Die mit dem Götterblick

Sahra Wagenknecht, knallrot und in jüngeren Jahren. Quelle: Pixabay

Berlin, BRD (Weltexpress). Wahrscheinlich sah sich Wagenknecht siegesgewiss wie immer mit dem nach ihr benannten Bündnis bereits im Bundestag, bevor  die Wählerstimmen gezählt waren. Selbstverständlich mit ihr als designierte Fraktionsvorsitzende. Der Flop „Aufstehen“ war noch nicht vergessen und das  BSW vorgestrig.

Die Lehre aus dem Bruch mit der Linkspartei zog Wagenknecht nicht: Sie stellte sich nicht die Frage, warum ihr der größte Teil der Linkspartei nicht folgte. Abgesehen von dem abstoßenden Gezerre um Mandate, war die vordemokratische bis reaktionäre Konzeption des BSW noch abstoßender. Von emanzipatorischen Ideen keine Spur. Es ging Wagenknecht um den Aufbau einer Bonzen-Partei, die von ihr geführt zu einem politischen Machtfaktor werden sollte. Der Deal sah so aus, dass mausgraue Bonzen in spe an ihrer Popularität partizipieren, selbst aber nur ein Ziel hatten: Ein Mandat als lukrative Einnahmequelle.

Dank dieses Grau in Grau verhieß es Abenddämmerung, nicht Morgenröte. Abenddämmerung rückte bereits von allen Seiten heran, so dass es Schritt für Schritt düsterer wurde. Es breitete sich das Gefühl aus, es gehe unaufhaltsam gesellschaftlich und politisch abwärts. Und was sollten Wählerinnen und Wähler davon haben, eine Meute von Speckjägern zu wählen, die außer ihrer eigenen keine anderen, geschweige denn freiheitliche und soziale Ziele hatte?

Warum Wagenknecht sich ausgerechnet für diese Spezies interessierte, verriet sie vorerst nicht. Das geschah erst Wochen später, als sich zeigte, dass das BSW nicht als freiheitliche und emanzipatorische Partei konzipert war, sondern als Vehikel neomonarchistischer Fantasien. Das Tor für neue einfache Mitglieder wurde erst geöffnet, nachdem die Kontrollapparaturen und Schleusen für Gesinnungsprüfungen installiert waren. Der erste Unmut entstand in Hamburg. Später darauf angesprochen entblödete sich Wagenknecht nicht zu behaupten, sie wollte mit diesen Maßnahmen nur verhindern, dass die junge Partei zerstört werde.

Das BSW war nach dem Bruch mit der Linkspartei, „Aufstehen“ der dritte Flop. Der vierte bahnte sich an: Die Wahlen zum Bundestag und ihr Ergebnis – an der Fünfprozenthürde gescheitert zu sein. Eigentlich war es damit genug des Guten. Aber der dämlichste Flop stand noch bevor: die Stimmenzählung als falsch zu behaupten. Es rumorte im BSW, nachdem es fühlbar geworden war, dass Wagenknecht als Autokratin eine Aversion gegen innerparteiliche Demokratie hatte und den Monolog nicht nur bevorzugte, sondern ihn zum alleinigen Mittel machte, andere Meinungen zu unterdrücken. Das hatte sie von Gysi übernommen und perfektioniert.

Falsch ausgezählt? Könnte sein. Richtig gezählt aber auch. Vor dem Hintergrund einer Kette von Flops sieht es eher danach aus, dass richtig gezählt wurde und ihre Wählerschaft infolge dieser Flops und weiteren Kapricen geschrumpft war, so dass das blamable Absacken unter fünf Prozent aus Wagenknechts krankhaft eitlen , egomanischen und dilettantischen Politik resultierte. Zugleich sank ihr Ansehen . Doch Wagenknecht wäre nicht Wagenknecht , übte sie Selbstkritik und akzeptierte andere Meinungen. Dass sie monarchistische und neofeudale Neigungen hat beweist ihre politische Praxis seit fünfunddreissig Jahren.

