Auf der Mauer, auf der Lauer steht der kleine Grenzwächter Sascha (Maxim Mehmet). Mit dem Zielfernrohr inspiziert er die hübsche Studentin Franzi (Felicitas Woll) im westdeutschen Wohnhaus gegenüber. Der aus der Provinz nach Berlin Gezogenen und dem Ostdeutschen wird der Todes- zum Liebestreifen. Make Love, not cold war! Ein Papierflieger segelt zu fröhlicher Musik über die Mauer, ein Kätzchen klettert darüber. Der antifaschistische Schutzwall würde in Peter Timms Komödie nicht einmal eine Kindergartengruppe abhalten. Um auch in den Genuss von Schrippen für fünf Aluminiumpfennig zu kommen, macht Franzi einen Tagesausflug in den Supermarkt. Im Osten hieß es eigentlich Kaufhalle. Aber mit derartigen großen und kleinen historischen Details nimmt es “Liebe Mauer” nicht so genau. “Das kostete 25 Mark Eintritt?”, wundert sich Franzi am Grenzübergang, als sei die DDR ein Vergnügungspark. Als ihr die mit Schlagersüßtafeln und Spreewaldgurken gefüllten Einkaufstüten hinter dem Grenzübergang reißen, eilt ihr Sascha unter Lebensgefahr mit dem Wischeimer zu Hilfe. Politische Säuberungsaktionen in der DDR: ein harmloser Hilfedienst, auch für Westbürger. Franzi sieht das als Vorsehung: “Wieso reißen mir die Tüten sonst direkt am Schlagbaum?“ Liebestechnisch wächst nun zusammen, was zusammen gehört. Doch Stasi und Saschas parteitreuer Vater sehen die Affäre als politisch subversiv. So kommt es zu lustigem Verkleidungsaktionen und SED-Spitzelveralberungen. Die “Liebe Mauer” wird dabei sooft überquert, dass man sich wundert, warum anderer Flüchtlinge den Umweg über Ungarn machen. Sogar Kanarienvogel Hansi von Saschas Oma (Gisela Trowe) macht den Abflug nach drüben. Und weil es der 9. November ist, wie der Polizeikader gleich doppelt aufsagt, machen sich mit Hansi auch die Mauerspechte ans Werk.
Hansis Grenzüberflug ist der einzig realistische in “Liebe Mauer”. Der eigene Wellensittich versuchte auch mal wegzufliegen. Weiter als ein paar Straßen kam der Möchtegernrepublikflüchtling allerdings nicht. Von Nachbarskinder – vermutlich Stasi-IM – wurde er zurückgebracht und eingesperrt in den Vogelbauer. Mama murkste ihn später ab. Keine Gnade für Staatsverräter. Versuchte man dergleichen als Mensch, konnte es einem mit der Stasi ähnlich ergehen. An die “Liebe Mauer” und das Leben dahinter haben manche ganz böse Erinnerungen. Nicht Peter Timm. Höchstens für Vegetarismus werden in seiner Komödie DDR-Bürger eingesperrt: “Das war doch bisher alles gewaltlos!” Warum freuen die sich überhaupt so, dass die “Liebe Mauer” fällt? Drüben hat jeder Arbeit, Studium ist umsonst und die Rente sicher. Angesichts der Unmengen Trabis, die die Ostberliner Straßen in “Liebe Mauer” säumen, lebte der Osten in Saus und Braus. Da möchte man die “Liebe Mauer” glatt wieder aufbauen, stünde sie in manchen Köpfen nicht immer noch. Das Romantisieren gelingt “Liebe Mauer” nur mit dem DDR-Leben. Die Liebesgeschichte zwischen Franzi und Sascha bleibt so aufgesetzt wie die Darsteller. Einzig Gisela Trowe gelingen sensible Momente als Großmutter, deren Mann von den Nazis ermordet wurde. Enttäuschte Hoffnungen auf einen Neuanfang nach der SS-Zeit oder Vorurteile gegenüber denen “drüben”, ob West oder Ost, verdeckt die “Liebe Mauer”.
“Wie soll man Nachgeborenen erklären, dass die Mauer eine ganze Stadt durchtrennte?”, fragt sich Regisseur Timm. In seinem Drehbuch verklärt er den Grenzübergang zum Spielplatz, wo infantile Erwachsene Räuber und Gendarm spielen. In historischer Ironie kurbelt der berühmteste DDR-Bau heute die kapitalistische Filmindustrie an. Selbst wenn man unter “Klassenfeind” höchstens den fiesen Sitznachbarn in der Grundschule versteht, langweilt die schwunglose Romanze. Worüber beschwert sich die ostdeutschen Band Silly in ihren kritischen Liedern zu “Liebe Mauer” eigentlich? Ist doch “urst” toll da drüben. Im Kino läuft “Coming out” statt dümmlicher Komödien wie “Liebe Mauer”. Nichts wie rüber.
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Titel: Liebe Mauer
Land/ Jahr: Deutschland 2009
Kinostart: 19. November 2009
Regie und Drehbuch: Peter Timm
Darsteller: Maxim Mehmet, Felicitas Woll, Anna Fischer, Thomas Thieme, Gisela Trowe
Laufzeit: 107 Minuten
Verleih: Warner Bros.
Internet: www.liebemauer-derfilm.de