Aber wir freuen uns mit den Organisatoren und für unsereinen, der öfter beruflich in der Festhalle zu tun hat, war der Höhepunkt der Offenen Tür etwas ganz Schliches. Endlich. Endlich. Endlich war der Zaun vor der hundert Jahre alten Festhalle weg. Wenigstens für ein paar Meter weggeräumt und so wie die schöne Schweizer Ausstellung einst hieß: „Freie Sicht aufs Mittelmeer“, so lautet unser Slogan: „Freie Sicht auf die Frankfurter Festhalle“. Mei, ist die schön. Die Festhalle und die Sicht. Die Messe Frankfurt, die zum größeren Teil der Stadt Frankfurt gehört, ist Besitzerin der Festhalle, in der übrigens ursprünglich auch Messen abgehalten wurde, so wie es auch heutzutage hin- und wieder der Fall ist, wenn die reichen Autohersteller ihre Prunkstücke dort vorstellen oder die Kosmetikindustrie einen Direktverkauf startet.
Aber hauptsächlich finden dort populäre Großveranstaltungen statt und die Riege der Größen aus Pop, aber auch Klassik, Sport und Fußball kann man überhaupt nicht aufzählen, weil dann der Artikel voll wäre. Seit das Messegelände nicht mehr nur in nördlicher Richtung weitergebaut wurde, sondern auch in südlicher, schirmt nun ein großer weißer Zaun die Festhalle als Teil der Messe ab, hinter dem die 1909 zu ihrer Zeit gewaltigste Kuppelhalle Europas zwar noch zu sehen ist, aber eingeschnürt wie ein Greislein, was man mit hundert Jahren auch sein dürfte, aber nicht, wenn man gerade mit viel Liebe und viel Geld als jugendliche Schönheit so aufgebrezelt wurde, wie geschehen. Sogar mit Gold. Wie es einmal war. Das mußte gesagt werden, wie schön das aussah, wenn morgen der Zaun unseren bewundernden Blick wieder aufhält.
Eh wir hineingehen, aber zwei Ereignisse draußen. Das eine war ein Eintrachtfan, mußte man meinen, denn er trug ein entsprechendes Trikot. Mehr Schein als Sein. Denn als wir ihn launig auf die große Feier am Römer zum 50. Meisterjubiläum und an das große Eintrachtfest im Stadion ansprachen, verstand er nur Bahnhof. Nein, er wollte hier das andere Jubiläum begehen und vor allem alles genau wissen wollen, wie die Technik in der Halle funktioniert und so. Dazu gab es reichlich Gelegenheit. Aber da draußen, wo eine Bühne des Hessischen Rundfunks und viele viele Holztische zum Essen und Trinken aufgestellt waren, erfreut uns ein kleiner Rummel, bei dem man dachte. „So sah das vielleicht auch vor hundert Jahren aus.“ Es gab nämlich eine Schiffsschaukel wie aus Kindertagen und dann so ein Karussell, ein anderer Name fällt uns nicht ein, in dem nicht die Schaukeln durchs Drehen bewegt werden, sondern die Autos und Tiere für die ganz kleinen Kinder, die gefahrlos hier ihre Runden drehen. Wirklich wie früher.
Die Festhalle selber ist im Inneren absolut von heute. Die Kleinigkeit von 1 200 Tonnen Gewicht hält die Stahlkonstruktion der Festhalle heute und sie war seinerzeit die größte technische Innovation und die Erbauer wußten um ihre Pionierleistung. Aber alles Historische hatten wir ja schon erzählt und man kann es nun auch selber lesen. In einem Prachtband , den der rührige Thomas Bauer erstellt und den die Messe Frankfurt zum Jubiläum herausgegeben hat, sind die schönsten historischen Fotos zu sehen, aber eben auch die Geschichte der Festhalle von der Erbauung über die „Braune Messe“ zu Zeiten des Nationalsozialismus bis zum Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und dem Explodieren der Eventkultur. Manche meine auch Unkultur. Ein Buch, das man fürderhin auch zum Nachschlagen über die Ereignisse brauchen wird.
Heute geht’s aber ums Heute. Besser: ums Gestern. Und das fing schon um 9 Uhr mit einem Jubiläumslauf an. Irgendwie auch verrückt, daß nun dauern in Frankfurt gelaufen wird. Und dann um zehn Uhr taten sich die Türen auf und ab da konnte man, wenn man wollte, den Tag bis abends mit Besichtigungen und Führungen zubringen, unterbrochen nur von Gesangseinlagen und von der offiziellen Begrüßung durch die Frankfurter Oberbürgermeisterin, die die 2 500 Stück Kuchen, die anschließend angeboten wurden, nicht selber gebacken hatte, aber Messechef Michael von Zitzewitz auch nicht, wie er versicherte. Aber sie waren da und mundeten und stärken moralisch für den nächsten Aufstieg, für den man keine Kraft, aber Mut brauchte. Und Schwindelfreiheit auch. Wenn nachher Kollegen behaupteten, wir hätte dort oben von der Decke aus ca. 38 Metern Entfernung wie Spielzeugfiguren ausgesehen, dann kann man das nur zurückgeben.
