Udo sitzt im Hotelzimmer und spielt. Seine Freundin Ingeborg brezelt irgendwo da draußen unter der spanischen Sonne. Ein paar Typen laufen am Strand rum. Eine Möwe schreit. Ein Verbrannter vermietet Tretboote. Soweit die Romanhandlung. Das Spiel ist ein Brettspiel, das es wirklich gegeben hat, vor all dem Computer und Konsolen-kram. Ein Kriegsspiel, das den zweiten Weltkrieg nachstellt, bei dem in jahreszeitlich bezogenen Spielrunden die Taktik nachvollzogen wird, die die Nazis und die Alliierten anwandten. Nur diesmal kann der Spieler per Geschick und durch Würfelglück das Blatt wenden, eine Fliegerstaffel so in Afrika platzieren, dass der Verband nachrücken kann und den Kriegsausgang herumreißt”¦
Der Autor hatte das Manuskript bereits 1989 abgeschlossen und seine Veröffentlichung nicht mehr erlebt. Roberto Bolaño starb 2003 mit nur fünfzig Jahren in Barcelona, nach einem entwurzelten Leben, das ihn zwischen Chile und Spanien hin und hertrieb. Der selbst von einer Diktatur verfolgte Autor widmete sich im vorliegenden Buch dem Bösen, lässt es spielerisch aus den Zügen des“ Dritten Reiches“ entspringen. Nebenbei ist Urlaub. Tagebuchartig notiert Udo die Geschehnisse des August, September”¦ Das Pärchen lernt den geheimnisvollen Verbrannten näher kennen, und ein anderes deutsches Paar, sie unternehmen gemeinsame Ausflüge in die umliegenden Diskotheken. In das soweit gewöhnliche Urlaubsparadies dringen aber Misstöne ein, und schon geschieht ein Unglück.
Was hat der Verbrannte damit zu tun? Wird er Udos Angebot auf eine Partie „Drittes Reich“ annehmen und wenn ja, wer wird das Spiel gewinnen? Mit welchen Folgen? Was sich wie ein heiterer Sommer-Roman anliest, wird schnell ein Verwirrspiel. Liebe, Versuchung, Tod und irreführende Pfade bestimmen zunehmend das Geschehen. Die zeitlos angesiedelte Geschichte wird so packend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, und die Nacht damit zubringt, von Grusel und Magie eines großen Literaten verführt. Mögen noch mehr Manuskripte Bolaños in irgendwelchen Schubladen schlummer, her damit!
„Du wirst gewinnen, Verbrannter“, sagte ich halblaut. „Ja, sieht so aus.“ „Und was machen wir danach?“”¦ Der Verbrannte, für alles andere blind, was nicht der Vormarsch seiner beiden riesigen Dampfwalzen ist, antwortet am Ende mit einem Satz, dem ich später symbolische Bedeutung beimesse: Pass auf, was du in Spanien hast. Meint er damit die drei deutschen Infanteriekorps und das italienische Infanteriekorps, die ganz offensichtlich in Spanien und Portugal isoliert sind, seit die Alliierten den Süden Frankreichs kontrollieren? … Oder wollte er etwas anderes andeuten? Etwas Persönliches? Was habe ich in Spanien? Mich selbst!“
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Roberto Bolaño, Das Dritte Reich, Roman, aus dem Spanischen übersetzt von Christian Hansen, 320 Seiten, Hanser Verlag, August 2011, 21,90 €