Oliver will ihre Angst besänftigen, doch Irina denkt an die Abscheu, die Katzen gegen sie empfinden, dem Kanarienvogel, dem ihre Hand spielerisch das Genick brach und die unbekannte Frau (Elizabeth Russel), die Irina auf ihrer Hochzeit „Moya Sestra“ nannte. „Meine Schwester…“ Als der frustrierte Oliver sich seiner Kollegin Alice (Jane Randolph) zuwendet, bricht Irinas Nachtseite hervor. „Cat People“ wandelt auf den Pfaden jener Nachtseite, der Seelennacht des amerikanischen Horrorkinos. „Cat People“ ist der erste einer Reihe von neun Meisterwerken des psychologischen Grauens geschaffen von Produzent Val Lewton. Mehr als die Handschrift der Regisseure prägt Lewtons Signatur dessen Horrorfilme, in denen das Übersinnliche nur als Ahnung im Schatten einer bedrohlichen Szenerie lauert. Niemals zeigt Lewton die Verwandlung der von der felinen Simone Simon verkörperten Irina in eine der „Katzenmenschen“. Die Ängste der jungen Frau könnten auch eine sexuelle Neurose sein.
„Children of the Night… what music they make!“ (Bram Stoker, „Dracula“)
Willentlich und zufällig ist Irinas von Katzen-Darstellungen umringt: ein Druck Goyas, ein Detail an einem Schiffsmodell, der Zierfuß einer Badewanne. Von ihrem Apartment kann sie dem nächtlichen Brüllen der Großkatzen im Zoo lauschen, dass sie beruhigt. Der Panther im Zoo verkörpert Irinas Es. Zu ihm gehört ihre Begierde. Wie das Raubtier durch seinen Käfig schleicht die Lust durch Irinas Unterbewusstsein, mit jedem Tag ihrer Gefangenschaft reizbarer. Das Wilde,Ungezähmte kann in der von Prüderie, Rassismus und Sexismus geprägten bürgerlichen Gesellschaft nur in gewaltsam unterdrückter Form existieren. Als berufstätige, unverheiratete Frau, Ausländerin und zudem als Osteuropäerin indirekt Vertreterin eines als feindlich empfundenen politischen Systems personifiziert Irina auf mehreren Ebenen eine bedrohliche Exotik. Wunderschön nennt Irina den Panther, worauf der Zoowärter erwidert, das Tier sei bösartig, ohne den Käfig würde es sie zerreißen. Gegenpart Irinas ist Olivers Alice, die die konventionelle Hausfrauen- und Mutterrolle anstrebt, die sie in der 1944 erschienen Fortsetzung „Curse of the Cat People“ ausfüllt.
Der doppelbödige psychologische Subplot entzieht sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit einer oberflächlichen Analyse. Stattdessen verhöhnt „Cat People“ die bürgerliche Prüderie mit einem düster-erotischen Affront. Für ihre Mesalliance mit Oliver entschädigt Irina der dandyhafte Psychologe Dr. Louis Judd (Tom Conway), der sie ermutigt ihr Es zu befreien. Eine Macht, die Judd bei einem zweideutigen nächtlichen Treffen aufsucht, dass er von Irina erbat. Lewtons Meisterwerk des Horror-Noir bringt der im Arthouse Verleih mit einem Booklet und dem Original-Trailer heraus und lässt so einen genüsslichen Schauer auf DVD zurückkehre.
… Alice: „A cat just walked over my grave.“
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Titel: Cat People – Katzenmenschen
Land/ Jahr: USA 1942
Genre: Horror
DVD-Start: 16. September 2010
Regie: Jaques Tourneur
Drehbuch: DeWitt Bodeen, Jaques Tourneur, Val Lewton
Darsteller: Simone Simon, Kent Smith, Tom Conway, Jane Randolph, Theresa Harris, Elizabeth Russell, Alan Napier, Jack Holt, Elizabeth Dunn, Mary Halsey
Kamera: Nicholas Musuraca
Musik: Roy Webb
Schnitt: Mark Robson
Laufzeit: 73 Minuten
Sprachen: Deutsch, Englisch
Extras: Booklet, Trailer
Verleih: Arthouse
Internet: www.arthouse.de