Dies Verse hallen wie der Refrain zu „Bad Lieutenant – Port of Call: New Orleans“ wider. Nicholas Cage spielt diesen mitleiderregenden, sympathisch-widerwärtigen Bösen, wie er vom zynischen Polizisten Terence McDonagh zum Lieutenant wird, „Bad Lieutenant“. Und der Einsatzort? „Port of Call: Still New Orleans“, antwortet Cage fatalistisch. Immer noch New Orleans. Aus der Hölle gibt es kein Entrinnen. Ob sie in den Straßenschluchten New Yorks liegt oder in der von Hurrikan Katrina verwüsteten Sumpfstadt New Orleans: „Where we are is hell and where hell is, we must ever be“, heißt es in Christopher Marlows „Dr. Faustus“, einer anderen bizarren Höllenfahrt. In zynischer Ironie lässt Herzog Terence’ Abstieg mit einer guten Tat beginnen. Während der Flutkatastrophe rettet Terence einen in seiner überfluteten Zelle zurückgebliebenen Häftling, um dessen Leben er und sein Kollege Steve Pruitt (Val Kilmer) zuvor gewettet hatten. Bei diesem Einsatz, dem er die Beförderung zum Lieutenant verdankt, zieht sich Terence bleibende Rückenschäden zu. Danach ist er vom Gutsein geläutert. Systematisch hat er sich dem Bösen ausgeliefert. Er ist drogensüchtig und schmerzmittelabhängig, skrupellos und korrupt. Seine Freundin Frankie (Eva Mendes), ebenfalls drogensüchtig, ist Prostituierte. Während der Ermittlungen im Mordfall an einer Einwandererfamilie legt sich Terence mit seinen Vorgesetzten, einem einflussreichen Kunden Frankies, an, genau wie mit dem personifizierten Schicksal in Gestalt des Drogenbosses „Big Fate“ (Xzibit). Nun fordern alle vom „Bad Lieutenant“ ihren Tribut ein: Drogensucht, Spielsucht und der Leibhaftige selbst in einer seiner häufigsten Verkleidungen als Amphibie, über die Terence vergeblich flucht: „Verdammte Leguane!“
Oberflächlich betrachtete mag Herzogs Werk als misslungener Thriller erscheinen, der gescheiterte Versuch eines Autorenfilmers, sich ein Massenwerk abzuringen. Doch ein schlechter Schurke wäre der Teufel, würde er nicht im Gewand eines anderen auftreten. „Bad Lieutenant – Port of Call: New Orleans“ ist eine bitterböse Groteske, eine bizarre Operette aus Verzweiflung, Tod und Gewalt. Sogar der Totentanz fehlt nicht, eine makabere Break Dance-Einlage, zu welcher der Hauptcharakter ruft: „Shoot him again. His soul is still dancing.“ Die Tiermetaphern, zu denen sich der Regisseur in typisch herzogscher Verschlossenheit nicht äußern wollte, werden im Laufe der Handlung immer deutlicher. Gegen die allgegenwärtigen, für den Teufel stehenden Reptilien ist der durch Fische und einen Haushund (dog – God) verkörperte Gott machtlos. Ferraras Perspektive war die eines Richters, der einen Sadisten beobachtet, dessen Hass sich gegen ihn selbst richtet. Herzogs Perspektive ist die eines Masochisten, der einen Masochisten beobachtet. Beide quälen sich, auch Herzog manches Mal mit den Wendungen von William Finkelsteins Drehbuch. Doch Regisseur und Hauptcharakter genießen die Qual genau wie der Zuschauer.
Wie eine von Schmerzen gelenkte Marionette schlurft Cage durch den Film. Sein Terence wird untrennbarer Teil des Sumpfes aus Kriminalität und Korruption um ihn herum. Seine anfänglichen Zweifel daran werden mehr und mehr von höhnischer Freude verdrängt. Sein gutes Benehmen, wie er in einer Szene selbst sagt, stand seiner Effektivität im Weg. Böse lebt es sich viel besser. Werner Herzog bezeugt dies in seiner brillanten Thriller-Groteske, welche mit jedem Ansehen besser wird.
Titel: Bad Lieutenant – Port of call: New Orleans
Land/ Jahr: USA 2009
Genre: Thriller
Kinostart: 25. Februar 2010
Regie: Werner Herzog
Drehbuch: William Finkelstein
Darsteller: Nicholas Cage, Eva Mendes, Val Kilmer, Alvin Xzibit Joiner, Brad Dourif
Laufzeit: 122 Minuten
Verleih: Millennium Films