Die Stadtverordneten von Beeskow, quasi heute die Treuhänder, bekennen sich zu ihrem Schatz und zu seinem Schutze. Die Burg, so entschieden sie im Juni 2007, erhält einen Erweiterungsbau, der das Archiv, Ausstellungssäle, Arbeitsräume und Gastronomie aufnehmen soll. Der erste Schritt dahin ist die Ausschreibung eines Projekts, über welches das Stadtparlament im Jahre 2010 entscheiden will. Das Geld soll zu 70 bis 80 Prozent aus dem EU-Förderprogramm Interreg IV kommen, ergänzt durch Eigenmittel der Stadt. So jedenfalls plant es der Bürgermeister der Stadt, Fritz Taschenberger. Mit Beiträgen der am Kunstarchiv Beeskow beteiligten Länder kann er nicht rechnen. Fachleute schätzen das Volumen einschließlich der Ausstattung auf 7 bis 9 Millionen Euro. Bis 2013 müsste der Bau errichtet werden, um die Interreg-Mittel der Europäischen Union nutzen zu können.
Heiße Debatten gab es bereits anlässlich der Ausstellung von Projektideen der Architekturstudenten der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Die Meinungen teilten sich zwischen dem Wiederaufbau mittelalterlicher Mauern einerseits und einem modernen, in die Reste der alten Feldsteinmauern integrierten Neubau andererseits. Entscheiden werden die Stadtverordneten nach dem Architektenwettbewerb im kommenden Jahr.
Taschenberger und in seinem Auftrage das Berliner Planungsbüro phase 1 arbeiten mit Hochdruck an der Vorbereitung. Für die Planung bis zum Abschluß des Wettbewerbs stehen 175 000 Euro zur Verfügung.
Seit Montag ist der Planungswettbewerb im Internet europaweit ausgeschrieben. Aus den Bewerbern wird im Februar ein Kreis von 16 bis 17 Planungs- und Architektenbüros ausgewählt, die bis zum Mai einen Planungsentwurf in Modellform einreichen können. Für Preise sind 27 000 Euro geplant. Im Juni 2010 wird ein Preisgericht fünf Architektenbüros auswählen, welche schließlich in Wettbewerb um das Projekt des Erweiterungsbaus treten werden. Der Sieger wird den Planungsauftrag für die Ausführung des Projekts erhalten. Taschenberger glaubt, dass der Bau Ende 2011 oder Anfang 2012 beginnen kann. Er lässt an dem Vorhaben nicht mehr rütteln. Die Stadtverordneten haben einen einheitlichen Willen, sagt er. Die Fördergelder der EU, mit denen er rechnet, erlauben es ihnen, beim Land Brandenburg allein nicht bitten und betteln zu müssen. Den Eigenanteil der Stadt glaubt er aufbringen zu können. »Wir haben all die Jahre einen soliden Haushalt gehabt. Wir werden es stemmen, weil wir es alle wollen.« Für eine Stadt mit 8 250 Einwohnern, nach Seelow die zweitkleinste Kreisstadt, ein stolzes Ziel.
Und der Denkmalschutz? Ohne Einsprüche der Denkmalpflege oder gar von ihr verhängte Baustopps geht es selten ab. »Mit dem müssen wir klarkommen. Seine Vorgaben sind maßgebend, obwohl sie nicht das alleinige Diktat sein dürfen. Aber wir haben von Anfang an mit dem Landeskonservator Professor Karg eng kommuniziert. Das hat viel geholfen.«
Detlev Karg steht dem Ausbau positiv gegenüber. Ihn stört schon lange, dass der Ostflügel der Burg so dahinvegetiert. Karg hat die Verständigung mit den Stadtverordneten selbst gesucht. Seine Behörde hat ihre Konditionen frühzeitig übergeben, damit sie bereits im Vorfeld berücksichtigt werden können. »Wir stellen uns auch einem Neubau im Ostflügel nicht entgegen, wenn unsere Prämissen eingehalten werden. Damit kann die Burg interessanter und viel besser genutzt werden«, erklärt Karg.
