Berlin, Deutschland (Weltexpress). In vielen Aspekten ist das, was derzeit zu USAID bekannt wird und was mit dieser Institution geschieht, die Wiederholung einer Entwicklung, die es vor fünfzig Jahren schon einmal gab. Weshalb es hilfreich ist, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen.
Die Spottdrossel heißt auf Englisch Mockingbird, und Operation Mockingbird ist eine Bezeichnung, die sich, wenn auch erst über ein Jahrzehnt nach Beginn der großen Enthüllungswelle, für die Zusammenarbeit der CIA mit Medien eingebürgert hat. Wobei „Zusammenarbeit“ für die Medien innerhalb der USA selbst stets an der Grenze zur Steuerung stand; und für Medien außerhalb der USA immer externe Kontrolle bedeutete.
Ein Teil, aber eben nur ein Teil wurde von Carl Bernstein, einem der beiden berühmten Watergate-Journalisten, 1977 in einem Artikel für das Magazin Rolling Stone unter dem Titel „Die CIA und die Medien“ beschrieben. Übrigens ist genau diese Veröffentlichung ein Beispiel für die Ambivalenz dieser Enthüllungen – die britische Historikerin Deborah Davis beschäftigte sich in ihrem Buch „Katherine the Great“ über die Herausgeberin der Washington Post, Katherine Graham, ausführlich mit den Beziehungen zwischen ebendieser Zeitung und der CIA. Auch die Watergate-Enthüllungen durch Bob Woodward und Bernstein verortet sie in diesem Umfeld.
Das erinnert an das eigenartige Gefühl, das einen beschleichen kann, wenn die heutigen Enthüllungen über USAID, unbestritten ein zentraler Baustein der US-Hegemonialpolitik, aus einem Personenkreis heraus geschehen, der in Teilen, wie im Falle des Palantir-Gründers Peter Thiel, selbst dem Tiefen Staat angehört. Aber es gibt eine tiefe innere Übereinstimmung, nicht nur in dem Zustand, der der heutigen wie der Enthüllungswelle der Siebziger des vergangenen Jahrhunderts vorausgeht, sondern auch in den Notwendigkeiten, die derartige Enthüllungen auslösen.
Als Ende der 1960er, Anfang der 1970er reihenweise diverse Skandale rund um die CIA und die US-Außenpolitik öffentlich wurden, angefangen mit den berühmten Pentagon-Papers, befanden sich die Vereinigten Staaten in einer politisch sehr schwierigen Situation. Die Niederlage im Vietnamkrieg war absehbar; in dem Land gab es eine riesige Protestbewegung; die Kosten dieses Krieges machten sich ebenso bemerkbar wie das Ende der industriellen Expansion nach dem Zweiten Weltkrieg, und die Rüstungskosten des Kalten Krieges stiegen bedrohlich. Der Putsch in Chile 1973 war zwar gelungen, aber viel zu durchschaubar – im Grunde wusste jeder weltweit, wer ihn betrieben hatte. Aus dieser Zeit stammt der alte Witz mit der Frage, warum es in den USA keinen Militärputsch geben könne – weil dort keine US-Botschaft steht.
Nach dem Einstieg mit den Pentagon-Papers, die belegten, wie die US-Regierung schrittweise den Krieg in Vietnam von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich übernommen und die Öffentlichkeit darüber getäuscht hatte, folgten dann Watergate und das Church Committee, ein Untersuchungsausschuss des US-Parlaments zu den Aktivitäten der CIA. Gleichzeitig wurden dadurch auch alte Geschichten reaktiviert, wie die Ereignisse der McCarthy-Ära, die im 1976 erschienenen Film „Der Strohmann“ thematisiert wurden. Eigentlich logisch, denn McCarthy und der Ausschuss für unamerikanische Umtriebe waren der Anfang einer Phase, die mit den Pentagon-Papers und allem, was danach folgte, zu Ende ging.
Die 1947 gegründete CIA war bereits ein Produkt des Kalten Krieges, also der Wende der Vereinigten Staaten gegen den Verbündeten im Zweiten Weltkrieg, die Sowjetunion. Sie wurde von vorneherein von Personen dominiert, die bereits während des Krieges heimlich Beziehungen zu Vertretern der Naziherrschaft hatten, wie Allen Dulles, der ab 1953 den Geheimdienst leiten sollte: Seine Aktivitäten sind in David Talbots „Das Schachbrett des Teufels“ genauestens beschrieben, von der Befreiung des SS-Generals Karl Wolff über die Übernahme des ganzen Netzes von Kollaborateuren, das sich die Nazis aufgebaut hatten, bis zu deren Import in die Vereinigten Staaten.
