Wien, Österreich (Weltexpress). Wenn eine neue britische Premierministerin ihr Amt antritt, fallen fast reflexartig Vergleiche mit der „Iron Lady“ Margaret Thatcher – einer politischen Legende, welche Großbritannien nachhaltig geprägt hat. Tatsächlich weist Liz Truss, die von der greisen Monarchin Elizabeth II. auf dem schottischen Schloß Balmoral zur Nachfolgerin von Boris Johnson gekürt worden ist, manche Ähnlichkeiten mit der ersten weiblichen Amtsinhaberin in Downing Street auf. Truss pflegt diese Assoziationen in Pose, Kleidung und Slogans sorgfältig. Die bisherige Außenministerin hielt ihre Antrittsrede vor „Number 10“ bei Regen und Sturm, und ihre Ankunft war verspätet, weil sie in einem Stau steckte – geradezu metaphorisch für die Aufgabe, das krisengeschüttelte Land in einen möglicherweise katastrophalen Winter zu führen.
Truss signalisiert Härte und Entschlossenheit wie einst Thatcher, die ja auch Wirtschaftskrisen zu bewältigen hatte und den Europäern energisch die Stirn bot. Truss hat zwar, im Gegensatz zu Thatcher keinen Falkland-Krieg, um nationalistische Emotionen zu schüren – aber die britische Unterstützung für die Ukraine und die Konfrontation mit Russland könnten ähnliches bewirken. Dass sie sich letztes Jahr in voller Kampfmontur auf einem britischen Tank fotografieren ließ, war eher peinlich, gehört aber zum Repertoire. Truss startet stürmisch – und populistisch: Sie werde, verkündete sie, dafür sorgen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen aufgehoben werden. Raser und Automobilindustrie werden es ihr danken. Die Preise für Strom und Gas sollen eingefroren und damit die existentiellen Befürchtungen der Briten vor einem kalten Winter beschwichtigt werden.
Kämpferisch beschreitet Truss neue Wege: erstmals ließ sie die die vier höchsten Regierungsämter nicht mit „weißen Männern“ besetzen; der neue Schatzkanzler Kwasi Kwarteng ist Sohn von aus Ghana und Außenminister James Cleverly ist Sohn einer Mutter aus Sierra Leone. Die dunkelhäutige neue Innenministerin Suella Braverman soll die harte Migrantenpolitik ihrer Vorgängerin fortsetzen; als Hardlinerin will Truss aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten. Ehrgeizig und zielstrebig umgibt sich die 47Jährige mit Vertrauten und entlässt die Gefolgsleute ihres Vorgängers. Durchsetzungskraft und Anpassungsfähigkeit kennzeichnen ihren Charakter. Sie verfügt über solide Erfahrung in sechs Ministerposten. Dass sie aus einem sozialistisch geprägten Elternhaus stammt, ist der stramm neoliberalen Politikerin heute ebenso wenig anzumerken wie ihr Gastspiel bei den Liberaldemokraten. Auch war sie zwischendurch mal für die Abschaffung der Monarchie. The Queen was not amused.