Als Vorleistung wurden im Sommer bereits die Keller in den Ruinen des Ostflügels freigelegt, die Wände gegliedert und jene Teile bestimmt, die zu konservieren sind. Eine Unterkonstruktion könnte dafür sorgen, dass die alten Mauern den Neubau nicht tragen müssen – was sie nicht könnten. Karg meint, dass auch die Keller museal gut präsentiert werden können.
Der Konservator mahnt jedoch auch, nicht allein an die Baukosten, sondern auch an die Kosten der laufenden Unterhaltung zu denken. Die Stadt müsse das mit Sachverstand bedenken. Das know how für die Ausstattung eines solchen Baus ist heute kein Problem. Karg vermisst jedoch eine Antwort auf seine Bedingungen. »Man muss sich ein bisschen sputen.« Über einen Partner, der nicht abwartet, sondern auf Beschleunigung drängt, dürften sich die Stadtväter nur freuen.
Im Februar 2010 wird Bürgermeister Taschenberger in den Ruhestand treten. Sein Amt übernimmt Frank Steffen (SPD), im Oktober gewählt für acht Jahre. Steffen übernimmt gern die Verantwortung für den Erweiterungsbau. »Die Burg Beeskow hat ein Alleinstellungsmerkmal, das weit über das Land Brandenburg hinaus wirkt«, meint Steffen. »Die Arbeit unseres Kunstarchivs ist die Form des Umgangs mit der Geschichte, die der Osten braucht.« In seine Amtszeit fällt der Bau von der Planung bis zur Vollendung. Wie schnell will er es schaffen? »Es ist überhaupt mein Ziel, dass es was wird. Wir stehen am Anfang. Der Zeitraum ist nicht so wichtig.« Ihn reizt auch das Gemeinschaftsprojekt mit Polen. Natürlich gilt auch für ihn der Endtermin 2013.
Stichwort Polen: Die Interreg-Mittel sind mit der Bedingung verknüpft, mindestens zwei EU-Länder zu beteiligen. Das nur 35 Kilometer entfernte Nachbarland bietet sich an. Jedoch braucht es Partner, die ähnliche Aufgaben haben wie Beeskow – ein konzeptionelles Problem also. Ilona Weser, die Leiterin des Kunstarchivs, hat längst ihre Fühler ausgestreckt. In der Stadt Gorzow befindet sich das Muzeum Lubuskie mit der thematischen Spannweite von der Urgeschichte bis zur zeitgeschichtlichen Kunst. Im Unterschied zu Beeskow hat das Haus mit erheblichen politischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der herrschende Antikommunismus, der den Grundton der Medien angibt, macht auch vor der Verteufelung der in Polen nach der Befreiung entstandenen neuen, antifaschistisch und sozialistisch geprägten Kunst (Sozialrealismus, wie man in Polen sagt) nicht halt. Das bestimmt die Haltung der Behörden, besonders, was die Finanzierung betrifft. Mit Hilfe des EU-Projekts will auch das Museum in Gorzow eine moderne Klimaanlage installieren lassen.
Die Künstler der DDR und Volkspolens sind nicht die gleiche Schule. Ihre Werke haben eine andere Entstehungsgeschichte und möglicherweise eine andere Motivation. Der kleinste gemeinsame Nenner beider Museen ist die pure Dokumentation der Kunst einer Epoche, die ihre eigene Ideologie und politische Verfaßtheit hatte. Auch hier ist die Spreu vom Weizen zu scheiden, was auch in öffentlicher Diskussion – sprich Zeigen und Darüber-Reden – geschehen kann. Gegenseitiger Austausch und technische, museale und wissenschaftliche Kooperation müssen hier nicht einmal krampfhaft erzwungen werden.
Der erste Schritt wird eine Ausstellung von Gemälden (Porträts) des polnischen Museums im Frühjahr 2010 in der Burg Beeskow sein – faktisch eine Spiegelung der zur Zeit laufenden Ausstellung »Helden auf Zeit. Porträts aus der DDR«. Niveau und Aussage der Exposition und die Reaktion des Publikums sind abzuwarten, können jedoch spannend werden. Schon jetzt gilt das Projekt als einmalig und findet vielleicht Nachahmer, eine Fortsetzung gewiss in der Kooperation beider Museen beziehungsweise Sammlungen.
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Erstveröffentlichung in: Neues Deutschland vom 23.12.2009