Rund 7000 ZuschauerInnen besuchten die Vorstellungen der Autorentheatertage, was einer Auslastung von 90% entspricht. Dank hervorragender Organisation gab es keinerlei Hektik. Im Rahmenprogramm war Hineinschnuppern durch Veranstaltungen mit freiem Eintritt möglich. Für Erholungspausen bot sich die formschöne hölzerne Sitzlandschaft von Johanna Pfau auf dem Vorplatz an mit in das Holz eingelassenen kleinen Sichtfenstern, hinter denen dekorative Miniaturszenen aus Theater und Zirkus arrangiert sind.
Im Gastspielprogramm stellten 14 Theater aus 13 Städten ihre Produktionen vor. Dabei erwies sich, dass auch in Bern oder Altenburg/Gera hervorragend Theater gespielt wird. In erster Linie aber sind die Autorentheatertage ein Festival für neue Stücke von deutschsprachigen DramatikerInnen der Gegenwart.
Elfriede Jelineks jüngstes Werk „Winterreise“ war in der Inszenierung von Johan Simons als Gastspiel der Münchner Kammerspiele zu erleben. Mit diesem Stück, unter der Regie von Andreas Kriegenburg, wird das DT am 09. September die neue Spielzeit eröffnen. Von Rebekka Kricheldorf und Roland Schimmelpfennig, deren Stücke während der Autorentheatertage zu sehen waren, sind ebenfalls zwei Arbeiten als Uraufführungen im Spielplan 11/12 des DT angekündigt.
„Der Turm“ fiel ein bisschen aus dem Rahmen des Autorentheaterprogramms, denn dabei handelt es sich nicht um ein originäres Stück, sondern um eine Bühnenfassung des gleichnamigen Vorwende-Romans von Uwe Tellkamp. Allerdings erfreuen sich fürs Theater bearbeitete Romane derzeit großer Beliebtheit beim Publikum , und auch das Gastspiel vom Staatsschauspiel Dresden wurde im DT begeistert gefeiert. Das Schauspielensemble unter der Regie von Friedrich Engel leistete Hervorragendes, indem es die eigentlich kaum sprechbaren Texte von Jens Groß und Armin Petras in brillante Dialoge verwandelte.
Auf Prosatexten basiert auch das Einpersonenstück „Publikumsberatung“ von Kathrin Röggla, deren Stück „Die Beteiligten“ in einer Produktion des Wiener Burgtheaters zum diesjährigen Theatertreffen eingeladen war. Die in Salzburg geborene Dramatikerin, die seit 1996 in Berlin-Neukölln lebt, hat, gemeinsam mit dem Regisseur, Schauspieler, Moderator und Autor Leopold von Verschuer, eine Collage aus ihren Vorlesungen, Vorträgen, Radio- und Zeitungsbeiträgen erstellt. Daraus ist ein Vortrag geworden für einen Ersatzredner (Leopold von Verschuer), denn, wie der Sponsor (Franz Tröger) verkünden muss, hat der vorgesehene Redner bedauerlicherweise abgesagt.
Der Ersatzredner weiß nicht so genau, auf welchem Festival er sich befindet, wechselt deshalb ständig die Themen, kommt von Theater auf Musik und Malerei, spricht den Sponsor hilflos fragend als Herr Barenboim an, referiert über Heiner Müller und Michel Foucault, über Politik und Philosophie. Dabei versucht er immer wieder, das Publikum mit einzubeziehen, überlegt es sich dann aber meistens doch wieder anders.
Leopold von Verschuer ist grandios als hoffnungslos scheiternder Vortragender, der sich immer tiefer in seinem Gestammel und seinen vergeblichen Versuchen, seiner Rede doch noch Schwung zu verleihen, verirrt, dem auch die telefonische Beratung von Hans Zischler nicht weiterhelfen kann, und der mit den Texten ein Feuerwerk geistreicher Pointen entfacht.
