“It might get loud” ist Davis Guggenheims filmische Hommage an die Gitarre. In der ersten Szene bastelt Jack White ein Instrument aus einer Saite, einem Holzkörper und einer Cola-Flasche. “Wozu eine Gitarre kaufen?“, fragte der Gitarrist. Gekauft hat die erste Gitarre keiner der drei Musiker. Die Instrumente haben sie gefunden, geschenkt bekommen, als Vergütung für Transporthilfe (Jack White) erhalten. Man muss nicht reich sein. Irgendwas, worauf man spielen kann, findet sich schon – ob Banjo oder selbstentworfene Doppelhalsgitarre. Die Musik kommt aus dem Inneren. Und vielleicht, knüpft Page melancholisch an, ist sie einmal nicht mehr da. Diesen Tag versuchen die Musiker weitest möglich aufzuschieben.
Natürlich geht es in “It might get loud” nicht nur um Gitarren, sondern um die Musiker, welche sie spielen: Jimmy Page, Gitarrist von Led Zeppelin, der nach Auflösung der Band als Solokünstler der Gitarre treu blieb. Jack White, der amerikanische Sänger, Gitarrist und Texter der White Stripes, deren Klang zwischen Indie-Rock, Grunge und Folkmusic die Musikwelt aufrührte. The Edge, hinter dessen Künstlername sich der in Dublin aufgewachsenen U2-Gitarrist David Howell Evans verbirgt. Jeder der drei entstammt einem anderen Land, einer anderen Generation und wurde von anderen Einflüssen geprägt. Was sie eint, ist ihr individueller Stil und ihre Liebe zur Gitarre. Davis Guggenheim, dessen Dokumentarfilm “An inconvenient Truth” 2007 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, interessiert sich nicht für die gängigen Rockstarklischees: “Die meisten Rock-Dokus konzentrieren sich auf Autowracks und Überdosen. Oder sie zeigen einen bestimmten Musiker und `wie er die Musik für immer verändert hat’.” In “It might get loud” hingegen erlebt man, wie die Musik die Menschen verändert hat.
Es gibt großartige Szenen in “It might get loud”. Ihren Charme erhalten sie durch die selbstironischen Brechungen und pragmatische Nüchternheit. Jack White erlebt man beim Klavierspiel mit einem als Whites neunjähriges Ich ausstaffierten Jungen. Jimmy Page und The Edge sieht man auf Schnappschüssen vor ihrem Weltruhm. Ja, solche Klamotten und Frisuren waren damals angesagt. Entgegen der Konvention inszeniert Guggenheim seine Interviewpartner nicht als Protagonisten idealisierter Biografien, in denen alles von Anfang an auf Gitarristenkarriere ausgerichtet war. In die “biologische Forschung” zog es Led Zeppelin Gitarrist Jimmy Page. Das verrät Page als Teenager einem Fernsehmoderator, nachdem er mit Gleichaltrigen in einer Musiksendung aufgetreten ist. “It might get loud” kann man mit offenen oder geschlossenen Augen sehen. Die Bilder von Jack White in der Polstermöbelfabrikation und den frühen Auftritten von U2 verpasst man dann zwar, aber sie sind letztendlich nur schmückendes Beiwerk zu der mitreißenden Musik.
Mit dem Künstlertrio Jimmy Page, The Edge und Jack White hätten es Davis Guggenheims Bilder noch aufnehmen können. Doch die herrlichen Bluesraritäten und eingängigen Rock ´n Roll – Aufnahmen fast vergessener Bands lassen die Bilder verblassen. Auf den DVD-Start von Davis Guggenheims aussagestarker Musikdokumentation “It might get loud” kann man sich freuen. Einfach zurücklehnen und laut aufdrehen. Aber nicht vergessen, vorher den Warnzettel im Treppenhaus aufzuhängen: “It might get loud”. Dann freuen sich auch die Nachbarn.
Titel: It might get loud
Start: 27. August
Regie und Buch: Davis Guggenheim
Mit: Jimmy Page, The Edge, Jack White
Verleih: Arsenal Filmverleih