Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wird Robert Francis Prevost, der ein Kompromisskandidat der Kardinäle war, als Papst Leo XIV. den Weg seines Vorgängers Franziskus fortsetzen?
Seit seiner offiziellen Amtseinführung am 11. Mai ist Robert Francis Prevost als Papst Leo XIV. Oberhaupt der Katholischen Kirche und gleichzeitig Chef des Vatikanstaates. Nach nur vier Wahlgängen, einem weniger als bei seinem am Ostermontag, dem 21. April 2025, verstorbenen Vorgänger, Franziskus, war er am 8. Mai 2025 bereits am zweiten Tag des Konklave zum 267. Pontifex der weltweit 1,4 Milliarden Katholiken gewählt worden. Wie Vatikankreise hervorhoben, war es eine große Mehrheit der 133 Kardinäle, die noch nicht 80 Jahre alt und damit wahlberechtigt waren, die für ihn stimmte. Auffällig war, dass aus dem Kreis der Kardinäle noch vor Beginn der Abstimmung von einem kurzen Konklave die Rede war, das ein Zeichen der Einheit der katholischen Kirche setzen werde.
Mit dem 1955 in Chicago geborenen Prevost kommt erstmals ein US-Amerikaner auf den Heiligen Stuhl, der jedoch Eltern mit französisch-spanisch-italienischen und dazu noch kreolischen Wurzeln hat und auch die Staatsbürgerschaft Perus, wo er lange Jahre als Missionar tätig war, besitzt. 2015 ernannte ihn Franziskus zum Bischof von Chiclayo, einer Diözese im Norden des Landes, wo die Bevölkerung seine Wahl stürmisch feierte und seine Aktivitäten gegen die staatliche Repression,gegen Todeskommandos und das Regime des Diktators Alberto Fujimori würdigte. Bischof von Chiclayo war Prevost bis zu seiner Ernennung zum Kardinal 2023. In dieser Zeit habe er sich auch dem ultrakonservativen »Sodalicio de Vida Cristiana« entgegengestellt – einer Organisation aus Laien und Priestern, die über Jahrzehnte jungen Männern sexuelle Gewalt antat und gleichzeitig der bäuerlichen Bevölkerung Tausende Hektar Land raubte. Während viele Bischöfe wegsahen oder gar mit der reaktionären Clique paktierten, habe Prevost den Widerstand der Landbevölkerung gestärkt, Berichte über Missbräuche nach Rom geleitet und schließlich mit dafür gesorgt, dass Papst Franziskus die Organisation eine Woche vor seinem Tod, am 14. April 2025, endgültig auflöste. Vorwürfe des „Netzwerks von Überlebenden, die von Priestern missbraucht wurden“, er habe Fälle nicht konsequent verfolgt, wies Prevost zurück und führte an, dass er 2022 eine kanonische Voruntersuchung wegen Missbrauchsvorwürfen gegen zwei Priester der Diözese Chiclayo eingeleitet und gegenüber der linksliberalen peruanischen Zeitung La República gesagte hatte, „Wenn Sie Opfer von sexuellem Missbrauch durch einen Priester sind, melden Sie es.“ Laut Diözesangaben wurden die Ergebnisse im Juli 2022 an das Dikasterium für die Glaubenslehre weitergeleitet, das – wie die staatlichen Behörden Perus – eine unzureichende Beweislage bemängelte.
Signale der Einheit
Mit dieser Vita gilt Prevost als Kompromisskandidat, mit dem die Wahl eines Widersachers Franziskus‘ verhindert worden sei, wie sie reaktionäre Kreise des Klerus, so in den USA, verfolgten, wo bereits das Pontifikat von Franziskus der Trump-Regierung ein Dorn im Auge war. Der argentinische Papst wurde mit heftiger Kritik überhäuft. Allerdings konnten die USA selbst nur auf zehn Kardinalwahlmänner zählen. Prevost hatte sich vor seiner Wahl von einzelnen Positionen des US-Präsidenten und auch von Äußerungen seines Stellvertreters in der Migrationsfrage distanziert. Zur Wahl hatte ihn Trump dennoch gratuliert. Bei der Amtseinführung ließ er sich dann lieber von seinem Vize JD Vance vertreten.
