„Der verschwiegene Völkermord“ – Im „Maji Maji“-Krieg in Ostafrika brachte deutsche Kolonialsoldateska zwei Drittel der Bevölkerung um

"Der verschwiegende Völkermord. Deutsche Kolonialverbrechen in Ostafrika" von Aert van Riel. © PapyRossa Verlags GmbH & Co. KG

Berlin, BRD (Weltexpress). Noch heute schaut die Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu, wie zum Beispiel von Israel in Gaza Völkermord an den Palästinensern begangen wird, während Südafrika dagegen vor dem IGH gegen Israel aufgrund seiner Reaktionen auf die Anschläge der Hamas vom 7. Oktober 2023 den besonders schweren Vorwurf des Völkermords an Palästinenserinnen und Palästinensern erhebt. Unter diesem Gesichtspunkt verdient ein Buch des Historikers Aert van Riel „Der verschwiegene Völkermord“ Beachtung. Der Autor befasst sich mit dem Völkermord in der damaligen deutschen Kolonie Ostafrika, dem heutigen Tansania, wo im so genannten Maji-Maji-Krieg von 1905 bis 1907 nach Angaben von Historikern des Landes 250.000 bis 300.000 Menschen, etwa ein Drittel der Bevölkerung, umgebracht wurden. Bereits im August 1904 hatte die kaiserliche „Schutztruppe“ nach der Niederschlagung des Herrero-Aufstandes in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika mit der Ermordung von über 80.000 Herero und 20.000 Nama Völkermord verübt.

Zu den einheimischen Quellen, die van Riel zu Wort kommen lässt, gehört der Historiker Gilbert Clement Kamana Gwassa, der in seinen Forschungen enthüllte, dass in einigen Regionen die gesamte Bevölkerung ausgerottet wurde, die meisten Menschen nicht während der Kampfhandlungen ums Leben kamen, sondern sie nach dem Krieg, weil die Kolonialsoldateska Dörfer, Felder und Getreidespeicher zerstörte, Hungersnöten und Epidemien zum Opfer fielen. Gwassa belegte, dass der Hungertod, dem unzählige Menschen zum Opfer fielen, von der deutschen Kolonialverwaltung geplant war, da er festlegte, dass nur arbeitsfähige Einheimische Nahrungsmittelhilfe erhalten sollten. Wer zu schwach war, um die schwere körperliche Arbeit auf den Plantagen oder den Straßenbaustellen zu leisten, den überließen sie einem grausamen Schicksal. Viele Menschen, die mit dem Krieg direkt oft nichts zu tun hatten, wurden Opfer des Kolonialregimes. „Als erstes starben die Schwächsten an dem Hunger und den Krankheiten. Viele Kinder und die Ältesten haben ihr Leben verloren.“

Der auch international bekannte Historiker, Professor an der Universität von Dar es Salaam Oswald Masebo, stuft die deutschen Verbrechen während des Maji-Maji-Krieges als Völkermord ein, wofür „die große Zahl an Tötungen im Zusammenhang mit dem Krieg, die Zerstörungen und die herbeigeführte Hungersnot“ stehen. Van Riel verweist darauf, dass die Völkermordkonvention der Vereinten Nationen in Artikel 2 Handlungen als Völkermord definiert, »die in der Absicht begangen« werden, »eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören«. Darunter fallen die gezielte »Tötung von Mitgliedern der Gruppe«, die »Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden« und die »vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung« herbeizuführen.

Im Gegensatz zu dem meist isolierten antikolonialen Widerstand – so erhoben sich die Nama erst nach der Niederlage der Herrero – handelten im Maji-Maji-Aufstand die verschiedenen Stämme und ethnischen Gruppen, von denen 120 existierten, in einem Bündnis. Der Autor schildert, dass man im Nationalmuseum von Tansania erfährt, warum die Erhebung als »Maji-Maji«-Aufstand in die Geschichte des Befreiungskampfes einging. Erzählt wird das Leben von Nduna Mkomanile, einer Herrscherin der Ngoni-Ethnie, die zusammen mit anderen Frauen und Männern zum Widerstand aufrief und am 27. Februar 1906 mit 66 weiteren lokalen afrikanischen Anführern von den deutschen Kolonialisten hingerichtet wurde. Die mutige Frau half, »Maji«, das Kiswahili-Wort für »Wasser«, unter den antikolonialen Befreiungskämpfern zu verteilen und nannte es ein Zauberwasser, das zwar nicht, wie es die Verteiler der Flüssigkeit versprachen, dazu führte, dass sich die deutschen Gewehrkugeln in Wasser verwandelten, aber es im Kampf gegen die übermächtigen Deutschen Mut machte. Der 27. Februar ist Jahr für Jahr Anlass zum Gedenken an den Kampf gegen das koloniale Unrecht und an den Veranstaltungen nehmen hochrangige tansanische Politiker teil.

Im 5. Kapitel „Verdrängen und Vergessen“ listet der Autor auf, wie in der Bundesrepublik auf Straßen und Monumenten die Völkermordverbrecher als Helden gefeiert werden. Im 1991 von der Bundeswehr veröffentlichten Liederbuch »Kameraden singt!« wurden neben Hits aus der Nazizeit wie dem »Westerwaldlied« die Kolonialzeit mit »Heia Safari« gefeiert, ein schmaler »Negerpfad« sowie die »Träger und Askari« der Kolonialtruppen besungen. „In der rechtsextremen Szene der Bundesrepublik wird nicht nur der Holocaust, sondern auch der Völkermord an den Herero und Nama geleugnet“, so Riel weiter, der anfügt, dass der spätere CDU-Politiker und langjährige Bundeskanzler Konrad Adenauer 1931 Vizepräsident der 1887 gegründeten Deutschen Kolonialgesellschaft war, und dass die deutsche Kolonialgeschichte in der Bundesrepublik so lange verherrlicht werden konnte, weil die große Mehrheit der Westdeutschen, die sich überhaupt mit dem Thema beschäftigten, es als rechtmäßig ansah, dass das Kaiserreich über Kolonien verfügte und die dortigen Widerstände niederschlug. Dazu trägt der Schulunterricht bei, in dem es „so gut wie keine rassismuskritische Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Kolonialismus in den Schulbüchern gibt“. So sollten 2022 in Baden Württemberg Schüler der 9. Und 10. Klasse die Frage beantworten, welche „positiven Auswirkungen die deutsche Kolonisierung auf den afrikanischen Kontinent hatte“.

Bibliographische Angaben:

Aert van Riel, Der verschwiegene Völkermord. Deutsche Kolonialverbrechen in Ostafrika und ihre Folgen. 178 Seiten, Bindung: Broschur, Verlag: Papyrossa, 2023, Preis: 16,90 EUR (Deutschland)

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