröffnung am 8.7. vor. Als Erster Band sind schon die Essays erschienen, die der Kunst- und Kulturausstellung das innere Gerüst geben, das der Aufklärung allgemein und das der Aufklärung in Sachsen im Besonderen. Da geht es um die dortigen Träger der Aufklärung, um die Wissenschaftlichen Disziplinen, aber auch Formen der Bildung und der Wissenschaft außerhalb von Universitäten und Schulen. Ein beeindruckender und lehrreicher Band, erschienen im Sandstein Verlag, Dresden 2009.
Das dicke Jubiläumsprogramm besitzt viele Schwerpunkte, von denen die wissenschaftlichen Veranstaltungen allein 80 Seiten ausmachen.
www.uni-leipzig.de/campusrundgang
Universität Leipzig, Geschäftsstelle, Ritterstraße 30-36, Telefon: 0341 – 97 35 0 35, Fax: 0341 – 97 35 0 39
Reiseliteratur:
Tobias Gohlis, DuMont Reistaschenbuch Leipzig, 2006
Marco Polo, Leipzig, 2006
Mit freundlicher Unterstützung der Universität Leipzig und des Seaside Park Hotel Leipzig, ideal gelegen gegenüber dem Hauptbahnhof, das auch exklusiver Hotelpartner im Jubiläumsjahr Universität ist. Wir kennen das gut geführte Haus von früheren Besuchen. Architekturfreunde werden die tradierte Art Deco Gestaltung der Hotelanlage besonders goutieren, aber sicher jeder das Restaurant „Steaktrain“, dessen Name sich auf die opulenten amerikanischen historischen Eisenbahnspeisewagen im Untergeschoß bezieht.
Leipzig Tourismus und Marketing GmbH, Leipzig Information, Richard Wagner Straße 1, 04109 Leipzig, Tel. 0341/7104-265, Email: info@ltm-leipzig.de