Berlin, Deutschland (Weltexpress). Willkommener Anlass für Michael Müller (SPD), sich vor der Neuwahl des Regierenden Bürgermeisters in ein warmes Licht zu rücken: die Unterzeichnung der Verträge mit dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko, und der Intendantin Andrea Zietzschmann am Donnerstag in der Philharmonie. Petrenkos Vertrag beginnt am 19. August 2019 und ist unbefristet. Andrea Zietschmann tritt ihr Amt bereits am 1. September 2017 an und ist den Berliner Philharmonikern bis 2022 verpflichtet.
Gespannt waren alle auf Kirill Petrenko, den man bisher nicht oft, aber überzeugend am Dirigentenpult gesehen, aber von dem man noch nie ein Wort gehört hatte. Die anschließende Pressekonferenz bot eine einmalige Gelegenheit für Fragen.
»Wie werden Sie das Programm der Berliner Philharmoniker gestalten? Bedeutet dieses Amt das Ende Ihrer Opernkarriere?«
Petrenko: In Proben und Konzerten habe er das Gefühl gewonnen, dass er und das Orchester künstlerisch viel erreichen können. Er habe große Hoffnung auf eine »komplexe Einheit« mit dem Orchester. Sein Opernengagement werde er extrem reduzieren. Aber er werde ja mit den Berliner Philharmonikern in Baden-Baden Opern aufführen. »Ein Teil meines Herzens ist in der Oper fest verankert.«
Zum künftigen Repertoire wolle er noch nichts sagen. Im Frühjahr 2019 werde er alle Fragen beantworten. Selbst dirigieren wolle er nur, was ihm liege. Auch als Chef müsse er nicht alles machen, denn es gäbe auch Gastdirigenten. Vor dem Antritt seines Amtes werde er in jeder Spielzeit ein Programm gestalten und Gastspiele im Ausland leiten. Die Konzerte im Kulturforum finde er ganz toll.
»Wie russisch wird Ihr Programm sein?« (Lachen im Saal) – »Die russischen Komponisten sind Teil meiner Musikerseele und meiner DNA.« Sicherlich werde man das spüren. Für seine Rückkehr nach Berlin, wo er bereits von 2002 bis 2007 Generalmusikdirektor der Komischen Oper war, freue er sich, »an der Pulsader der Musik zu drehen.«
»Wie werden Sie mit dem Orchester klarkommen?« – Die Arbeitsweise sei nicht von Orchester zu Orchester übertragbar. Mit den selbstbewussten Philharmonikern werde er Wege finden, um zueinander zu passen. »Ich versuche, den Komponisten zu vertreten. Im Zentrum steht die Partitur. Ich werde Erfahrungen sammeln und hoffe, die Zukunft der Berliner Philharmoniker ein Stück weit zu bewegen.«
»Welche Verpflichtung empfinden Sie gegenüber Ihren Vorgängern oder einem Vorgänger?« – »Eine Verpflichtung empfinde ich nicht, vielleicht gegenüber Hans von Bülow – der hat auch in Meiningen dirigiert wie ich.«
Zu seinem Verhältnis zur kommenden Intendantin Andrea Zietzschmann befragt, betonte Petrenko, ihre großen Erfahrungen wären beste Voraussetzungen für die Zusammenarbeit. Von der Generation her seien sie nicht weit von einander entfernt. Auf menschlicher Ebene werde es »ganz viel Kunst geben.« Ihr Verdienst um die Gründung des Mahler Chamber Orchestra gemeinsam mit Claudio Abbado wurde vom Orchestervorstand als gute Startbedingung hervorgehoben.
Auf die Frage, was er in der Philharmonie ändern wolle, meinte Petrenko, er sehe nicht, was man hier ändern müsse, aber er werde sich das gemeinsam mit Andrea Zietzschmann ansehen. Er bleibe dabei, keine Interviews zu geben, »aber ich werde jedes Jahr hier sitzen und Ihnen antworten.« Wichtig sei ihm das Gespräch mit den Zuschauern (spricht der Operndirigent).
An Michael Müller, als Regierender Bürgermeister und Kultursenator Vorsitzender des Stiftungsrates der Berliner Philharmoniker, ging die Frage, was daran wahr sei, dass »der Bund« die Finanzierung der Berliner Philharmoniker übernehmen werde. Müller sprach viel und sagte nichts. Natürlich würden Leuchttürme wie die Staatsoper und die Berliner Philharmoniker gefördert, aber über den neuen Hauptstadtkulturvertrag sei noch nicht abschließend verhandelt worden. Dies sei ein offener Diskussionspunkt. Müller überging völlig, dass sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), ebenfalls Mitglied des Stiftungsrates, gegenüber der Berliner Zeitung verärgert geäußert hatte, wonach der ausgehandelte Vertrag durch Schuld des Senats nicht vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus unterzeichnet worden sei, was die bisherigen Verhandlungsergebnisse in Frage stellen könnte. Grütters wird der »Vorstoß« zur (Mit-) Finanzierung der Philharmoniker durch den Bund zugeschrieben. Müller zeigte sich als der glatte Politiker, der sich von niemandes Nöten und von keiner Kritik beeindrucken lässt und auch bei der bevorstehenden Neuwahl des Senats unbeirrt seine neoliberale Parteilinie fortsetzen wird, wie er sie beim Abriss preiswerter Wohnungen in der Neuköllner Heidelberger Straße bewiesen hat. Da ist es bequem, den privilegierten Künstlern der »Leuchttürme« zu schmeicheln, während den Schwächsten in der Kette die Zuschüsse gestrichen werden wie einst den Berliner Symphonikern vom Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Kultursenator Thomas Flierl (PDS).