Den letzten Abend der Autorentheatertage bestritten die vier Entdeckungen von Alleinjurorin Elke Schmitter. Aufgrund ihres brillanten Vortrags bei der Eröffnung herrschte vorab gespannte Erwartung, die dann allerdings heftig enttäuscht wurde.
Vielleicht hat Elke Schmitter diese vier Stücke allzu kreativ gelesen. Vielleicht aber auch war der größte Teil der 140 Einsendungen so abgrundtief schlecht, dass die vier ausgewählten im Vergleich dazu gut erschienen, auch wenn sie es, ohne diesen Vergleich, nicht sind. Auf jeden Fall stellt sich die Frage, ob, angesichts so miserabler Ausbeute, die lange Nacht der Autoren tatsächlich hätte stattfinden müssen.
Sechs Stunden dauerte das Event, nach jedem Stück durch eine halbstündige Umbaupause unterbrochen. Beim letzten Stück gähnten gewaltigen Lücken im Zuschauerraum, und für die verbliebenen ZuschauerInnen gab es dann nicht etwa eine Belohnung fürs tapfere Ausharren, sondern sie bekamen den Tiefpunkt dieser Nacht der Langeweile serviert:
„Krauses Erzählungen“ behandelt das Sterben eines arbeitslosen Alkoholikers namens Krause. Nachdem der fast ein Jahr lang saufend vor seinem Fernseher gesessen hat, wirft er noch zusätzlich Antidepressiva ein. Danach sieht er sein eigenes Leben als Film, begegnet Zwergen, die ihm raten, sich in Italien zu Tode zu saufen, schließlich erscheint ihm Gott, und dann liegt Krause reglos am Boden.
Am Ende dieses Stücks waren lautstarke Buhrufe zu hören. Autor Daniel Gurnhofer war unter den vorgestellten vier AutorInnen der einzige, der sich zum ersten Mal als Dramatiker versucht hat.
Das wohl gelungenste Stück dieses Abends war Judith Kuckarts Komödie „Paradiesvögel“. Hier gibt es eine stimmige Geschichte und pointierte Dialoge. Auf dem Marktplatz einer Kleinstadt soll das vom Polizisten verfasste Musical „Carmen“ aufgeführt werden, aber höhere Gewalt und menschliches Versagen verursachen ein Chaos.
Es gibt einiges zu lachen in diesem Stück, nur lässt es allzu sehr an die sehr viel komischere Erfolgskomödie „Der nackte Wahnsinn (Noises Off)“ von Michael Frayn denken.
David Lindemann geht in seinem Stück „Getränk Hoffnung“ von einem ganz hübschen Wortspiel aus: Eine Bank, die verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will, verlegt ihre Beratungsgespräche auf das gleichnamige Sitzmöbel im Park. Der Fortgang der Handlung ist recht verworren und wenig originell.
In „Ein Mädchen namens Elvis“ von Julia Wolf sucht eine junge Frau, die sich, um Aufsehen zu erregen, nach dem Rock-Idol benannt hat, einen geeigneten Stoff für eine Geschichte. Zu der Einfallslosigkeit der egozentrischen Möchtegernkünstlerin ist der Autorin jedoch nicht viel eingefallen.
Die vier Stücke wurden als Werkstattinszenierungen mit nur zehntägiger Probenzeit auf die Bühne des DT gebracht. Außer bei dem Stück „Krauses Erzählungen“, das von Sascha Hawemann inszenatorisch nicht in den Griff zu bekommen war und auch schauspielerisch keine interessanten Leistungen bot, gab es trotz der schwachen Vorlagen einfallsreiche Inszenierungen von Anne Sophie Domenz, Alize Zandwijk und Mathias Kaschig, und zu überstehen war dieser Abend eigentlich nur, weil Margit Bendokat, Maren Eggert oder auch Peter Moltzen, Verena Reichardt, Olivia Gräser oder Bernd Stempel wieder einmal bewiesen, dass sie wunderbare SchauspielerInnen sind.