Trompeteten wir noch das letzte Mal, daß kaum Neues auf die Liste kam, straft uns die Augustliste gleich der Lüge. Immerhin drei ganz neue Titel folgen aus dem Stand auf den Plätzen 2 bis 4. Krimiautorin Reggie Nadelson auf Platz 2 kommt aus New York. Und diese Welthauptstadt ist auch Ort von „Kalter Verrat“ aus dem Piper Verlag. Der russisch-amerikanische Vermittler Artie Cohen darf in ihrem vierten Roman diesmal das nach dem 11. September traumatisierte New York durcheilen. Aber traumatisiert ist er auch selber, denn er hat Angst, daß sein 14jähriger Neffe, der nach einem Mord in der Psychiatrie landete und gerade Freigänger ist, hinter den Mädchen- und Babymorden stecken könnte. Harte Kost und Aufnahme in die Liga der großen New-York-Schriftsteller Ed McBain, Chester Himes, Jerome Charyn.
Christian Pernath kennt man als französischen Romanautorem. „Ein Morgen wie jeder andere“ aus der edition manholt im Deutschen Taschenbuchverlag (dtv) ist nun ein Krimi geworden und gleich auf dem dritten Platz der Liste gelandet. Der bei Nantes lebende Autor durchleuchtet bei der Darstellung der unglücklichen Begegnung mit Mordhintergrund zwischen einem Tierarzt und der jungen Bäuerin auch die verkrusteten Verhältnisse im dortigen französischen Landleben. Weder ist das Landleben ohne Sünde, noch sind französische Verhältnisse von Liebe und Champagner geprägt. Warm anziehen muß man sich auf dem Land. Das auch. Den dritten Teil der Parker-Trilogie legt Richard Stark mit „Das Geld war schmutzig“ im Verlag Zsolnay vor und nun auf dem 4. Rang. Wir kennen diesen Krimi noch nicht, aber lobten jüngst die Vorgänger „Fragen Sie den Papagei“ und „Keiner rennt für immer“.
Auch James Sallis war gerade erst dabei. „Driver“ hieß sein Krimi um den Jungen, der im sozialen Aufstieg den Abstieg gleich mitprogrammiert hatte, auf melancholischer aber unabänderlicher Bahn. Mit „Dunkle Schuld“ auf Patz 7, erschienen bei Heyne, kommt nun Turner ins Spiel. Der Ex-Cop, Ex-Sträfling und Ex-Therapeuten Turner wird in diesem Beginn einer Trilogie bei einem Ritualmord mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Und was da alles hochkommt, möchte Turner eigentlich gar nicht so genau wissen. Das hilft ihm nicht. Gnadenlos und Spannung, wie es weitergeht. Unbekannt ist uns Nick Brownlee. Sein „Mord in Mombasa“ bei Knaur hüpfte auf den 9. Platz. Dazu das nächste Mal mehr.
Schließlich auf Platz 10 „Der dunkle Fluß“ von John Hart, erschienen bei C.Bertelsmann. Schon wieder die USA, diesmal zwar North-Carolina, aber die dunkle Geschichte um den dunklen Fluß ist eine ausgesprochene Südstaatenstory. Es geht um Adam, den Sohn Adam, der nach fünf Jahren zurückkehrt in eine Gesellschaft, die ihn des Mordes geziehen hatte und die in ihrem Hexenkessel weiter köchelt und jeden ins scharfe Gericht mithineinzieht, der zunahe kommt. Kommentierungen der schon letztmonatlich gesetzten Titel entnehmen Sie bitte der Juliausgabe in derselben Rubik „Kultur.Bücher“. Auf P.D. James „Ein makelloser Tod“ auf Platz 6 aus dem Droemer Verlag weisen wir noch einmal explizit hin, denn hier ist England mit seiner Tradition, dem Landleben und dem Verbrechen einsgeworden.
