Schweigen liegt über der Landschaft. Die beständige Unruhe hat die Unterhaltungen unter den Anwohner verstummen. Ein drückende Anspannung liegt über dem Dorf. Es scheint, als würde auch die Natur angstvoll lauschen, bis die nächste Explosion die Stille durchreißt. Der schwelende Konflikt zwischen Militär und Islamisten ist in einem Massaker eskaliert. Fundamentalistischer Terror und militärische Gewalt brechen um das Kloster aus. Doch die Mönche die Überzeugung von Bruder Christian (Lambert Wilson): „Der gute Hirte verlässt seine Herde nicht, wenn der Wolf kommt.“ Der Abschiedsbrief, den er schreibt, gilt auch dem Leben.
Zwei Arten von Stille beherrschen Xavier Beauvois zurückgenommenes Drama „Von Menschen und Göttern“. In schnörkellosen, prägnanten Bildern zeigt Beauvois ihr Aufeinandertreffen in der Kollision physischer Gewalt und abstrakter Spiritualität. Zuerst ist es einträchtige Ruhe, ein Schweigen der Zufriedenheit und inneren Eintracht. Untereinander scheinen die Mönche mehr auf spiritueller Ebene als verbal zu kommunizieren, wie sie es auch mit Gott zu tun glauben. Die andere Stille ist eine Stille der Angst und der Leere. Leere ob der unbeantworteten Fragen an die Festigkeit des eigenen Glaubens, angesichts der Gewalt und der Angst. Angst ob der Leere. „Mein ganzes Leben lang habe ich mich gefragt, warum Gott so seltsam ist. Warum schweigt er so oft?“, liest einer der Brüder aus einer religiösen Abhandlung vor.
Die essentielle Frage, die Xavier Beauvois zurückgenommenes Drama aufwirft, lässt es unbeantwortet. In der minimalistischen Handlung klafft sie gleich einer offenen Wunde, quälend fühlbar wie für die Protagonisten. Fast dokumentarisch wirkt die Darstellung des asketischen Alltags der Glaubensgemeinschaft und der unvermittelt einbrechenden Gewalt. Doch schon die bloße Kontrastwirkung verleiht ihrer Gegenüberstellung den Charakter einer Parabel. Frömmigkeit wird mit Friedfertigkeit gleichgesetzt. Gewalt, obwohl fundamentalistischer Natur, entspringt der Missachtung der Gebote Gottes, sei es ein muslimischer oder christlicher. Die letzte Mahlzeit der Mönche wird mit dem Abendmahl gleichgesetzt, musikalisch untermalt von „Schwanensee“. Tschaikowskis Ballett kreist um die Erlösung von niederer, animalischer Existenz und endet mit der Vereinigung Liebender im Tod.
Das Ersterben der seligen Stille, verdrängt durch die grausame Stille der Leere und ihre anschließende Wiedererstehung aus dieser spiegeln die Auferstehung Christi. Zu Schmerzensmännern werden selbst die Zweifler unter den Mönchen, die im Angesicht des Todes zu Gott finden. Eine Einstellung assoziiert einen Mönch mit einer Heiligenfigur auf einem Gemälde. Wie jene sterben die Brüder für ihren Glauben. Sie wollten keine Märtyrer sein, sagt Bruder Christian während einer der Diskussionen über den Sinn ihres Ausharrens. Dem frommen Wunsch widersetzt sich „Von Göttern und Menschen“.
Titel: Von Menschen und Göttern – Des hommes e des dieus
Land/ Jahr: Frankreich
Genre: Drama
Kinostart: 16. Dezember 2010
Regie: Xavier Beauvois
Drehbuch: Xavier Beauvois, Etienne Comar
Darsteller: Lambert Wilson, Xavier Maly, Jean-Marie Frin, Michael Lonsdale, Olivier Raboudin, Philippe Laudenbach, Loic Pichon, Jaques Herlin, Sabrina Ouazani, Olivier Perrier, Abdalla Moundy, Farid Larbi
Kamera: Caroline Champetier
Schnitt: Marie-Julie Maille
Laufzeit: 122 Minuten
Verleih: NFP marketing & distribution