Diese Flexibilität infolge veränderter Erkenntnisse demonstrierte demokratische und physikalische Vernunft gleichermaßen. Die Zustimmung zu Angela Merkel bei Umfragen in der Bevölkerung basiert auch auf dieser Flexibilität, die in ihrem Handeln dem Willen der Bevölkerungsmehrheit entspricht.
Steinbrück will als Kanzlerkandidat die Unzufriedenheit der Wähler mit den intransparenten Verschuldungsaktionen der Bundesregierung in der europäischen Verstrickung zu seinen Gunsten ausnutzen, erscheint er doch als fachkompetenter ehemaliger Finanzminister wie geschaffen für klare Sicht und das Weisen richtiger Wege aus dem aktuellen Finanzdilemma, das uns allen so große Sorgen bereitet.
Aber was kann er anders als Angela Merkel, unter deren Kanzlerschaft er ja selbst die heutige Suppe mit eingerührt hat? Steinbrück ist ja zuerst einmal Kanzlerkandidat der SPD! Und das bedeutet „sozial“ und „demokratisch“! Für Wähler in Deutschland! – Und in diesem Ansatzpunkt ist die von merkel vorgelebte Flexibilität gefragt: von Steinbrück wird erwartet, daß er als Kanzlerkandidat der SPD seiner Partei klarmacht, daß die auf große Teile der Bevölkerung massiv existentiell wirkenden SPD-Fehler der Vergangenheit – Hartz IV, Rentenkürzung, Einkommenskürzung, prekäre Beschäftigung usw. – in einer entschlossenen Form als Fehler definiert werden und daß er, Steinbrück, mit einer neuen, sozialen und demokratischen SPD regieren will. Daß er selbstverständlich die Renten nicht auf 43 % reduzieren will, sondern daß in einem neuen Rentenmodell sichergestellt wird, daß der Lebensstandard des Arbeitslebens auch im Alter erhalten bleibt. Möglichkeiten gibt es sicher viele, sie müssen nur gewollt und organisiert werden (so ist vielleicht der Generationenvertrag „out“ und eine der üblichen Lebensversicherung ähnliche Kapitaldeckung – in der Verzinsung staatlich abgesichert – führt nach und nach zur finanziellen Absicherung der Rentenversorgung). Die Hartz IV anzulastenden sozialen Verwerfungen kann Steinbrück als Kanzlerkandidat natürlich nicht akzeptieren, mit dem Ausrangieren jahrzehntelang beschäftigter bereits nach einem Jahr der Arbeitslosigkeit, mit ihrer Gleichschaltung mit niemals oder nur kurzfristig jemals tätigen Arbeitsuchenden, mit dem Leerlauf der Job-Center, die privaten Arbeitsbeschaffern und Leiharbeitsfirmen Plattformen bieten, selbst aber in bankenähnlichen Residenzen abgehoben vom Bedarf ihre Akten verwalten. Steinbrück kann als Kanzlerkandidat auch nur punkten, wenn er tatsächlich Leiharbeit, befristete Arbeit, ein-Euro-Jobs und sonstige prekären Beschäftigungen konkret beseitigt: Autobahnen gibt es schon, Kanäle ebenfalls; lohnt es, nun die Magnetschwebebahn als Güterzugprogramm zu etablieren, von Malmö nach Neapel, von Lissabon nach Istanbul, von London nach Moskau, vielleicht sogar weiter bis nach Shanghai? Das brächte über lange Jahre Millionen von Arbeitsplätzen, unterstützt infrastrukturell die Zielsetzung zur Umweltschonung und fördert internationalen Handel.
Steinbrück muß als Kanzlerkandidat der SPD den Mist der Vergangenheit als SPD-Herkules beseitigen, die vergangenen Fehler bekennen und den Aufbruch zu neuen Ufern definieren und möglich machen.
Er könnte die Wähler mitnehmen, denn seine spontane Art, inklusive Schnoddrigkeit und intellektuellem Habitus sind originär, er hat was, was ihn unverwechselbar macht.
Aber es muß SPD-stimmig sein, was und wie er auftritt und handelt. Mit einer von den unsozialen Makeln befreiten SPD. Das könnte Steinbrück, denn die Fehler hat er schließlich selbst unter der Schröder-Kanzlerschaft und in Fortsetzung in Kooperation mit Angela Merkel mit verursacht und damit zu verantworten.
Ein Auftritt wie bei Jauch am 7.10. im ARD-TV darf sich jedenfalls nicht wiederholen: Altersarmut durch Rente bei 43 % fixieren, Job-Center-Unwesen belassen, Rente bei 67 festhaken, keine konkreten Ideen zur Arbeitsbeschaffung! Clownig-markige Formulierungen sind hohle Blasen.
Wir brauchen einen Steinbrück, der seine Chancen wahrnimmt. – Dann könnte er gewählt werden.