Wer an diesem Abend Angst vor zu viel männlicher Nähe hatte, wäre besser zuhause geblieben. 19.000 Fans drängten sich auf dem frischen Rechteck. Als die Union-Hymne erklang, gab es Gänsehaut, die weit über den Song und Nina Hagens Stimme hinausging. Die Suche nach einem passenden Vergleich ließ nur die Geburt eines Kindes zu. Was so pathetisch klingen mag, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Das funkelnde Stadion, der finanzkräftige Sponsor und der Aufstieg in die zweite Liga könnten eine Genese sein in den Jahren der Misswirtschaft und des sportlichen Niedergangs. Oder der Anfang von einem erneuten Ende, was einer der vielen Union-Traditionen entsprechen würde. Denn der von manchem Fan als dubios empfundene Sponsor ISP, der seine Gelder aus dem arabischen Raum bezieht, wird es vielleicht zu richten wissen. Zu wünschen ist es dem Verein und seinen Fans nicht.
Zum Sportlichen. Es fielen acht Tore, fünf für Hertha, drei für Union, was nicht für die Abwehrreihen spricht, aber die Zuschauer jubeln ließ. Wie ernst die Balljongleure das flott und nett anzusehende Berliner Derby nahmen, zeigt die Statistik der Gelben Karten: Null. Sollte das das Spiel gewesen sein, das die Polizei um den Schlaf gebracht haben soll? Nun, von ernsten Wettkampfbedingungen im Rahmen einer Meisterschaft lässt sich nicht gerade sprechen. Vielleicht sieht man sich ja im DFB-Pokal wieder, dann wird das Geplänkel zwischen den Fans anders verlaufen. Die Unioner bezeichneten das Olympiastadion als Nazi-Bau, der Stadionsprecher ließ zwei, drei Mal polemische Blasen platzen und die Herthaner wiederum wollten auf einem Spruchband wissen, Stimmung wäre in der „Alten Försterei“ vergeblich zu finden. Die Antwort tausender Kehlen war nicht schlecht: Wir haben ein Stadion und ihr nicht. Zur Erklärung: Hertha ist nur Untermieter.
Als das Spiel vorbei war, waren die anschließenden Dankesbekundungen der Union-Spieler bei ihren Fans enttäuschend. Müde die Hände klatschend – erst nachdem der Stadionsprecher sie vom Gang in die Kabinen zurückholte – schritten sie die Gegengerade ab. Diese Fans, die 2,5 Millionen Euro durch Eigenleistungen in das Stadion gesteckt haben, haben mehr verdient. Aber vielleicht ist das Urteil auch zu hart, vielleicht haben sich die Spieler auch nur geärgert, Hertha nicht geschlagen zu haben.
Ach ja, am Ende, gab es noch eine Lasershow und ein sehr schönes Feuerwerk. Am Donnerstag um 13 Uhr war die Web-Site des 1. FC Union noch immer nicht auf dem neusten Stand, was dafür spricht, dass die Feierlichkeiten über einen gelungenen Abend weiter andauern. Zurecht muss gesagt werden. Sollte einmal eine Maßeinheit gesucht werden, die gute Stimmung in einem Stadion zum Ausdruck bringt, dann wird sie sicher Unioner heißen. Oder anders ausgedrückt: Haben Sie Probleme mit dem Kreislauf, gehen sie in die „Alte Försterei“. Oder auch nicht. Je nach dem.