Die Mehrheit der Kardinäle habe, so Vatikan News, für Prevost gestimmt, um ein Signal der Einheit zu setzen und den Ausbruch kirchenpolitischer Gegensätze zu verhindern. Das Mitteilungsblatt verwies darauf, dass Franziskus ihn 2023 zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe, das dem Papst die Berufung neuer Kardinäle vorschlägt, die seinen Nachfolger wählen, ernannte. Das wurde so gedeutet, dass Franziskus selbst ihm als Nachfolger den Weg bereitete. Dafür könnte für Franziskus eine Rolle gespielt haben, dass Prevost, wie er auch, in bescheidener Lebensweise aufwuchs, in einem unscheinbaren Einfamilienhaus von knapp 70 Quadratmetern im Vorort Dolton bei Chicago, dort seine Kindheit mit seiner Familie verbrachte.
Maßstab Franziskus
Für Prevost‘ Wirken bleibt sein Vorgänger Franziskus für Millionen Gläubige Maßstab seines Handelns. Als Franziskus am 13. März 2013 gewählt wurde, befand sich die katholische Kirche in einer tiefen Krise, in die sie ihre bis dahin erzreaktionärsten Oberhäupter, der Pole Karol Wojtyla alias Johannes Paul II. und sein Nachfolger, der deutsche Ratzingerpapst Benedikt XVI., gestürzt hatten. Jahr für Jahr verließen sie Hunderttausende, allein 2012 waren es in Deutschland rund 118.000. Franziskus gelang es nicht nur, diesen Mitgliederschwund zu stoppen, sondern, wie die Jahreskirchenstatistik des Vatikans mitteilte, 2022 einen Anstieg um ein Prozent zu erreichen, womit ihre Zahl auf 1,406 Milliarden anstieg. Afrika wurde mit einem Zuwachs um drei Prozent auf 273 Millionen der Kontinent aus dem weltweit etwa jeder fünfte Katholik stammt. Im größten Kontinent, in Asien, lebten inzwischen 11 Prozent aller getauften Katholiken. Mehr als drei Viertel allein in Indien und den Philippinen. Damit festigte Franziskus die Stellung der katholische Kirche als größter Religionsgemeinschaft der Welt.
Grundlage dieses Erfolgs war, dass er für Frieden und Völkerverständigung eintrat, zwar am Zölibat festhielt, aber in vielen Fragen mit reaktionären Traditionen brach, so gegenüber Befreiungstheologen Lateinamerikas, er die sozialen Auswüchse des Kapitalismus kritisierte, sich den Ärmsten und von diesem System ausgegrenzten und unterdrückten Menschen widmete, und progressive Zeichen in der großen Politik setzte. Vor allem aber hatte er am 28. September 2013 eine Arbeitsgruppe, offiziell als „Kardinalsrat“, und „ständiges Beratungsorgan“ gebildet, mit dem er, wie der Vatikankenner Marco Politi schrieb, Voraussetzungen schaffen wollte, „das Modell einer absoluten Monarchie zu überwinden und der Kirche eine gemeinschaftliche Struktur zu geben, in der die Episkopate mitentscheiden können, welche Strategien die Kirche in der gegenwärtigen Epoche verfolgen soll und wie der Glaube in der heutigen Gesellschaft gelebt werden kann“.
