Gesehen hatten die vielen Fans der Eisbären in dieser Saison vor allem einen leichten Trend zur Stärkung der Defensive, zum Ranrobben an die Besseren und nach oben in der Tabelle, doch nach den letzten beiden schwachen Heimspielen glaubten viele Fans und Journalisten wieder an ein Dasein zwischen Baum und Borke.
Der Schwerpunkt der Arbeit des Trainerteams wurde in den letzten Monaten offensichtlich auf das Abwehrverhalten im Allgemeinen gelegt. Dazu trugen zudem die Neuzugängen Bruno Gervais und Micki DuPont bei, die nicht nur für mehr Stabilität sorgten, sondern gleichzeitig Torgefahr von der blauen Linie ausstrahlten. Doch zum Hui gesellte sich immer wieder Pfui.
An diesem Freitagabend war das bisher besten Hui zu sehen. Und was für eines!
Das Spiel lief bereits, als immer noch Zuschauer in die Halle strömten. 14.200 Besucher sollten es am Ende des denkwürdigen Abends werden und alle, auch die, die spät hinein kamen, wurden reichlich beschenkt.
Die Gäste aus Mannheim, die von ein paar Dutzend Fans angefeuert wurden, mussten zu Beginn zwei Strafzeiten überstehen. Brandon Yip und Nikolai Goc wurden von den Hauptschiedsrichtern Erich Daniels und Danile Piechaczek auf die Strafbank geschickt. Eine Strafzeit in der Folge für Henry Hase überstanden die Berliner unbeschadet (10.). Kaum waren die Hauptstädter vollzählig, gerieten die Mannheimer in Unterzahl. Jamie Taardif holte sich zwei Strafminuten ab (10.)
Danach und vollzählig zeigte der amtierende Meister und Tabellenführer seine Klasse. Sinan Akdag spielte den Puck auf Kai Hospelt, der einfach von der blauen Linie abzog. Sein gewaltiger Schuss wurde von Markus Klink, der vor dem Berliner Torhüter Petri Vehanen stand, goldrichtig abgefälscht. Tor und Führung für die Adler (13.).
„Kämpfen und siegen“, forderten die Fans in der Stehplatzkurve.
Nachdem Vehanen einen gefährlichen Torschuss abwehrte, wurde Mathieu Carle wegen hohen Stocks vom Eis auf die Strafbank geschickt. Gegen die erneut dezimierten die Gäste kam DuPont an der blauen Linie ungestört zum Schuss. Er hatte freie Sicht und Schussbahn sowie Erfolg. Der Puck landete zum 1:1-Ausgleich im Tor (18.).
Im zweiten Drittel spielten sich die Berliner in einen Festtagsrausch. Kaum aus der Kabine holte sich Petr Pohl die Scheibe und schoss ein (21.). Die Führung für den Rekordmeister wärte wenige Augenblicke. Martin Buchwieser buchsierte das kleine Schwarze über die Schoner von Vehanen ins Tor (21.). 2:2, erneut Ausgleich.
Es ging Schlag auf Schlag. Die Scheibe knallte an den Pfosten (22.) und ins Tor (24.), doch dieser Treffer von Pohl wurde nicht gegeben. Die Gemüter gerieten in Wallungen. „Das Tor wurde nicht gegeben“, verkündete der Hallensprecher, „weil vorher abgepfiffen war“. Wen man auch fragte, niemand hatte einen Pfiff gehört. Dass die Schiedsrichter den Treffer des Tschechen nicht gaben, das ist jedoch richtig. Pohl war zwar sehr sauer, aber anschließend umso engagierter.
Die Gemüter der Gäste überhitzen, weil die Berliner immer wieder wieselflink durch deren Abwehrreihen liefen und vor allem nachsetzten. Wegen übertriebener Härte musste Daniel Richmond zwei Strafminuten plus zehn auf die Strafbank (24.). Pohl krönte seine Leistung wenig später, flitze auf dem rechten Flügel auf Adler-Torhüter Dennis Endras zu, zögerte anfangs und zog im richtigen Moment ab. Ein tolles Tor, ein hoch verdientes Tor für die Eisbären (27.). Jetzt schnurrte der Dynamo. Mannheims Hintermannschaft schwamm. Und wieder: Tor für die Eisbären. Sven Ziegler erzielte Sekunden später das 4:2 (27.). Für Ziegler war das der vierte Treffer in dieser Saison. Das Eigengewächs (Eisbären Juniors Berlin und FASS Berlin) gedeiht und scheint aufzublühen.
Die körperbetont agierenden Adler wehrten sich mit den falschen Mitteln. Dass Sinan Akdag für zwei Strafminuten wegen Behinderung vom Eis musste (30.), das wunderte wenig. Man hätte an diesem Abend noch viel öfter Adler vom Eis stellen können. Das Überzahlspiel blieb folgenlos.
Der Sturzflug der Adler ging weiter. Pohl hämmerte wieder auf das Gästetor. Den Nachschuss von Spencer Machacek konnte Endras nicht halten (34.). Adler-Trainer Gregory Ireland hatte ein Einsehen, erlöste Endras und schickte Youri Ziffzer aufs Eis. Wenig später schickten die Schiedsrichter Barry Tallackson auf die Strafbank. Doch Vehanen hielt, was zu halten war. Ziffzer nicht. Mark Olver krönte seine gute Leistung und die seiner Kameraden in diesem denkwürdigen zweiten Drittel. Er traf zum 6:2-Endstand (40.).
Das letzte Drittel spielten beide Mannschaften zwar zu Ende, aber mehr als ein Schaulaufen der Berliner, eigenartigerweise ohne Treffer, wurde das Schlussdrittel nicht.
Der alte Eisbär Steve Walker, der als Co-Trainer der Gäste nach langer Zeit mal wieder in Berlin war, musste mit ansehen, wie seine Adler gerupft wurden und seine Eisbären spielten, wie zu besten Zeiten (jedenfalls im starken Mitteldrittel) und die Zuschauer gut gelaunt eine prächtige Stimmung verbreiteten. War das schön!
Der 6:2-Erfolg der Berliner hatte viele Väter, angefangen bei Vehanen bis hin zum zweifachen Torschützen Pohl.
Doch Vorsicht: das Ergebnis täuscht. Die Gäste verbrachten „ein ganzes Drittel“ auf der Strafbank, wie Ireland auf der anschließenden Pressekonferenz beim Versucht, das Desaster zu erklären, erwähnte. Hui wie selten zuvor spielten die Eisbären am oberen Limit, die Adler gerieten durch ständige Strafzeiten in einen Abwärtsstrudel.
Der Absturz der Adler war sicherlich eine Ausnahme, doch der Meister aus Mannheim wird auch in dieser Saison ein Lieblingsgegner der Berliner bleiben.