„Die Gründung der CIA“, so die britische Historikerin Frances Stonor Saunders in „Wer die Zeche zahlt“, einem Buch über den Kalten Krieg in der Kultur, „markierte eine dramatische Überarbeitung der traditionellen Grundsätze amerikanischer Politik. Die Begriffe, unter denen sie errichtet wurden, machten die Konzepte der ’notwendigen Lüge‘ und der ‚glaubwürdigen Abstreitbarkeit‘ zur Norm legitimer Strategie in Friedenszeiten, und erzeugten auf lange Sicht eine unsichtbare Schicht der Regierung, deren Missbrauchspotential, im In- wie Ausland, durch keinen Sinn von Rechenschaftspflicht begrenzt wurde.“
Betrachtet man den McCarthy-Ausschuss funktional, so diente er dazu, den propagandistischen Apparat der USA, Hollywood eingeschlossen, durch einen erzwungenen Personalwechsel an den neuen Kurs anzupassen. Angetrieben wurde er vor allem vom FBI, das bereits während des Krieges eifrigst Informationen über die Hollywood-Linke gesammelt hatte. Parallel dazu baute die CIA weitreichende Einflussorganisationen auf. Saunders schrieb dazu: „Das Kernstück dieser verdeckten Kampagne war der Kongress für Kulturelle Freiheit, der von 1950 bis 1967 vom CIA-Agenten Michael Josselson geführt wurde. Seine Erfolge – nicht zuletzt seine Haltbarkeit – waren beeindruckend. Auf seinem Höhepunkt besaß der Kongress für Kulturelle Freiheit Büros in fünfunddreißig Ländern, beschäftigte Dutzende Angestellte, veröffentlichte mehr als zwanzig angesehene Magazine, führte Kunstausstellungen durch, besaß eine Nachrichten- und Dokumentaragentur, organisierte hochklassige internationale Konferenzen und belohnte Musiker und Künstler mit Preisen und öffentlichen Aufführungen.“
Gleichzeitig wurden direkt Presseorgane im Ausland mitfinanziert und Mitarbeiter unmittelbar angeworben. Frank Wisner, von 1950 bis kurz vor seinem Tod stellvertretender CIA-Direktor und hauptverantwortlich für die „schwarzen“ Operationen, prahlte nach Bernstein gern mit seinem „mächtigen Wurlitzer“ [ein Wurlitzer ist eine Musikbox, ein Automat, der in Gaststätten auf Wunsch und gegen Bezahlung Schallplatten abspielte], „ein wundersames Propagandainstrument, das er gebaut hatte und mithilfe der Presse spielte“.
Journalisten waren auf vielfache Weise interessant. Die ausländischen halfen, die amerikanische Propaganda zu verbreiten, Nachrichtenagenturen und Zeitungen verschafften CIA-Agenten regelmäßig die nötige Legende; die echten Auslandskorrespondenten der eigenen Medien dienten vielfach als nebenberufliche Agenten, und sorgten gleichzeitig dafür, dass der Dienst bestens vernetzt war.
„Da waren diese Kerle von der CIA, wedelten mit ihren Ausweisen und sahen aus, als gehörten sie in den Club in Yale“, zitiert Bernstein einen ehemaligen Zeitungskorrespondenten. Wie die Reisenden bei der Rückkehr noch am Schiff abgefangen wurden, „wurde so sehr Routine, dass man sich ein wenig zurückgesetzt fühlte, wenn man nicht gefragt wurde“.
Auch der Marshall-Plan war eines der Vehikel, mit denen Einfluss ausgeübt wurde. 1950 erhielt der Westberliner Bundestagsabgeordnete Willy Brandt 200.000 Mark, um seine Fraktion in der SPD zu stärken, die sich für die Westanbindung einsetzte – was in der SPD damals noch umstritten war. Später wurde das Ostbüro der Westberliner SPD eines der entscheidenden Spionagezentren im Kalten Krieg. Geld nicht unmittelbar von der CIA, aber …
Noch einmal Bernstein: „In den 1950ern und 1960ern wurden Journalisten als Vermittler – zum Erspähen, Bezahlen und zur Übergabe von Anweisungen – zu Mitgliedern der Christlich-Demokratischen Partei in Italien und der Sozialdemokraten in Deutschland eingesetzt, die beide verdeckt Millionen Dollar von der CIA erhielten.“
Die Beeinflussung von Medien und Kultur war also nur ein Teil der Einflussmaßnahmen, die in den westeuropäischen Ländern in der Regel weit besser verdeckt stattfanden als in den Ländern Lateinamerikas oder Asiens. Aber dieser Einfluss reichte weit genug, dass man hinter den dominanten Strömungen der westlichen Nachkriegsmoderne in Europa vielfach auf die Strukturen der CIA trifft. So war Heinrich Böll, der später zum Namensgeber der Parteistiftung der Grünen werden sollte, wissentlich oder unwissentlich im Auftrag der CIA tätig (was angesichts des heutigen Kurses dieser Partei durchaus einen tieferen Sinn ergibt).