Während Leo XIV. die Einheit der Kirche – offensichtlich durch Unterordnung der Reformer unter die Konservativen – anstrebt, war davon bei Franziskus so nichts zu hören. Er trat den reaktionärsten Kreisen, so gut es ihm möglich war, entgegen. Zuletzt hatte er dazu am 24. Juni 2024 mit der Ernennung, de Facto Abschiebung, Kardinal Georg Gänseweins zum Apostolischen Nuntius für Litauen, Estland und Lettland nochmals ein Zeichen gesetzt. Zuvor hatte er ihn bereits ohne feste Aufgabe in sein Heimatbistum Freiburg verbannt. Damit drängte Franziskus den Einfluss des klerikalfaschistischen Gotteswerkes Opus Dei, den sein Vorgänger Benedikt gefördert hatte, im Vatikan zurück. Gänsewein, der als führenden Gotteswerker bekannt war, hatte Benedikt als Papst zu seinem Privatsekretär ernannt. (1)
Widersprüche
Auch wenn sich Leo XIV. nach Kräften bemüht, den Eindruck zu vermitteln, dass er am Kurs seines Vorgängers festhalten will, sind Widersprüche, vorerst meist nur in Nuancen, nicht zu übersehen. In seiner ersten Ansprache nach der Wahl zum Papst sagte er den Zehntausenden Gläubigen, die ihn auf dem Petersplatz stürmisch feierten, „der Friede sei mit euch allen!“ Dieser Friedensgruß sollte die Herzen durchdringen, alle Menschen erreichen, alle Völker und die ganze Erde, kommentierte Vatikan News. Er erinnerte an seinen Amtsvorgänger und sagte. „Danke, Papst Franziskus!“ und versicherte, dessen Segen weiterzuführen.
Franziskus bevorzugte meist eine unaufdringliche Art des Auftretens. Die offizielle Amtseinführung Prevost‘ am 11. Mai in einer feierlichen Messe mit 200 Kardinälen, 740 Bischöfen, 30 ökonomischen Delegationen, Zehntausenden Gläubigen und annähernd 2oo ausländischen Gästen machte dagegen den Eindruck eines gut organisierten Spektakels, das zwar demonstrieren sollte, dass der neue Papst an Grundsätzen seines Vorgängers festhalte, während abweichende Nuancen kaum auffielen. Vor dem eigentlichen Gottesdienst war er mit einem weißen Papamobil über den Petersplatz gefahren und hatte ein Bad in der Menge genommen, die ihn mit Rufen „lang lebe der Papst“ begrüßte. Auch in den umliegenden Strassen konnte die Zeremonie auf Großbildleinwänden verfolgt werden. Danach hatte der Papst mit den Oberhäuptern der orthodoxen Kirchen das Petrusgrab unter dem Petersdom besucht. Die päpstlichen Insignien, die Zeichen seiner Amtsausübung, die Franziskus sich dort, wie üblich, hatte überreichen lassen, nahm Leo XIV. demonstrativ erst während der Messe auf dem Domplatz vor den Massen entgegen: das Pallium, eine weiße, mit roten Kreuzen bestickte Stola aus der Wolle eines Schafes, die die Einheit der Kirche und die pastorale Rolle des Papstes als Bischof von Rom symbolisieren soll und vom Papst bei großen Feiern getragen wird. Dann den eigens für ihn neu angefertigten Fischerring, der an den Apostel Petrus, der Fischer war und Menschenfischer genannt wurde, erinnern soll. Jeder Papst hat einen eigenen Fischerring. Der von Franziskus wurde nach seinem Tod zerstört. Ein kaum wahrgenommener Fakt war, dass er sich wieder mit dem traditionellen päpstlichen Gewand mit der roten Mozetta kleidete, das Franziskus abgelegt hatte, weil es eine Hinterlassenschaft Benedikt XVI. war. Das sind keine Nebensächlichkeiten, sondern beruhen auf dem Ritual, das in der katholischen Kirche zur Demonstration von Glanz und Macht eine entscheidende Rolle spielt. (2)
In seiner Predigt in Italienisch hob er einleitend Bescheidenheit hervor und sagte: „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit „Furcht und Zittern zu Euch“, um danach wieder auf sein zentrales Thema, die Einheit der Kirche, zu kommen und die Gläubigen zu bitten, dafür zu wirken. Eine geeinte Kirche, liebe Brüder und Schwestern, ist mein „größter Wunsch“, sagte er, womit er appellierte, Richtungskämpfe innerhalb der katholischen Weltkirche zwischen Reformern und Konservativen zu überwinden. Lassen wir vorerst dahin gestellt, wie das Aussehen und was dabei herauskommen soll. Möglicherweise wollte sich der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella am Einheitsappell des Papstes ein Vorbild nehmen, als er zum 79. Jahrestag der Italienischen Republik am 2. Juni zu „Einheit und Harmonie“ aufrief, also zwischen der Mitte Links-Opposition und der faschistischen Meloni-Regierung.
