In der tiefsten DDR-Provinz liegt Wolkenheim, dass eigentlich ein Wolkenkuckucksheim ist. Sogar in der selbstverständlich verbrechensarmen DDR liegt das Städtchen in der Kriminalstatistik weit abgeschlagen. “Folglich sind die Menschen glücklich.“, versichert die Hintergrundstimme. Nur nicht der gelangweilte Volkspolizist Holms (Rolf Herricht). Der einzige Gauner ist der Alt-Ganove Pinkas (Zdenek Stepanek). Fassaden klettert er höchstens aus Gewohnheit hoch, wenn er seinen Freund Leutnant Holms besucht. Der Namensvetter der berühmtesten Krimispürnase wünscht sich sehnsüchtig einen Fall. Arbeitslosigkeit gibt es nicht, dafür Beschäftigungslosigkeit. Höchstens ein Kaninchen wird in Wolkenheim mit den Worten des Polizeichefs “angeblich, vielleicht sogar tatsächlich”, dann aber doch nur angeblich, geklaut. Dass der Volkspolizistenberuf in einem verbrechensfreien Staat überflüssig ist, muss Holms auch den Grundschülern sagen. Die wollen einen Kriminalistenclub – nein: Kriminalistenzirkel – gründen und zwei von ihnen reißen aus, allerdings nicht in die “Juneitet Stäts” sondern nur nach Leipzig. Holms treibt seine innere Ruhelosigkeit, ob der er nicht einmal die fesche Lucie (Evelyn Cron) anzusprechen vermag, zum Seelenklempner (Gerd E. Schäfer): “Wir bleiben alle ganz ruhig.”, verordnet der Psychiater und setzt die Beruhigungsspritze an. “Rein freundschaftlich” entschließt sich Pinkas zur Beschäftigung des Volkspolizisten mit alten Verbrecherkollegen wie Brechstange (Gerd Ehlers), Heuschnupf (Herbert Köfer) und Hinker (Axel Triebel) das örtliche Denkmal zu klauen. Doch Holms bleibt mittlerweile so “ganz ruhig”, dass er von dem Denkmaldiebstahl nichts mitbekommt.
Rudi Strahl gelang mit “Hände hoch oder ich schieße!” ein filmisches Schelmenstück. Hinter dem harmlosen Räuber-und-Gendarmen-Spiel lauert die Satire. Wir bleiben ganz ruhig, betet der Psychiater und mit ihm schließlich der Hauptcharakter in die Kamera. Dabei ist es die Ruhe, welche den Polizisten in die Depression treibt, die Schuljungen ausbüchsen lässt und die Altkriminellen zu neuen Werken anstachelt. Die DDR-Zensur nahm den Titel wörtlich. “Hände hoch oder ich schieße!“ wurde als ernstzunehmende Ankündigung der Spottgeschosse verstanden. Dabei rüttelt der gutgelaunte Klamauk keineswegs an den Grundfesten des Sozialismus. Ein bißchen Amüsement auf Kosten der Alltagsschikanen in der DDR schwingt in der Handlung mit. Die kleinen, nicht die großen Fehler des Sozialismus nimmt die Komödie auf die Schippe. Die oft wiederholten Doktorenworte scheinen Mahnung an die Zensurbehörde. Wir bleiben ganz ruhig, ist nur eine Klamotte. Darüber muß sich niemand aufregen. Die Entschuldigung fürs Wegsehen hält der Film parat: “Wir ignorieren einfach alles.” Doch die Zensur drückte kein Auge zu. “Da können wir immer noch sagen, es habe uns nicht gefallen, rein künstlerisch.” Ausgerechnet einem der Kleinganoven legt Strahl die Worte in den Mund. Die Traumsequenzen aus “Hände hoch oder ich schieße!“ wurden entgegen Strahls Wunsch nicht farbig gedreht. Das die Leute in London es bunt trieben, im Osten hingegen Grau-in-Grau vorherrschte, war der DEFA suspekt. Aus dem Drehbuch mussten einige bissige Passagen entfernt werden. “Ein Werk des Klassenfeindes!”, sollte eine Passantin angesichts der Denkmalentwendung mutmaßen und dass “schon ganz andere” Denkmäler abgebaut worden sind, als die geklaute Statue, daran sollte man nicht einmal denken.
Beim Textverstümmeln blieb es nicht. “Vertrauen ist gut, Einschließen ist besser!”, heißt es von Holms auf der Leinwand. “Hände hoch oder ich schieße!” landete im Giftschrank. Nach der Wende verstaubte er im DEFA-Archiv. Im Mai 2001 verstarb Strahl, die Rekonstruktion seines zweiten Films, der prompt auf dem Index landete, erlebt er nicht mehr. Aber: “Wir bleiben ganz ruhig.” Denn “Hände hoch oder ich schieße!”, heißt es jetzt doch noch in den Kinos. “Folglich sind die Menschen glücklich.”
Titel: Hände hoch oder ich schieße
Kinostart: 2. Juli 2009
Regie: Hans-Joachim Kasprzik
Drehbuch: Rudi Strahl
Darsteller: Rolf Herricht, Zdenek Stepanek, Evelyn Cron, Herbert Köfer, Gerd Ehlers
Verleih: defa-spektrum