Wien, Östereich (Weltexpress). Das Foto passt zur Situation: Ein Foto mit Grünstich, aufgenommen mit einer Nachtsichtkamera, zeigt einen einsamen Soldaten mit Sturmgewehr in der Rechten in zerknitterter Uniform, unterwegs nach irgendwo. Wir wissen, wohin: nach Hause. Ein erschütterndes Bild – es zeigt Generalmajor Chris Donahue, den letzten Amerikaner, der Afghanistan in Richtung einer C-17-Transportmaschine der US Air Force verlässt. Ohne Zapfenstreich, ohne zeremonielles Einholen des Sternenbanners und vor allem: Ohne Sieg. Am 15. Februar 1989 hatte General Boris Gromow als letzter Soldat der sowjetischen Invasionsarmee Afghanistan über die „Brücke der Freundschaft“ Richtung Usbekistan verlassen. Die Amerikaner haben zwei Jahrzehnte gebraucht, um Afghanistan sang- und klanglos durch die Hintertür zu verlassen, die Sowjets ein Jahrzehnt, mit hohen Opfern: Ausgaben von 85 Milliarden Dollar und 15.000 toten Soldaten. Es waren ironischerweise die Amerikaner, welche damals die Gegner der Sowjets, die Mujahedin, durch die CIA in Pakistan ausgebildet und mit Stinger-Raketen zurück nach Afghanistan geschickt hatten – die Nachkommen der amerikanischen Verbündeten von damals sind zu den Todfeinden von heute geworden. Zwei hochgerüstete Supermächte kapitulieren vor bärtigen Gotteskriegern in Sandalen – aber mit überlegener Kampfmoral.
Geschichte scheint sich manchmal zu wiederholen – ob als Tragödie oder als Farce, wie Marx sagte, bleibe dahingestellt. Die Bilder gleichen sich jedenfalls auffällig: der letzte amerikanische, der letzte Sowjetsoldat. Und beide hinterließen ein weltpolitisches Vakuum: Die Sowjetunion hatte nach ihrem Rückzug aus Afghanistan, dieser „blutenden Wunde“ wie Parteichef Gorbatschow gesagt hatte, einen dramatischen Prestigeverlust bei ihren Verbündeten in der Dritten Welt hinnehmen müssen. Und gedemütigten Amerikaner, einst selbsternannte „Weltpolizisten“, haben nach ihrem überstürzt und chaotisch wirkenden Abzug aus Afghanistan mit einem globalen Vertrauensverlust zu rechnen, der manche Länder, vor allem im asiatischen Raum, in die Arme der skrupellos agierenden Mächte Russland und China treiben könnte.
Im Kalten Krieg gab es die unausgegorene Domino-Theorie, der 58 000 amerikanischen Soldaten geopfert wurden: Fällt Vietnam, dann fällt bald auch Berlin, fällt Westeuropa, hieß es damals. Was dann aber fiel, war die Berliner Mauer – und der Westen glaubte in seiner Euphorie, anstelle des zu Grabe getragenen Kommunismus würden sich jetzt Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft ungehindert über die Welt ausbreiten. Das mag für Osteuropa gelten – nicht aber am Hindukusch. Hier ist die Welle zurück geschwappt; es musste Aufklärung vor Islamismus kapitulieren.