Lfd. Nr. |
Rang |
Vor- monat |
Titel |
1 |
1 |
(1) |
Fred Vargas: Der verbotene Ort Aus dem Französischen von Waltraud Schwarze Aufbau, geb., 426 S., 19,95 € Paris/London/Kiseljevo: Der großartigste aller Vargas-Romane beginnt mit 17 Schuhen. Darin abgeschnittene Füße, die in den Londoner Friedhof Highgate wollen. Die Überreste eines in hunderte Stückchen zermatschten Mannes führen Kommissar Adamsberg an einen Geburtsort europäischer Gewalt. |
2 |
2 |
(-) |
Reggie Nadelson: Kalter Verrat Aus dem Amerikanischen von Claudia Feldmann Piper, PB, 398 S., 12,00 € New York: Artie Cohens Neffe Billy (14) hat schon einmal getötet. An Artie zehrt Misstrauen: Steckt Billy, auf Besuch aus der Psychiatrie, hinter neuen Mädchen- und Babymorden? Dabei muss Artie einen verschwundenen Müllmann suchen, auf der größten Müllkippe der Welt. Beste New-York-Tradition. |
3 |
3 |
(-) |
Christian Pernath: Ein Morgen wie jeder andere Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer-Semlinger edition manholt im dtv, PB, 220 S., 14,90 € Bei Nantes: In diesem Juni kreuzen sich zwei Lebenswege. Bélouard, trockener Alkoholiker, Veterinär, gewinnt neuen Lebensmut bei der Pflege der verwundeten Bäuerin Claire. Während die Geschundene zu Kräften kommt, gerät das Landleben durcheinander: eine Familie wurde ermordet. Glück und Tod. Trauriger Sommer. |
4 |
4 |
(-) |
Richard Stark: Das Geld war schmutzig Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein Zsolnay, PB, 256 S., 16,90 € Massachusetts/Long Island: Im dritten Band mit Parkers Abenteuern müssen die leider markierten Millionen aus dem Überfall auf den Geldtransport einer Bank gesichert und offshore gebracht werden. Verbrecher Parker transportiert Utopisches: Dumme Gier zahlt sich nicht aus. Aber Kaltes Blut macht auch nicht reich. |
5 |
5 |
(2) |
Leif GW Persson: Sühne Aus dem Schwedischen von Lotta Rüegger und Holger Wolandt btb, geb., 448 S.,19,95 € Stockholm: Typisch schwedisch die Leiche: im Suff erschlagen. Da verfolgt Kommissar Evert Bäckström lieber den Mann aus Somalia, der sie gefunden hat. Bäckström säuft, ist Rassist und überhaupt der Beste. (Frauen lieben seine Supersalami!) Kriminologe Professor Persson lässt die Bullen-Sau raus. |
6 |
6 |
(5) |
P.D. James: Ein makelloser Tod Aus dem Englischen von Walter Ahlers und Elke Link Droemer, geb., 560 S., 19,95 € London/Cheverell Manor: Rhoda Gradwyn, investigative Promi-Journalistin, will sich die Narbe entfernen lassen, die seit der Kindheit ihr Gesicht verunstaltet, und verliert nach der gelungenen OP erwürgt ihr Leben. P.D. James ist mit 87 gut in Form: Sie spinnt ein feines Netz – und Commander Dalgliesh löst es wieder auf. |
7 |
7 |
(-) |
James Sallis: Dunkle Schuld Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger Heyne, TB, 304 S., 8,95 € Im Hinterwald des Südens: Turner, Ex-Cop, Ex-Sträfling, Ex-Therapeut, hat sich aus allem zurückgezogen. Bis der Ritualmord an einem Tramp alles wieder aufwühlt. Das verpfuschte eigene Leben kommt bei der Suche nach dem Täter wieder hoch: Rückzug impossible. Großartiger erster Band der Turner-Trilogie. |
8 |
(3) |
Don Winslow: Pacific Private Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch Suhrkamp, TB, 396 S., 9,95 € San Diego: Die Surfer der Dawn Patrol warten auf die Jahrhundertwelle. Auch Ex-Cop Boone Daniels will sie reiten. Zuvor muss er Tammy finden. Die Stripperin ist Zeugin. Doch wofür? Das ist ein Geheimnis, das um eines Kindes willen geschützt werden muss. Ein Krimi wie ein Tsunami. Im Westküstensound. |
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9 |
9 |
(-) |
Nick Brownlee: Mord in Mombasa Aus dem Englischen von Wibke Kuhn Knaur, TB, 398 S., 8,95 € Mombasa/Malindi: Brownlee vernichtet seine Figuren schneller als das Leben spielt. Kaum hat man die Gangster, Beutelschneider, Handlanger kennengelernt, sind sie schon massakriert. So wütet die Organisierte Kriminalität an der Ostküste Afrikas. Aufrecht im Pfuhl: Inspektor Jouma und Skipper Jake. |
Die „Bestenliste“ wird im Hörfunk immer am letzten Wochenende des Monats: Samstag 8.05 – 9.00 Uhr; Sonntag 15.05 – 16.00 Uhr in der „Literaturzeit“ des NordwestRadio vorgestellt. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem letzten Samstag im Monat geben 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.
Die Jury setzt sich zusammen aus:
Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt Volker
Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, Berg, „Druckfrisch“, Dlf, BR
Sven Boedecker, Zürich, Sonntagszeitung
Kathrin Fischer, Frankfurt/Main, Hessischer Rundfunk
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Ekkehard Knörer, Berlin, Perlentaucher, Crime Corner
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Jochen Schmidt, Düsseldorf, elder critic
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau
Hendrik Werner, Bremen, DIE WELT
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist Freitag, Plärrer
Alle weiteren plazierten Krimis entnehmen Sie bitte den Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur.Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Dreimal darf ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die diesmal Ende Januar herauskommt.
Internet:
krimibestenliste@togohlis.de
www.arte.tv/krimiwelt