Berlin, Deutschland (Weltexpress). Irgendwie häufen sich derzeit die Meldungen über westliche Erpressungen. Völlig unverhüllte, grobe, brutale Drohungen. Als wäre man plötzlich in einen Mafia-Film geraten. Aber der Film ist eine Serie, sie läuft schon sehr lange, und es ist Zeit, sie abzusetzen.
Es ist einer der berühmtesten Sätze der Filmgeschichte. „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“, der Satz, in dem der alte Don Corleone im Klassiker „Der Pate“ seine Macht mit einer scheinbar subtilen Drohung zu erkennen gibt.
Das ist großes Kino, und kaum jemand kennt diese Szene nicht. Was aber derzeit über das Verhalten westlicher Politiker sichtbar wird, das möchte vielleicht Don Corleone sein, aber heraus kommt doch eher Tony Soprano.
Wie beim EU-Kommissar für Erweiterung. Der hatte, wenig subtil, dem georgischen Premierminister mit dem Schicksal des slowakischen Ministerpräsidenten gedroht, und als diese Form der Kommunikation öffentlich wurde, mit einer Erklärung nachgelegt, die das Gegenteil eines Dementis ist, sondern vielmehr noch die Drohung mit einer Farbrevolution hinzufügt: „Während meines Telefongesprächs erschien es mir angezeigt, den Premierminister darauf aufmerksam zu machen, dass es wichtig ist, die bereits instabile Situation durch die Verabschiedung dieses Gesetzes, das zu einer weiteren Polarisierung und zu möglichen unkontrollierten Situationen auf den Straßen von Tiflis führen könnte, nicht weiter anzuheizen. In diesem Zusammenhang wurde das jüngste tragische Ereignis in der Slowakei als Beispiel und als Hinweis darauf angeführt, wohin ein solch hohes Maß an Polarisierung in einer Gesellschaft auch in Europa führen kann.“
Schon erstaunlich, dass die Antwort auf diese Veröffentlichung nicht lautete, er habe gar nichts in diese Richtung gesagt oder das Gespräch habe es nie gegeben. Immerhin hatte der Premierminister Georgiens keinen Namen genannt. Aber offenbar fand der betreffende EU-Kommissar nicht den Inhalt der Kommunikation unangemessen, sondern nur die Form. Es war ihm peinlich, als Soprano zu enden, wo man doch den Corleone geben wollte.
Man könnte diese Geschichte für eine einmalige Entgleisung halten, gäbe es nicht so viele andere, die genau in die gleiche Richtung wiesen. Da gibt es beispielsweise das Schreiben von zwölf republikanischen Senatoren an den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Karim Khan vom 24. April.
„Die Vereinigten Staaten werden politisierte Angriffe auf ihre Verbündeten durch den ICC nicht tolerieren. Nehmen Sie Israel, dann nehmen wir Sie ins Visier. Wenn Sie mit den Maßnahmen, die der Bericht nahelegt, weitermachen, dann werden wir dafür sorgen, jegliche US-Unterstützung für den ICC zu beenden, Ihre Beschäftigten und Kollegen sanktionieren und sie und ihre Familien aus den USA heraushalten. Sie wurden gewarnt.“
Ausgesprochen charmant. Khan hat außerdem inzwischen öffentlich gesagt, man habe ihm deutlich mitgeteilt, der ICC sei nur „für Afrika gemacht und für Schurken wie Putin“. Über israelische Drohungen nach der Beantragung des Haftbefehls muss man gar nicht erst reden.
Interessant daran ist, dass solche Dinge inzwischen öffentlich werden. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Kommunikation früher anders war, aber es ist etwas Ungewöhnliches geschehen, das zumindest in den Geschichten über die italienische Mafia immer andeutet, dass die Macht schwindet: Die Omertà, das Gebot des Schweigens, ist gefallen.
Im Grunde haben es alle immer gewusst. Die ganzen Sanktionen, mit denen auch immer eifrig gedroht wird, was sind sie anderes als Erpressungen? Nur, weil die Charta der Vereinten Nationen so etwas vorsieht, auf Beschluss des UN-Sicherheitsrats, ändert das nichts daran, dass es ohne einen solchen Beschluss eine zutiefst kriminelle Handlung ist. Schutzgelderpressung im gigantischen Maßstab. Die natürlich nur in der Hand jener funktioniert, die wirtschaftlich und militärisch mächtig sind. Tu, was ich dir sage, oder …
Hier kommt die Omertà ins Spiel. Die scheinbar friedfertige Fassade lässt sich nur aufrechterhalten, wenn alle das Schweigen bewahren, nicht nur die unmittelbaren Täter, auch die Opfer. Der Mann, der von Don Corleone das Angebot erhielt, „das er nicht ablehnen kann“, veröffentlichte das nicht am nächsten Tag in der Lokalpresse. An der Oberfläche sah das alles aus wie ein ehrenwertes Geschäft.
Zugegeben, es gab immer schon gewisse Ausreißer. Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat beispielsweise veröffentlicht, wie der Ton innerhalb der Verhandlungen während der Eurokrise war. Aber damals konnte man sich noch einreden, es habe sich dabei um eine Extremsituation gehandelt.
