Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der Choriner Musiksommer ist gut, das Programm ist gut, doch eine Nachricht erfreut besonders – die Berliner Symphoniker stehen 2020 wieder im Programm des Musikfests. Sie gehören eigentlich zum Stamm der »Choriner» Orchester, wie das Konzerthausorchester, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin oder das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt. Die Berliner Symphoniker sind beim Publikum beliebt, aber auch bei den Dirigenten, denn sie sind erfahren, vielseitig und sehr anpassungsfähig, wie es ihnen zum Beispiel der Kirchenmusiker Alois Koch aus Luzern attestiert.
In Chorin waren sie fest verankert, wegen ihrer Kultur, aber auch aus Solidarität, wie der langjährige Künstlerische Leiter des Musiksommers, Gunther Wolff, stets betonte. Denn nach der Streichung der Zuschüsse durch den Berliner Senat 2004 waren die Musiker auf Engagements angewiesen, um wieder etwas verdienen zu können und um als Orchester nicht aufgeben zu müssen. An dieser Situation hat auch der sozialistische Kultursenator Klaus Lederer nichts geändert. Aus schwer begreiflichen Animositäten hat sie der vormalige Künstlerische Leiter, Christoph Drescher, trotz schriftlichen Versprechens seit 2015 nicht mehr engagiert. Dieses Abseitsstehen ist nun durch die neue Leitung beendet worden. Die Berliner Symphoniker geben in Chorin zwei Konzerte: am 9.Juli ein Familienkonzert mit dem Märchen »Peter und der Wolf» von Prokofjew, der Geschichte von Tubby der Tuba und der 6. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Am 25. Juli »trifft Gulda Schostakowitsch». Der Cellist Friedrich Kleinhapl wird in zwei Konzerten für Violoncello und Blasorchester den Humor und die Bissigkeit der Komponisten knistern lassen.
Im Mittelpunkt steht Beethovens 250. Geburtstag
Der neue Künstlerische Leiter, Peter Sauerbaum, stellt Beethovens Musik ganz in den Mittelpunkt des Musiksommers, ganz auch im Sinne des Publikums, das sich in der Klosterkirche den Klängen des Meisters hingeben kann. Zur Eröffnung des Musiksommers am 27. Juni bietet das Staatstheater Cottbus eine konzertante Aufführung von Beethovens Oper »Fidelio». Die Sänger werden im Programm leider nicht genannt. Von den neun Sinfonien Beethovens werden fünf gespielt: Nr.1 (Orchester der Komischen Oper Berlin), Nr.2 (Barockorchester Wroclaw), Nr. 3 (Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt), Nr. 5 (Stettiner Philharmonie) und Nr. 6 (Berliner Symphoniker). Hinzu kommen das Violinkonzert D-Dur, gespielt von der Stettiner Philharmonie (Violine Jakub Jakowiez), und, als Höhepunkt, alle fünf Klavierkonzerte des Meisters, gespielt an zwei Tagen vom Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Bernard Griffith: am 4.Juli Nr.2 (Juan Perez Florestan), Nr.3 (Teo Gheorghiu)und Nr. 4 (Claire Huangei) und am 5.Juli Nr.1 (Julia Kociuban) und Nr. 5 (Aaron Pilsan).
Doch ganz so einseitig wird es nicht zugehen. Eine sehr interessante Note bringt die Staatskapelle Weimar unter Leitung von Alevtina Joffe ein, die sich auf Werke von Beethovens klassisch-romantischen Wegbegleitern Friedrich Witt, Johann Nepomuk Hummel und Franz Krommer konzentriert. Die russische Pianistin Sofija Gjulbadamowa spielt Hummels »Oberons Zauberhorn» für Klavier und Orchester. Das Brandenburgische Staatsorchester seinerseits spielt Franz Schuberts 7. Sinfonie und das Cellokonzert, dargeboten von Ramon Jaffé. Leider fehlen Chorwerke Beethovens, etwa die Chorfantasie opus 80, die mit Johannes R. Bechers Text den Ruf nach »ewgen Friedens Gunst» in diesem kriegführenden Lande erschallen lassen könnte. Die Berliner Symphoniker könnten sie ohne weiteres aufführen, sagt die Intendantin Sabine Völker.
Beliebte Ensembles und eine Lücke
Geboten werden im Musiksommer auch beliebte Unterhaltungsprogramme – von dem berühmten Trompeter Ludwig Güttler, vom Bläserensemble German Brass, von der BigBand der Deutschen Oper Berlin sowie vom Swing Dance Orchestra Andrej Hermlins. Am 8. Juli wird der Dresdner Kreuzchor die Freunde des Chorgesangs entzücken. Erstmals in Chorin wird am 1. August das 1977 gegründete Slagwerk Den Haag auftreten. Es wird unter anderem eine Vorstellung vermitteln vom Schlagwerk als Kommunikationsmittel.
Als große Lücke wird das Fehlen von Jugendorchestern empfunden. Denn in dieser Hinsicht hat Chorin eine gute Tradition, wenn man sich erinnert an das Junge Sinfonieorchester Dresden, das Lutoslawski Jugendorchester Polen, das »ensemble reflex», das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig und schließlich die Philharmonie der Nationen unter Justus Frantz und das Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar unter Michael Sanderling. Sie brachten andere Spielweisen, neugierige Gesichter und Schwung in die Klostermauern. Auch in der Operngala der Kammeroper Schloß Rheinsberg trugen die jungen Sängerinnen und Sänger Klang und Glanz in die Halle. Erfolgreiche Kulturarbeiter dürfen bei sich selbst lernen. Spannend wäre zum Beispiel eine Einladung an die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker – ein Kollegium erstklassiker Instrumentalisten.
»Kostbare» Rasenplätze
Die Eintrittspreise werden in diesem Jahr um zwei bis vier Euro erhöht, denn »alles wird teurer» sagt ein Veranstalter. Doch dass die Rasenplätze nun zehn Euro kosten (einst waren es fünf, 2019 bereits acht), tut weh. Denn die Auffassung eines Beirats, auf den Rasen wichen die Besucher nur aus, weil sie einen (teureren) Platz im Kirchenschiff nicht bekommen hätten, klingt weltfremd. Es gibt unter den Chorin-Besuchern Fans, die nur auf dem Rasen lagern wollen. Da bringen sie körbeweise Essen und Trinken mit und genießen Speis und Trank wie Musik und Natur. Doch es gibt auch Menschen, die sechs oder acht Euro gerade mal aufbringen können.Wo wird in der Kulturszene jemals darüber nachgedacht, ob Besucher wegbleiben, weil die Kunst zu teuer wird?
Anmerkungen:
Die Konzerte beginnen 2020 durchweg um 15 Uhr. Der Grund ist ganz einfach. Niemand kann mehr das Konzert nachmittags oder abends verwechseln.
Der Autor kann die Konzerte in Chorin empfehlen, auch wenn die presseunfreundliche Unterrichtung durch die Veranstalter hinsichtlich Ort, Zeit und Anreise dazu nicht anregt. Mehr Informationen auf der Heimatseite www.choriner-musiksommer.de im Weltnetz.