Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Lasst doch mal die Gäste singen“, sangen die Fans der Berliner Eisbären auf den billigen Plätzen, genauer: den Stehplätzen. Zwar zeigten die Adler aus Mannheim noch einmal, was sie in der DEL können, doch das reichte am Sonntagabend bei weitem nicht. Den Fans der Mannheimer war nicht nach Singen zumuten. Die Abwehr der Adler agierte phasenweise am Rande der Arbeitsverweigerung.
Das erste Drittel
Dabei begannen die Gäste in der hohen Halle an der Spree zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke gut. Energisch und körperbetont spielte die von Sean Simpson trainierte Mannschaft aus Mannheim auf Sieg. Vom Rande des rechten Bullykreises ballerte Chad Kolarik aufs von Petri Vehanen gehütete Eisbären-Tor und traf (6.). Vehanen war scheinbar die Sicht versperrt.
Im Gegenzug ein Foul an Danny Richmond beim Torschuß (6.). Die Schiedsrichter Benjamin Hoppe und Gordon Schukies, die früh einen ihrer beiden Linienschiedsrichter wegen einer Verletzung verloren, pfiffen Strafstoß. Richmond trat an und traf den linken Pfosten.
Erneut sahen 10.861 Zuschauer, die Zahl verkündete der Hallensprecher im letzten Drittel, einen bärenstarken Angriff der Berliner. Daniel Fischbuch lief vor des Gegners Kasten, passte zu Mark Olver, doch der deutsch-kanadische Eishockeyspieler rutsche mit dem Puck am Tor vorbei (8.). Das war wieder knapp.
Bald darauf zeigte Sean Backman mit einer paßgenauen Hereingabe des Pucks von der rechten Bande vor die Füße von James Sheppard sein Können. Letzterer stand dem in nichts nach und traf aus kurzer Distanz zum 1:1-Ausgleich (9.).
Als ein Mannheimer zwei Strafminuten wegen Behinderung bekam (11.), die er auf der Strafbank absaß, klingelte es erneut im Kasten hinter Adler-Torwart Dennis Endras, der wahrlich gute Leistungen zeigte, in vielen 1:1-Situationen die Nerven behielt und den Puck abwehrte oder mit der Fanghang hielt. Bei einem sehenswerten Überzahlspiel gab Nick Petersen auf Backman, der zur verdienten 2:1-Führung für die Hausherren traf (12.).
Mit einem Mal lag Adler-Stürmer Kolarik am Rande des Berliner Drittels auf dem Eis. Der Torschütze zum 1:0 für Mannheim musste verletzt runter und ging gleich in die Kabine (13.).
Mit sehenswerten Angriffen der Berliner, über Martin Buchwieser und Jamie MacQueen (18.) sowie Chancen für Adler und Eisbären (20.) ging ein gutes Drittel zu Ende.
Das zweite Drittel
Das Mitteldrittel wurde ebenso konzentriert geführt und zwar auf beiden Seiten. Als Sheppard zwei Strafminuten wegen Beinstellens zuschauen musste, sah er drei Großchancen der Gäste, aber kein Tor. Die Berliner überstanden diese Druck- und Drangphase der Adler, die auch nach dem Powerplay nicht endete.
Dann gingen die Schiedsrichter vom Eis (31). Sie brauchten für einen Videobeweis gut und gerne zehn, zwölf Minuten und entschieden: kein Tor für die Adler. Allerdings hätte sich niemand beschweren dürfen, wenn das Tor gegeben worden wäre. Das war wirklich hauchdünn. Der Hallensprecher erklärte, dass „das Tor nicht gegeben werden“ konnte, „weil der Puck nicht in vollem Umfang die Linie überquert“ habe. Aus Adler-Sicht lag das daran, dass die kaputte Polsterung des Berliner Tores die Schuld trug und der Treffer deswegen hätte zählen müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Wieder Mann gegen Mann. Backman holte sich den Puck an der Mittellinie und lief auf Endras zu (36.). Und wieder kein Treffer. Wahnsinn. Da stand ein Hexer im Tor.
Kurz darauf traf Olver nur die Latte. Und die Zuschauer, die ob der Chancen schier verzweifelten, sahen noch eine Möglichkeit der Eisbären, die Führung auszubauen.
Als Petri Vehanen zwei Strafminuten wegen Beinstellens erhielt (34.), die Charlie Jahnke hinnahm, retteten sich die Hausherren in die Pause.
Bei den Torschüssen führten die Adler mit 31:25. Allerdings gewannen die Eisbären mit 16:13 mehr Bullys.
Das dritte Drittel
bot beste Unterhaltung im Minutentakt. Nur wenige durften ihr Kommen bereut haben. Kurz nach Wiederanpfiff überwand Backman Endras (42.).
Kurz darauf erzielte Phil Hingerecker den Anschlusstreffer (43.).
Und noch ein Strafstoß für die Eisbären. Erst wurde Petersen vor dem Tor von Endras gelegt, dann trat er zum Penalty an und überwand den Mannheimer Torhüter mit einem satten Schuss (44.).
Fischbuch holte sich zwei Strafminuten wegen Bandenchecks (47.), doch die Abwehr der Eisbären hielt in Unterzahl den Adler-Angriffen erneut stand.
Kaum waren die Reihen der Eisbären wieder geschlossen, fuhren die Berliner wie ein heißes Messer durch die kalte Mannheimer Butter. Abwehrarbeit vor dem Adler-Tor fand nicht mehr statt. Petersen erhöhte auf 5:2 (49.). Schützenfest an der Spree.
Erneut wanderte das kleine Schwarze im Zickzack durch das Drittel der Gäste und klingelte im Kasten. Tor für die Eisbären (52.). Das 6:2 erzielte MacQueen nach Vorarbeit von Buchwieser und Olver.
Nach dieser erneut sehenswerten Stafette der Berliner wurden Dynamo-Rufe laut. Viele Fans erinnerte die Gäste ans „5 zu 6, damals im Finale“ und riefen: „Lasst doch mal die Gäste singen.“
Das taten sie. Matthias Plachta verkürzte auf 3:6 (56.).
Zuvor allerdings verhinderte Endras weitere Berliner Treffer. Die Eisbären kamen im Minutentakt zu Großchancen (53., 54. und so weiter).
Nach dem Spiel
freuten sich alle Eisbären über den 6:3-Sieg, doch die Effizienz war wenig vielversprechend angesichts der vielen und vor allem der großen Berliner Torchancen.
Eisbären-Cheftrainer Uwe Krupp zeigte sich auf der anschließenden Pressekonferenz auf Nachfrage über drei Gegentreffer verärgert. Zwei Gegentore hätte er anscheinend verknusen können, aber drei seien einer zu viel.
Was aber sollte Adler-Cheftrainer Simpson sagen? Seine Wahl fiel auf Gold. Er schwieg.
Anmerkung:
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. In einer mit heißer Nadel während des Spiels gestrickten unkorrigierten Fassung war vom Sehen statt vom Singen die Rede. Das aber sangen die Eisbären-Fans nicht. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.