An seinem Vorgänger knüpfte Leo XIV an, wenn er die Folgen von Kapitalismus und Machtgier geißelte und sagte: „In unserer Zeit erleben wir noch immer zu viel Zwietracht, zu viele Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, dass die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“. Ob er die Forderung, die Franziskus erhoben hatte „Tax the Rich“ aufgreifen wird, ist bisher ebenfalls offen.
Beim genaueren Hinsehen sind weitere Unterschiede zu Franziskus nicht zu übersehen. 2023 äußerte Prevost sich auf der Weltsynode zur Synodalität mit Bezug auf die Frauenordination skeptisch und meinte, dass sie „nicht unbedingt ein Problem löst, sondern vielleicht ein neues Problem schafft“. (3) Franziskus hatte erstmals Frauen zur Synode zugelassen, das Abschlussdokument, „interpretationsoffen“ genannt, die Hoffnung vermittelt, dass Vieles sich dennoch ändern könne, zum Thema Frauendiakonat erklären lassen, dass es „nicht vom Tisch ist“, es weiter diskutiert werde, und dazu jeder Katholik und jede Katholikin Überlegungen und Vorschläge bei zehn synodalen Studiengruppen, die sich mit dem Frauendiakonat und anderen kniffligen Fragen beschäftigen, einreichen könne. Zur Bekräftigung dieses Anliegens sollte die Äbtissin und Gelehrte Hildegard von Bingen, die im 12. Jahrhundert bereits öffentliche predigte, unter anderem im Kölner Dom, mit einem eigenen Gedenktag bedacht werden.
Dem österreichischen Historiker Gerhard Oberkoffler fiel auf, dass von Leo XIV. bisher die Märtyrer der Befreiungstheologie in Lateinamerika, wie der Peruaner Gustavo Gutiérrez, in der Öffentlichkeit übergangen werden. (4) Franziskus hatte den mit Inquistionsdrohungen verfolgten Gutiérrez 2018 anlässlich seines 90. Geburtstages in einem Brief für seinen Beitrag für die Kirche und die Menschheit durch seinen theologischen Dienst und seine vorrangige Liebe zu den Armen und Ausgestoßenen der Gesellschaft gedankt. Den führenden Befreiungstheologen, den von faschistischen Todesschwadronen im März 1980 ermordeten Erzbischof von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero, der offen den bewaffneten Kampf der Befreiungsbewegung Farabundo Marti unterstützte, hatte er 2015 selig und 2011 heilig gesprochen.
Oder wenn in der großen Politik Franziskus die Wiedereingliederung der Krim in Russland per Referendum, wie auch den Angriff auf die Ukraine nie verurteilt hat, Leo XIV. dagegen von der russischen Invasion der Ukraine sprach und sie eine „echte Invasion“ nannte, die imperialistischer Natur ist und bei der Russland versucht, aus Machtgründen Territorium zu erobern“ (5) Zu Israels Völkermord in Gaza beschränkte er sich bisher darauf, einen Waffenstillstand zu fordern.
