Sie kennen das: Berlinale am Potsdamer Platz, man hat einen Film gesehen oder mehrere – und dann er wieder, der kleine oder große Hunger. Groß war die Auswahl zur Stillung desselben bei Zeitknappheit ja nicht, doch seit wenigen Wochen gibt es eine neue Alternative vor Ort: Den „Wienerwald“ in der „Mall of Berlin“ genannten LP12-Einkaufspassage. Denn schnell muss es gehen bei den Festspielen – der nächste Film wartet oder läuft schon.
Also am Doppelplatz Potsdamer/Leipziger einfach auf die andere Seite wechseln, man kommt an der kanadischen Botschaft vorbei, hinten links am Leipziger leuchten schon die Lichter, die einen im Zweifel die Hausnummer 12 an diesem historischen Achteck-Stadtplatz schneller finden lassen. Hier, wo früher schon ein Kaufhaus stand, geht man rein und gleich links die lange Rolltreppe nach oben: diese ist raffiniert, denn man landet nicht ein Stockwerk höher, sondern gleich zwei. Und ein paar Schritte weiter auf der rechten Seite heißt es: Ziel erreicht – lecker essen!
Wenn man sich was im Wienerwald geholt hat, kann man seine Teller innerhalb des Hauses ein Stück woandershin mitnehmen, solange man sie zurückbringt; praktisch, wenn die Begleitung zum Beispiel ihren Fischtag hat oder Veggie ist und man trotzdem an EINEM Tisch sitzen möchte. Der Tische sind viele, man kann sie auch zusammenstellen und hat wahlweise einen Blick durch das Glasdach nach oben, über das Geländer nach unten oder in die Runde schweifend.
Doch der knurrende Magen bringt einen in die Realität zurück. Die Speisekarte ist zum Glück übersichtlich: ich habe es eilig – in einem Restaurant mit zwölf Seiten Karte in Kunststoffhüllen brauche ich eine halbe Stunde, um alles durchzugehen; hier bin ich richtig. An der Kasse finde ich in einem Aufsteller gefaltete Speisekarten „Hendlgenuss“ mit einem Vermerk ‚Das Original in der Mall …‘ – ob sich das reimen soll? Egal. Ich setze mich hin und klappe sie auf, übersichtlich bieten sich mir 6 Spalten Auswahl – doch was soll ich nehmen?
Ein halbes Hähnchen vom Wienerwald, das erinnert mich an Sommerurlaub mit der Familie auf Sylt: Halbpension, mittags am Strand. Wer holt was zu essen, und wo? Ist doch klar. Also kenne ich Hendl; obendrein möchte ich meine Hände nach dem Essen nicht nochmal waschen müssen. Die Wraps kann ich nicht aussprechen, sie sind mir zu modern und dann auch noch kalt, außerdem noch nicht einmal gerade abgeschnitten. Das soll so? Ach so. In den 70ern gab es noch keine Räpps, da gab’s noch nicht einmal Rap. Salate: prima, gesund, nehme ich. Sind aber kalt, und ich wollte schon gern mittagessen. Also das Wienerwald-Schnitzel? So klassisch muss es denn doch nicht sein. Ich entscheide mich für den Barbecue-Burger, der stand in den 70ern noch nicht auf der Karte, hält die Finger sauber, und als er kommt, stellt sich heraus: er ist lecker, dazu Barbecuesoße, perfekt. Ein bisschen trocken, aber wozu gibt es Getränke? Ich will weder amerikanisches Zuckerwasser noch Alkohol; also Eistee „Zitrone“, eine andere Sorte gibt es nicht, wohl aus Platzgründen. Aber das reicht ja auch völlig aus.
Als ich zu dem Burger noch den griechischen Bauernsalat bestelle, runzelt der Filialleiter mit der Stirn. Wollen Sie den oder lieber den kleinen Krautsalat? Nein, ich will den griechischen Bauernsalat, sonst kommen die doch nie von ihren Schulden runter. Mit Appetit stürze ich mich auf den Burger. Lecker, und weg. Nun der Salat, aber schon bei der Hälfte kriege ich Zweifel, und nach drei Vierteln dämmert’s: You will never ride through Paris, with a Strudl in your hand …
Der Nachtisch fällt heute aus, ich habe gut gegessen, bin pappedickesatt und werde das Dessert NICHT bestellen. Dabei war ich so froh gewesen, dass die Wahl so leichtgefallen wäre: Entweder wieder so’n neumodischen Kram, den man nicht aussprechen kann oder – Apfelstrudl. Gott segne ihn, wenn der nicht wienerisch ist, was dann. Ich bin nicht den American way of life gegangen, aber möglich ist er jetzt hier: Hauptspeise Wrap mit Burger oder ein Special, dazu Dip aussuchen und einen Muffin zum Schluss.
Apropos Schluss: die Gastfreundschaft wird hier großgeschrieben, der Filialleiter hatte mit seinem Tip völlig recht, der Service ist erstklassig und die Preise sind moderat – kurz: ich werde gern wiederkommen, wenn nicht zur Berlinale, dann danach.
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Wienerwald, LP12, Leipziger Platz 12, 10117 Berlin, Web: www.wienerwald.de
Öffnungszeiten: von Montag bis Samstag in der Zeit von 10 Uhr bis 21 Uhr