Doch diese Tätigkeit blieb nicht auf das Ausland beschränkt, sondern wirkte zurück auf die Vereinigten Staaten selber, obwohl es der CIA eigentlich untersagt ist, im Inland tätig zu sein. Ein Bericht der New York Times (selbst schon damals notorisch auf der Liste der beeinflussten Organe) aus dem Jahr 1976 zitiert einen Journalisten, der beschreibt, wie das funktionierte: „Du platzierst eine Geschichte beispielsweise in Bangkok, in einer kleinen Zeitung, vielleicht einer, die von der CIA unterstützt wird, und sie wird von einem größeren Blatt aufgegriffen, und dann, womöglich, von einer ausländischen Nachrichtenagentur, oder Paris Match. Im nächsten Schritt sieht man dann, wie sie von Reuters oder einer amerikanischen Nachrichtenagentur aufgegriffen wird und in die Vereinigten Staaten zurückkommt.“
Das entspricht dem Kreislauf, der zuletzt besonders ausgeprägt zwischen der USAID-finanzierten „freien ukrainischen Presse“ und US-Medien bestand.
Dieser Kreislauf hatte allerdings Folgen, die unmittelbar an der Entstehung der Krise der 1970er beteiligt waren. So beschreibt das Deborah Davis in ihrer Geschichte der Washington Post: „Die Amerikaner fingen an zu lesen, dass Ho Chi Minh Vietnam übernehmen wolle, dass er von China gelenkt würde, dass die Vereinigten Staaten dem demokratischen Diệm zu Hilfe gekommen seien, dass wir, wenn wir schon Ho nicht loswerden, zumindest China eindämmen könnten. Zu der Zeit, als Joe Kennedys Sohn John zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, waren die Propagandamythen über Vietnam schon die allgemein gehandelte Wahrheit geworden; die Lügen, die als politische Werkzeuge gedient hatten, um alte Rechnungen zu begleichen, um einen geschätzten Diktator zu fördern, waren zur Grundlage militärischer Handlungen geworden.“
Die schwarze Bürgerrechtsbewegung und der Widerstand, der sich gegen den Vietnamkrieg entwickelte, führten schließlich dazu, dass auch die CIA sich an Postüberwachungen, dem Abhören von Telefonen und ähnlichen Handlungen beteiligte.
Im Jahr 1975 legte die CIA dem US-Kongress eine Zusammenstellung von von ihr selbst für rechtlich fragwürdig gehaltenen Handlungen vor, die als die „Familienjuwelen“ bekannt sind [im Amerikanischen ein Begriff für die männlichen Geschlechtsorgane], und die 2007 endgültig öffentlich wurden. Dort findet sich unter der Dokumentnummer 141843 aus dem Jahr 1973 Folgendes: „Über viele Jahre hinweg hat die CIA Beschäftigte ins unmittelbare Büro des Weißen Hauses und in eng mit dem Büro des Präsidenten verbundene Einrichtungen geschickt, wie das Council on International Economic Policy und die Gruppe der außenpolitischen Berater des Präsidenten. Wir haben Sekretärinnen gestellt, Büroangestellte und bestimmte Fachleute, gegen Erstattung und ohne.“
Diese fürsorgliche Betreuung der eigenen Regierung reichte bis zu den Kellnern bei internationalen Empfängen. Es hatten sich also nicht nur die Propagandaerzählungen der CIA zur Grundlage der Politik verwandelt, selbst der amtierende Präsident konnte sich in seinem eigenen Büro kaum noch dem Blick der CIA entziehen – die immerhin für Auslandsaufklärung zuständig ist.
Was dann im Verlauf der 1970er geschah, war im Ergebnis also nicht nur Brennstoff für die innere Opposition, es entsprach auch einer inneren Notwendigkeit des Apparats selbst – die eingeheimsten Niederlagen wie in Vietnam waren ein deutliches Signal, dass der alte Kurs nicht mehr funktionierte (in der Debatte über die Gründung des National Endowment for Democracy 1983 wurde im US-Kongress klar benannt, dass niemand mehr offen Geld von der CIA annehmen wollte). Viele der verdeckten Strukturen, wie der Kongress für Kulturelle Freiheit, waren verbrannt. Gleichzeitig war es unverzichtbar, die Kosten des Kalten Krieges zu verringern; aber wie nach dem Zweiten Weltkrieg waren größere Teile des vorhandenen Apparats nicht tauglich für den geänderten Kurs.
Es dauerte einige Jahre, bis schließlich die „modernere“ Variante der grundlegenden Propagandaerzählung und neue verdeckte Instrumente geschaffen worden waren – die nun, in Gestalt von USAID, NED und anderen Teilen des Tiefen Staats, abermals an dem Punkt angekommen sind, an dem sie wie Würgfeigen entweder abgeholzt werden oder ihren Wirt ersticken.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde unter dem Titel „Wer schützt da beim Verfassungsschutz? Ein Blick in ein geistiges Vakuum“ am 14.2.2025 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
Siehe auch die Beiträge
- Wie die Washingtoner Behörde USAID die Welt regierte von Dr. Wolfgang Schacht
- Trumps Zerschlagung von USAID verspricht historischen Wandel in US-Außenpolitik von Rainer Rupp
- Trump, Musk und andere machen Nägel mit Köpfen in Washington, D.C. – Ein „Schlangennest“ weniger oder Die USAID muß „abgeschaltet“ werden von Paul Puma
im WELTEXPRESS.
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