Dazwischen nutzt er jede sich bietende Gelegenheit, die Verbindung mit dem einfachen Volk, oder Offenheit zu demonstrieren. So bestand er zu einer Audienz am 24. Mai darauf, dass auch Familienangehörige mitkommen und jeder eingeladen wurde, der im Vatikan arbeitet. Vom Kardinal bis zur Reinigungskraft kamen gut 5000 Menschen zusammen, mit denen er scherzte, „Päpste kommen und gehen, die Kurie aber bleibt“. Vorher hatte er die von seinem Vorgänger abgeschaffte „Konklave Prämie“ zur Papst-Wahl wieder eingeführt. Alle Vatikan-Angestellten erhielten einen Bonus von 500 Euro. Bei einer Audienz für Journalisten rief er zu einer am Frieden orientierten Berichterstattung auf und versicherte Journalisten, „die wegen ihrer Suche nach der Wahrheit und ihrer Berichterstattung im Gefängnis“ saßen, der Solidarität der Kirche und forderte ihre Freilassung.
Versöhnung mit den Juden
Bemerkenswert war, dass an der Amtseinführung Vertreter der Ostkirchen, wie der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. teilnahmen. Auch der Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Di Segni, kam mit 15 jüdischen Vertretern. Ihm hatte der neue Papst ausdrücklich die Wahrung der Beschlüsse des zweiten vatikanischen Konzils über die Zusammenarbeit mit dem jüdischen Volk im Geiste der Erklärung Nostra Aetate in einer Botschaft mitgeteilt, womit er auf Distanz zu seinem Vor-Vorgänger, Benedikt XVI., ging, der diese Beschlüsse abgelehnt hatte.
Dem steht entgegen, dass er am 30. Mai während eines Besuchs in der päpstlichen Resistenz Castel Gandolfo am Kryptoportikus, den archäologischen Überresten der Audienzhalle des Kaisers Domitian Halt machte, und sagte, er wolle an das mutige Handeln von Papst Pius XII. erinnern, der 1944 im Zweiten Weltkrieg über 12.000 Menschen vor der Bombardierung in den Castelli Romani Zuflucht gewährt habe. Das wirft die Frage auf, ob Leo XIV sich tatsächlich der von reaktionären Kreisen des Vatikans mit Benedikt XVI. an der Spitze betriebenen, bisher ergebnislosen, Seligsprechung, der Vorstufe der Heiligsprechung, Pius XII. widmen will. Dieser schloss als Kardinalstaatssekretär Pacelli von Pius XI. 1933 das Reichskonkordat mit Hitler ab, feierte als Papst im März 1939 den Sieg der Franco-Faschisten als eines „uneinnehmbaren Bollwerkes des katholischen Glaubens“, wollte nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 das faschistische Regime erhalten, ließ nach 1945 die Flucht zehntausender faschistischer Massenmörder nach Südamerika organisieren und förderte das Wiedererstehen des Faschismus in Italien. Schwere Vorwürfe sind, dass Pius XII. beschuldigt wird, die ihm von dem Nuntius Roncali in Istanbul, dem späteren Papst Johannes XXIII., 1944 übermittelten Informationen über „die Gräuel in Auschwitz“, die von zwei Juden stammten, die im April 1944 aus Auschwitz fliehen konnten, und später als „Protokolle von Auschwitz“ bekannt wurden, ignoriert zu haben. (6) Der bereits zitierte Gerhard Oberkoffller sagte, man könne nur hoffen, dass das Verhalten von Pius XII. vom neuen Papst Leo XIV. nicht zum Vorbild genommen wird, wenn es um den, entsetzlichen Völkermord von Israel am palästinensischen Volk geht, den Papst Franziskus wiederholt eindeutig und scharf als satanisch verurteilt hat. Leo XIV. sollte, mahnte der Österreicher, die intellektuelle Verantwortung seines US-amerikanischen Landsmannes Noam Chomsky aufgreifen, der wiederholt dargestellt hat, wie die israelischen Truppen den Gazastreifen, wo die Hamas 2006 in freien Wahlen die parlamentarische Mehrheit erhalten hat, als Konzentrationslager unter ihrer aggressiven und mörderischen Kontrolle eingezäunt haben. Israel wolle keine Zweistaatenlösung, sondern die Vernichtung Palästinas.
