In Borsigwalde etablierten sich mit den DEUTSCHEN WAGGON- UND MASCHINENBAUANSTALTEN und mit der HENTSCHEL WAGGON-UNION auch noch vor fünfzig Jahren der Containerbau und der Eisenbahnwaggonbau, später unter der Firmierung ADTRANS (DAIMLER plus WAGGONBAU) der Bau des ICE. Nach der „Wende“ löste sich der Reinickendorfer Industriestandort auf; der Waggonbau siedelte unter der ADTRANS-Firmierung nach Berlin-Pankow und in den Berliner Vorort Hennigsdorf um. Unter Reduzierung der bisherigen Kapazitäten, was sich unter der späteren Ägide von BOMBARDIER fortsetzte.
Wie sollte nun der Instandhaltungsbetrieb weiterfunktionieren, für Triebwagen, Waggons, Gleisanlagen, Antriebs-, Steuerungs- und Signaltechnik? Die reduzierten Herstellerkapazitäten und der Betreiber-Eigendruck zum Kostensparen addierten und potenzierten sich zu der heute nicht nur in der im Berliner S-Bahnbetrieb spürbaren Wirkung. Die ständige Weiterentwicklung der Bahntechnik, mit Ubiquitous Computing Systems und den dabei bis heute nicht ausreichend beherrschten Schnittstellenproblemen zwischen Entwicklung, Produktion, Logistik, Qualität, Instandhaltung usw. hat eben nicht zur Reduzierung des Service-Aufwandes im technischen Bereich geführt, sondern u.a. auch wegen des erhöhten Automatisierungsgrades und der gestiegenen Geschwindigkeiten eher zu einem neu zu konzipierenden technischen Service-Aufwand nach den Richtlinien des DIN und der Bahntechnik. Offensichtlich sind weder Hersteller noch Betreiber darauf eingestellt, das erforderliche neue Konzept-Denken in Angriff zu nehmen. Statt dessen wird z.B. daran herumexperimentiert, ob durch Splittung der Wertschöpfungskette – mit Verlagerung der Entwicklung nach Tschechien, des Rohbaus nach Polen – Einsparungen erzielt werden können.
Zuverlässigkeit technischer Systeme, die im Dienste der Öffentlichkeit stehen, sind ein Politikum, um das sich eben besonders die politisch Verantwortlichen kümmern müssen; notfalls durch eine entsprechende Gesetzgebung, wie sie in der Arbeitssicherheit und im Umweltschutz bereits eingeführt und nicht mehr wegzudenken ist. Nicht vorhandene Zuverlässigkeit technischer Systeme führt ggf. sogar zu Katastrophen, wie sie mit dem symbolhaften „Tschernobyl“ noch jedem im Bewußtsein „hängen“ (auch wenn das nicht selbst miterlebt wurde).
Ist der vom Bundesforschungsministerium propagierte Slogan „Service made in Germany“ unter diesen Umständen überhaupt ernst zu nehmen? Liegt das vielleicht daran, daß die Herstellung „deutscher“ Technik zu immer größeren Anteilen – aus Kostengründen, versteht sich – ins billigere, dennoch fähige Ausland verlagert wurde? Ist damit auch bereits Wissen abgeflossen und verloren gegangen, das zur Instandhaltung technischer Systeme erforderlich ist? Das Konzept der Instandhaltung zur Sicherstellung einer hohen Verfügbarkeit technischer Systeme basiert auf der Idee, eine umfassende Kooperation von Hersteller und Betreiber zu erreichen, mit definierten Verantwortlichkeiten für erforderliche Maßnahmen zur Durchführung von sachgemäßen Arbeiten nach DIN 31051 (Wartung, Inspektion, Instandsetzung). Der üblicherweise beim Hersteller „gebunkerte“ Wissensvorsprung wird durch vertragliche Vereinbarung als Bestandteil der Wertschöpfungskette als „Beratungsleistung für Service“ gekauft, zeitlich begrenzt oder über die komplette Einsatzzeit des technischen Systems (wie bei Kraftwerken üblich).
Fehlt eine derartige vertragliche Vereinbarung zur Instandhaltung der erworbenen technischen Systeme, ist der vorzeitige Verfall dieser Systeme vorprogrammiert. Eigene Einrichtungen des Betreibers können wegen der fortschreitenden technischen Entwicklung nicht mithalten und sind im alltäglichen Simultaneous Engineering hoffnungslos unterlegen. Die internationale Splittung der Wertschöpfungskette unterstreicht die Forderung nach einer besonderen Wertstellung des Servicebereichs zusätzlich. Radsätze und Drehgestelle aus China, Wagenkastenrohbau aus Korea, Fahrzeugausstattung aus Polen, Signaltechnik, Steuerungs- und Antriebstechnik und Prototypenbau aus Deutschland: das hierbei erforderliche technische Wissen ist auch für den After-Sales-Bereich der Serviceleistungen zu strukturieren und technisch-wirtschaftlich marktfähig und damit als wesentlicher Ertragsfaktor zu managen. Die Etablierung der Serviceleistungen als ein derartiger Managementprozess hat durch die sich ergebende hohe Verfügbarkeit der technischen Systeme natürlich auch für den Betreiber wirtschaftliche Vorteile. Marode Systeme aber zahlen sich nicht aus.