Parallel zur Ausstellung, die nach Berlin im Übersee-Museum Bremen von Oktober 2011 bis April 2012 zu sehen sein wird, gibt es einen hervorragenden edierten Katalog. Die lebendigen Inszenierungen des Fotografen Johnathan Watts, ein Beitrag der haitianischen Ethnologin Rachel Beauvoir-Dominique und Interviews mit Marianne Lehmann und einem Vodou-Priester ermöglichen dem neugierigen Leser einen Zugang zur tieferen Bedeutung des Vodou: das Gedenken an die Sklaven und ihr Ringen um Freiheit und Unabhängigkeit. Großer Dank gilt der Schweizerin Marianne Lehmann, die 1957 nach Port-au-Prince kam und seit über 30 Jahren Vodou-Objekte sammelt. Der Katalog stellt mehr als 300 Exponate aus ihrer Sammlung Lehmann vor.
Im Zentrum steht der Bizango, eine Vodou-Geheimgesellschaft, deren Objekte in Haiti nur eingeweihte Mitglieder sehen durften, die also einer breiten Öffentlichkeit bisher verschlossen waren. Am 12. Januar 2010 ereignete sich in Haiti ein verheerendes Erdbeben. Die Sammlung Lehmann hat das Beben trotz schlechter Unterbringung wie durch ein Wunder unbeschadet überstanden. Der Katalog will mit Vodou-Klischees aufräumen. Er zeigt Geisterfiguren und Objekte aus Haiti – fantastische Fabelwesen, bunte Heiligenstatuen und selbstgenähte Puppen, die zuvor wirklich im Einsatz waren.
Unter "Vodou" versteht man religiöse Praktiken, die in Westafrika weit verbreitet sind und mit den afrikanischen Sklaven nach Amerika kamen. Sie sind die Basis afroamerikanischer Religionen, in die Elemente des Katholizismus und indigener Glaubensvorstellungen einflossen. Hierzu zählen Candomblé in Brasilien, die María-Lionza-Religion in Venezuela, Santería auf Kuba, Voodoo in den USA und Vodou in Haiti. Das Wort "Vodou" stammt aus der in Benin und Nigeria heimischen Fon-Sprache und bedeutet soviel wie Gott, Geist oder heiliges Objekt.
Vodou (Voodoo): Kunst und Kultur aus Haiti, Jacques Hainard und Phillippe Marthez (Herausgeber), 176 Seiten, Reimer Verlag 2010, 39,90 Euro