Es kann aber auch so sein, dass zwischen dem Bekenntnis zu Nostra Aetate und der lobenden Erwähnung Pius XII. ein Zusammenhang dergestalt besteht, dass Leo XIV. erreichen möchte, dass Israels Juden, die bisher eine von Vatikankreisen verfolgte Würdigung Pius XII, an der Gedenkmauer Yad Vashem in Jerusalem ablehnen, während sie Johannes XXXIII. gewährt wird, diese Haltung aufgeben und damit einer Seligsprechung der Weg freigemacht wird.
Zur Wahl seines Namens, die auf Leo XIII. ( Papst 1878-1903) zurückgeht, der ein Gegner der marxistischen Arbeiterbewegung war, versicherte Prevost, ihm gehe es um „soziale Gerechtigkeit, technologische Verantwortung und eine Kirche, die Hoffnung spendet in einer Welt im Wandel“. Dafür soll wohl die in seiner Predigt nach der Amtseinführung geübte Kapitalismuskritik stehen.
Natürlich ist bei aller Kapitalismuskritik derzeit nicht zu erwarten, dass ein Papst die Herrschaft des Kapitals beseitigen und eine von Ausbeutung befreite Gesellschaft fördern will. Selbst Johannes XXIII., in dem Franziskus sein Leitbild sah, thematisierte mit seiner Enzyklika „mater et magistra“ (Mutter und Lehrmeisterin), nur Fragen von „Christentum und sozialen Fortschritt“ und wollte eine vorsichtige Reform einiger überholter Leitsätze der von Leo XIII. erlassenen katholischen Soziallehre einleiten, welche die „unerbittliche Hütung des Privateigentums“ postuliert hatte. Natürlich trat er nicht für dessen Beseitigung ein, setzte aber neue Akzente. Seine Enzyklika ging auf die Ärmsten in den Industrienationen ebenso wie auf die noch Ärmeren in den Entwicklungsländern und in den noch bestehenden Kolonien ein. Er erwähnte ihren Bedarf an Grundgütern, aber auch ihre Menschenwürde und forderte soziale Gerechtigkeit, die er als Teilnahme aller Menschen am Wohlstand definierte. Giovanni Ventitre sprach vom Recht auf Privateigentum im Zusammenhang mit dem Recht auf Mitbestimmung am Arbeitsplatz und den Problemen der „Vergesellschaftung“. Er gebrauchte den Begriff der „Sozialisation“ und nannte ihn „Ausdruck eines sozusagen unwiderstehlichen Strebens der menschlichen Natur; des Strebens, sich mit anderen zusammenzutun, wenn es darum geht, Güter zu erlangen, die von den einzelnen begehrt werden, jedoch die Möglichkeiten und Mittel des einzelnen überschreiten“. Das waren natürlich lediglich reformistische Gedanken, die aber die meisten sozialdemokratischen Parteien zu dieser Zeit aufgegeben hatten. Und dieser Zustand hat sich heute eher noch verschlimmert.
Leo XIV. könnte sich diesen Fragen möglicherweise annähern, dass er diese Höhen, auf denen Johannes XXIII. wandelte, und die auch ein Ziel von Franziskus waren, erklimmen wird, ist eher unwahrscheinlich.
Anmerkungen:
(1) Hubertus Mynarek: Die neue Inquisition, Matktheidenfeld 1999, Ders. Casanovas in Schwarz, Essen 2001.
(2) Ratzinger und das biologische Wunder der Kirche, Hubertus Mynarek in ND, 15./16. April 2006.
(3) Catholik News Agency (CNA), 27. Okt. 2024.
(4) Wiener Zeitung der Arbeit 1. Juni 2025.
(5) CBS News, 10. Mai 2024.
(6) Historia y Vida (spanische Zeitschrift) Nr.467, 2007.