In der FAZ vom 11.11.2025 (Seite 2) wird ihr nicht nur ein seit jeher charismatisches Auftreten bescheinigt, sondern auch intellektuelle Strahlkraft. Was an ihrem Auftreten charismatisch sein soll, verrät die FAZ nicht. Wahrscheinlich deswegen nicht, weil es theatralisch, rituell und letztendlich als albern aufgefasst werden könnte. Was ihre intellektuelle Strahlkraft betrifft, werden als Belege ein paar Buchtitel genannt, die wahrscheinlich die Quellen dieser Erkenntnis sind . Mit der von der FAZ hervorgehobenen intellektuellen Strahlkraft hat es noch eine andere, enthüllende Bewandtnis. Mit ihrem Opus Magnum „Couragiert gegen den Strom“, kanonisiert sie sich selbst, was insofern glatt über die Bühne geht, als sie Advocatus Diaboli weglässt und den Part des Advocatus Dei selbst übernimmt. Das ist nicht nur typisch für sie, es verschafft auch einen Einblick in ihre intellektuelle Strahlkraft. Wer dieses Buch gelesen hat, noch bei Verstand ist und kritisches Denken nicht aufgegeben hat, kommt nicht umhin die Frage aufzuwerfen, ob die Dame noch alle auf dem Sender hat. Es kann auch sein, dass ihr der kometenhafte Aufstieg aus dem Nichts zu Kopfe gestiegen ist, was einen zumindest ähnlichen Zustand hervorrufen kann. Um auf die FAZ vom 11.11.2025 zurückzukommen wäre zu fragen, was die zuständigen Damen und Herren der FAZ veranlasste, Wagenknecht in den Stand des geistigen deutschen Hochadels aufzunehmen, als dessen führendes Organ sie gilt. Liest man diese Lobeshymnen befällt einen das Gefühl, diese glorreiche Zeitung eilte Madame zu Hilfe, als ihre intellektuelle Strahlkraft zu verblassen drohte, bzw. entweder schon erloschen war, oder genauer betrachtet nie existiert hatte. Die Wege und Stationen ihrer Karriere sind mit Unklarheiten und Fragen gepflastert. Sie zu klären und zu beantworten ändert nichts an der Geschichte, wirft aber ein Licht auf die sogenannte „friedliche Revolution“ und einen Teil ihrer Helden und Heldinnen. Als Gysi noch dabei war, die Konkursmasse der SED zusammenzukratzen, war Madame noch ein Nobody. Genial war allerdings, wie sie ins Rampenlicht der Öffentlichkeit katapultiert wurde und aus welchem Talentschuppen sie kam.

Sie kam aus Jena in Thüringen, trat in die SED ein, als die in ihren letzten Zügen lag, und wurde Autorin einer Kirchenzeitung, den „Weißenseer Blättern“. Die hinter ihr stehende Kirche war die evangelisch-lutherische, aktuell aber bereits die evangelisch-lutherische Gauck-Kirche, die pubertäre Elogen auf Väterchen Stalin von der jungen Sahra veröffentlichte: in einer Zeit, in der der Kommunismus als Ausgeburt der Hölle noch einmal bis in alle Ewigkeit verdammt wurde. Es wurde ein Kontrast geschaffen, der bis heute ein fester Bestandteil ihrer Politik wurde: Kontraste schaffen wo immer es geht und sei es nur durch Farben. Es funktionierte wie abgesprochen; denn Sahra wurde nicht verdammt, nicht behelligt usw. Dass sie Stalin à la Weinert (im Kreml brennt noch Licht) anbetete, war charming und so betörend, dass sie einen Ehren- und Dauerplatz in der Talkshow erhielt und berühmt wurde. In der Zwischenzeit hatte Gysi die SED/ PDS auf Kurs gebracht. Während er Stasifritzen und überhaupt Kommunisten nicht in seiner neuen Partei haben wollte, ließ er dennoch eine Kommunistische Plattform zu , allerdings nur als Flügelstabilisator, Beitragszahlerin und Jubelmeute. Aber was war sie schon?

Sie stand unter Gysis Kommando; im Grunde eine Mixtur aus Hospiz und Beinhaus. Ihre Mitglieder waren als Kinder Thälmannpioniere und gehörten als Jugendliche der Freien Deutschen Jugend an. Sahras Elogen schlugen bei der Plattform wie eine Bombe ein. Bildlich gesprochen flog sie vom höchsten Kirchturm in Weißensee wie eine Brieftaube direkt zur Plattform und wurde wie eine Königin empfangen und ad hoc zu ihrer Sprecherin und Chefin gewählt. Sie wurde auch die Ikone der Ziegenhalsfahrer und Berliner Gesinnungsverwandte von Rosa Luxemburg. Damit stand ihre Hausmacht, mit der sie alle Versammlungen und Abstimmungen nach Belieben majorisieren konnte und sich dabei auch nicht lumpen ließ.

Anmerkung:

Siehe die Beiträge

im WELTEXPRESS.

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