‚Images of the 21st Century‘ lautet der Untertitel der zehntägigen Veranstaltung, die das Filmschaffen Griechenlands umfangreich präsentiert und vor allem Nachwuchsfilmemachern aus aller Welt ein Forum bietet. Die Regisseure aus Griechenland und dem Rest der Welt werden eingeladen, und sie kommen zahlreich. So ist es bei etwa der Hälfte aller Filme möglich im anschließenden Q&A mehr zu erfahren. Ein wenig mühsam ist es freilich schon, dass viele Griechen aus dem Publikum ihre Rolle nicht verstanden haben: statt knappe und interessante Fragen zu stellen, berichten sie stundenlang (auf griechisch) über ihre eigenen Befindlichkeiten beim Sehen des Films und vergessen dann die Frage. Dies alles wird übersetzt und dann geht es weiter”¦so ein Q&A kann dann gerne mal ’ne Stunde dauern, und wer im Anschluss des Films dringend mal pinkeln muss, der wird mehr als unruhig auf seinem Sitz hin- und herrutschen. Dies lässt sich aber für akkreditierte Festivalbesucher vermeiden, denn es gibt ein großartiges tägliches Event, das endlich auch mal von anderen Festivals übernommen werden sollte: die Just Talking Session:
Jeden Tag pilgert eine kleine Schar Akkreditierter in den Salon des Electra Palace Hotels am Aristoteles Platz. Dort findet – nach Ablauf des akademischen Viertels – eine Gesprächsrunde zwischen einem halben Dutzend Regisseuren statt, den Gästen des Festivals. Das Gespräch wird moderiert, doch oft verselbständigt es sich auch und es entsteht dann ein Gespräch – ein guter Moment. Das ist das Schöne an dieser Runde: Hier gibt es noch ein echtes Interesse daran, was die anderen Filmemacher so treiben, und es geht nicht nur darum, sich selbst zu feiern. Wein und Wasser werden gereicht und ein wenig Käse. So sitzt man in gemütlichen, riesigen Lederfauteuils und lauscht gespannt den anregenden Produktionsgeschichten.
Da erzählt etwa der Berliner Filmemacher und Schriftsteller Michael Obert wie er im afrikanischen Regenwald zum ersten Mal seinen Protagonisten erblickte: "”¦wir liefen stundenlang durch den Dschungel. Plötzlich öffnete sich das dichte Grün zu einer Lichtung. Da sah ich meinen Protagonisten zum ersten Mal: rechts ein Baby unter dem Arm, links ein Baby unter dem Arm, umgeben von knapp 50 bewaffneten Einheimischen." Wer seinen Film "Song from the Forest" gesehen hat, der versteht, warum die Lieder der Eingeborenen das Leben seines Progaonisten Louis Sarno komplett geprägt haben und ihn aus New York in den afrikanischen Regenwald haben umsiedeln lassen.
Natürlich gab es auch sehr viele gute und interessante Filme zu sehen, etwa den visuell wunderbaren ‚On the Edge of the World‘ des in Paris lebenden Deutschen Claus Drexler, der Obdachlose in ein
warmes, ein wenig verzaubertes Licht rückt, ohne zu romantisieren. Oder die vielen griechischen Filme, die über die Zeiten der Krise berichten. Mutige Filme, die aus Solidarität entstanden sind, die ein Anliegen haben, laute Aufschreie und Hoffnungsmacher.
Aber mir geht es hier um die vielen Sideevents, die jungen und etablierten Festivalbesuchern (Cineasten, Regisseuren, Produzenten und andere) gleichermaßen guttun. So etwa die Masterclass von Ben Kempas, die unter dem Thema ‚Distributing an Auteur Documentary/ Wie vermarkte ich einen Autorenfilm?‘ stattfand. Der schottische Produzent stellte ungewöhnliche Marketingmethoden vor, die er bei dem Film ‚I Am Breathing‘ (Regie: Emma David) ausprobiert hat. So empfahl er einige Webseiten, die Produzenten unglaublich dabei helfen, den Wust all der Kommunikation zu sortieren, die man während einer Produktion und der Auswertung eines Films hat. Die Links dazu gibt es am Ende dieses Textes.
Erhellend, unterhaltsam und lehrreich ist es auch, den EDN Pitchings am letzten Wochenende des Festivals zuzuhören. Dazu reisen ein knappes Dutzend Repräsentanten von internationalen TV-Sendern an, denen in einem – auch für Publikum zugänglichen – öffentlichen Pitch internationale Projekte präsentiert werden, die in einem fünftägigen Workshop – der durch das European Documentary Network ausgerichtet wird – feingeschliffen werden bis zur Präsentation. Ich hatte die Ehre, am ersten Tag des Workshops einer Arbeitsgruppe beiwohnen zu dürfen, und konnte so am Ende der Woche dasselbe Projekt nach der Überarbeitung erleben.
Ebenfalls von seiner besten Seite präsentierte sich das makellose Frühlingswetter. Jede freie Minute ging es nach draussen an die direkt angrenzende Uferpromenade. Wie könnte man den Start in den Frühling besser verbringen? Thessaloniki, ich komme bald wieder!
www.tdf.filmfestival.gr/default.aspx?lang=en-US&loc=18&page=1185
www.distrify.com
www.nationbuilder.com
www.edn.dk