Die kleinen Menschlein da oben am Festhallenhimmel, einfach auf einer Hebebühne hinauftransportiert, waren ein Klacks gegen diesen gewaltigen Scherenschneider, der sich nach oben bewegte. Wir blieben lieber unten und schauten uns das Obere in den großen Fotografien an, die rund um die Halle ausgestellt waren. Die historischen Fotos, aber auch die neueren, die Zeichnungen und so viele Details der Halle in Groß, wo man sonst gar nicht so genau hinschaut und auf die gewaltige Entfernung auch nichts sehen könnte. Nein, wir blieben am Boden und ließen uns auch von der Seilwinde nicht verführen, die in über 18 Meter Höhe hinaufgezogen wurde und dann breit auspendeln konnte. Wir haben uns um die Führungen, die Vorträge und die Filme gekümmert. Und geschwatzt. Denn dauernd traf man Leute, die man kannte und die einen ob unserer historischen Kenntnisse überfielen mit der Frage: „Wie war das denn mit Preußenkaiser Wilhelm II. und der Sissi von Österreich“, woraufhin wir erst einmal nur antworten konnten: „Ja, sollen die etwa was miteinander gehabt haben. Nie und nimmer.“ Daß der Kaiser auf Korfu Sissis – die eigentlich Sisi hieß – Villa 1907 gekauft hatte, ist bekannt und kann derzeit im Archäologischen Museum in Frankfurt näher erforscht werden. Aber der Zusammenhang mit der Festhalle? Die österreichische Kaiserin wurde doch schon 1898 in Genf ermordet?
Nachher bekamen wir die verzwickten Fragen selber in die Hand, die sich ein Scherzbold als Historisches Jubiläums-Quiz ausgedacht hatte. Man sollte nämlich die zutreffende Äußerung ankreuzen, bei denen zur Auswahl stand, daß sich Sissi und Wilhelm nie begegnet seien, daß sie sich kannten, aber Sissi bei der Einweihung schon tot war, daß beide zusammen die Festhalle eröffnet hätten. Ja, Potz Blitz, welch royalistische Fragen im kreuzbravbürgerlichen Frankfurt!! Liegt man richtig, kann man ein ganzes Jahr in einem Tanzzentrum umsonst tanzen. Wahrscheinlich Wiener Walzer oder andere Gesellschaftstänze.
Nein, wir folgen den Führungen, den vielen zu unterschiedlichen Themen und lassen uns von Mitmachern beim Schminken und Betrachtern der Stargarderoben alles brühwarm erzählen, daß sie dort auf jeden Fall und in echt Udo Lindenberg begegnet seien und Wilhelm II. und – schon wieder?! – der Kaiserin Sissi. Da sind uns doch die Vorträge glaubwürdiger, von denen der vom legendären Konzertveranstalter Fritz Rau die Geschichte der Bundesrepublik gleichzeitig mitliefert, zumindest was den Unterhaltungssektor angeht. Und der Vortrag von Historiker Thomas Bauer, der das Buch zur Festhalle geschrieben hat, ist sowieso fachkundig.
Wir schauen uns noch einmal in der Halle selbst um. Die Südbühne hat eine fahrbare Hubbühne in der Breite von 42 Metern (vorne) und eine Tiefe von 12 Metern. Aber die Ostbühne, die wir nicht finden, vielleicht weil wir auf ihr stehen, ist sogar 27 Meter breit und hat 18 Meter Tiefe und 510 Quadratmeter Fläche für die Künstler. Jede Richtung eine Bühne? Daran können wir uns erinnern. Aber was ist mit den 7-Tage-Rennen passiert? Das gab es in unserer Jugend und das war das Spitzenereignis dazumal. Dieses schräge Riesenoval, wo die Fahrradfahrer nie runterfielen, sondern mit Affenzahn lostraten. Die Sieger waren Helden wie später die Tennisspieler oder Formel 1 Sieger. Für jeden Frankfurter ist die Festhalle auch ein Stück der eigenen Lebensgeschichte. Und so mancher könnte da seine Privatbücher schreiben”¦
Thomas Bauer, 100 Jahre unter einer Kuppel. Die Geschichte der Festhalle Frankfurt, Messe Frankfurt 2009