Doch die Reaktion dieses EU-Erweiterungskommissars gegenüber der georgischen Regierung könnte man wie eine Folie auf die Kommunikation zwischen den EU-Vertretern und der Regierung Janukowitsch in der Ukraine legen. Wurde damals auch so offen gedroht? Immerhin war es die EU-Bürokratie, die damals den Maidan überhaupt auslöste, als Wiktor Janukowitsch noch einmal die wirtschaftlichen Folgen des EU-Assoziierungsabkommens überprüfen wollte. Die EU setzte daraufhin eine Frist, bis zu der sich die Ukraine dafür oder dagegen entscheiden müsse. Ohne diese Frist hätte es das ganze Spektakel nicht gegeben, und den Putsch ebenfalls nicht.
Es fällt nicht schwer, sich eine Ursula von der Leyen vorzustellen, wie sie mit Drohungen um sich wirft. Ganz und gar nicht. Ihre ständigen überdrehten Fantasien („Die russische Wirtschaft ist in Fetzen, sage ich, in Fetzen“) zeigen schon, dass sie bei Zuckerbrot und Peitsche eine starke Neigung zur Peitsche hat. Sosehr die Vernunft zu fehlen scheint, so hoch die Bereitschaft zur Gewalt ist, dass diese Gewalt weitgehend in ein scheinbar rechtliches Gewand gehüllt ist (der ganze EU-Sanktionswahn ist in Texte gegossen, die mit aller Kraft so tun wollen, als wären sie Gesetze), verhüllt die rohe Brutalität, aber die augenblicklichen Akteure scheitern an der Rolle.
Wie gesagt, wenn das Schweigen gebrochen ist, ist es bald auch die Macht. So etwas wie mit dem georgischen Premierminister dürfte derzeit in der gesamten UNO passieren. Gerade jetzt. Weil gerade jetzt zumindest einige EU-Vertreter wie von der Leyen und vor allem die Vereinigten Staaten damit beschäftigt sein dürften, Länder rund um die Welt wieder einmal zu erpressen, damit sie im Falle des Falles, wenn nach dem Veto der USA im UN-Sicherheitsrat, um Maßnahmen zur Umsetzung des Beschlusses des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel zu verhindern, die ganze Sache in die UN-Vollversammlung kommt. Die unter bestimmten Bedingungen ein Veto im Sicherheitsrat überstimmen kann.
Ja, es wird blanke Erpressung sein. Bezogen auf die Mitglieder des Internationalen Gerichtshofs soll sie etwa gelautet haben: „Wir wissen, wo deine Kinder studieren.“ Aber es gibt zwei Punkte, die dieses Mafia-System schwächen. Zum einen: Selbst die Macht der Sippe Corleone beruhte auf Zuckerbrot und Peitsche, sprich, es gab nicht nur den brutalen Druck durch Pferdeköpfe im Bett, Kooperation brachte auch gewisse Vorteile. Dem Mafia-System des Westens gehen die Vorteile aus, das Zuckerbrot ist verschwunden.
Und zum anderen ist es der Bruch des Schweigens, der es ermöglicht, dass sich die Opfer verbünden. Ich denke, was da in den letzten Wochen an die Oberfläche drang, ist noch lange nicht alles. Nein, das sind die ersten Rinnsale, die einem Dammbruch vorausgehen.
Dazu trägt auch die völlige Unfähigkeit des derzeitigen westlichen Personals zur Diplomatie bei. Denn über viele Jahrzehnte hinweg war es nicht nur die Möglichkeit, Zuckerbrot zu verteilen, die diese Verhaltensweisen gedeckt hat, sondern auch die Regeln der Diplomatie, die vorgeben, dass Gespräche unter bestimmten Umständen vertraulich sind und auch vertraulich bleiben, selbst wenn einer der Gesprächspartner den Don Corleone gibt.
Dass auch diese Regeln vom Westen selbst verletzt werden, schafft den Freiraum, öffentlich auszusprechen, was in solchen Gesprächen passiert. So, wie anhand des Umgangs mit dem Genozid im Gazastreifen sichtbar wird, wie verlogen das Gerede von den Menschenrechten tatsächlich ist, so zeigt jetzt die zunehmende Enthüllung der Erpressungen, dass es selbst um einfachste Grundbegriffe des Rechts nicht besser steht. Die „regelbasierte Weltordnung“, das ist die Welt eines Tony Soprano, in der Probleme mit Untergebenen mit Betonstiefeln gelöst werden und die Inszenierung des guten Fürsten, die sich bei Don Corleone noch findet, im Strudel von Drogen und Pornografie versinkt.
Was auch erklärt, warum die Ukraine gleichzeitig der Höhepunkt wie der Untergang für diese Sopranos ist. Ein Staat, in dem diese Mafiaregeln offen gebraucht werden (man denke nur an Joe Bidens Selbstlob zur Absetzung des Staatsanwalts, der Burisma auf die Zehen treten wollte) und jede zivilisatorische Tünche unterlassen werden kann. Der genau dadurch den Vertretern dieser Mafia zum Symbol der Freiheit gerät und sie verleitet, die Masken fallen zu lassen.
Es wird noch dauern, bis im Westen selbst der Lack ab ist und die Verbrecher auch als Verbrecher gesehen werden. Aber der Rest der Welt sieht das, das Bild wird von Augenblick zu Augenblick düsterer, und es gibt kein Mittel, die einmal entfleuchte Wahrheit wieder einzufangen.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn mit dem Titel „Die Mafia des Westens – Von unverhüllten und subtilen Drohungen auf internationalem Parkett“ wurde am 2.6.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
Siehe auch die Beiträge
- Das Chaos um die AfD – freiwillig oder erzwungen? von Dagmar Henn
- Das Chaos um die AfD ist nur das Vorspiel von Dagmar Henn
im WELTEXPRESS.
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