„Auslandseinsatz“ in Afghanistan – Ein aufrüttelnder WDR-Film über deutsche Soldaten im Kriegseinsatz

Regisseur Till Endemann. © HS

Zwischen Gefühlen und Befehlen

Der Alltag der Soldaten in Afghanistan ist nahezu unbekannt, aber er ist jeden Tag aufs Neue eine extreme psychische Belastung, die Menschen verändert, ihnen die Augen öffnet, die täglich ihre Angst bewältigen müssen und immer wieder Kommandos folgen müssen, die sinnlos erscheinen und sind. Zurück kehren dann die Soldaten, die mit ihren traumatischen Erlebnissen meist alleine gelassen werden, und zwar von denen, die jahrelang das Wort Krieg nicht in den Mund nehmen wollten.

„Auslandseinsatz“ setzt aber früher an, zeigt den Alltag von Soldaten im Krieg, denen man die Gefahren und Belastungen ihres Einsatzes vielleicht erklärt, aber nur schwer vermitteln kann. Und dies am Beispiel zweier Freunde, die gemeinsam nach Afghanistan gingen, um den Afghanen zur Seite zu stehen. Schnell stoßen Sie an ihre Grenzen, denn Hilfsangebote werden nicht nur mit Freude angenommen.

Freundschaft mit Bewährungsprobe

„Auslandseinsatz“ ist auch ein Film über Freundschaft, die im Krieg besonderen Belastungen ausgesetzt wird. Jeder der Soldaten gerät in den Konflikt zwischen Einhalten der Regeln und dem Bedürfnis, seinem eigenen Gewissen zu folgen. Die Protagonisten Ronnie, Daniel und Emal (ein deutscher Afghane) haben in Hauptmann Glowalla einen Vorgesetzten, der ebenso damit zu kämpfen hat, dass er mit dem Zwiespalt als Privatperson mit seinen Befehlsstrukturen als Hauptmann zu kämpfen hat, handelt ebenso gegen sein eigenes Gewissen.

Die Afghanen zwischen den Fronten

Regisseur Till Endemann. © HSAm Beispiel eines Malik (der Dorfälteste) zeigt der Film eindrucksvoll, dass die Afghanen selbst zwischen den Fronten stehen, sie darunter leiden und Opfer von tödlicher Gewalt werden.

Eine Antwort oder gar eine Lösung kann der Film nicht geben. Der Zuschauer soll sich eine eigene Meinung bilden über einen Krieg, der nicht zu gewinnen ist.

Zum Inhalt

Sie sind alle Mitte 20, und gemeinsam gehen sie als Zeitsoldaten nach Afghanistan: Daniel (Max Riemelt) und Ronnie (Hanno Koffler), Freunde seit Kindertagen, sowie Emal (Omar El-Saeidi), ein gebürtiger Afghane, der einst mit seiner Familie nach Deutschland floh. Begleitet werden sie durch die angehende Stabsärztin Sarah Schulz (Henriette Müller).

In einem vorgerückten Außenlager stationiert, erhalten sie den Auftrag, in dem entlegenen Dorf Milanh die Schule wiederaufzubauen. Unterstützt werden sie von der Entwicklungshelferin Anna (Bernadette Heerwagen), die die Schule vor Ort betreut. Die Begegnung mit Tara (Fatimzohra Tarchani), der Tochter des Bürgermeisters Jamil (Vedat Erincin), macht den jungen Soldaten klar, auf welch fremde Welt sie hier stoßen: Ihr fehlen zwei Finger – von den Taliban abgeschnitten, weil sie es gewagt hatte, sich ihre Nägel zu lackieren.

Die Aufbauarbeit erweist sich wegen der Taliban als weitaus schwieriger als gedacht. Die tägliche Bedrohung, die Fremdheit des Einsatzortes und ein erstes Gefecht setzen den Soldaten zu. Immer mehr stellt sich die Frage nach dem Sinn ihres Einsatzes. Können sie wirklich das leisten, wofür sie nach Afghanistan geschickt wurden – den Menschen eine Zukunft zu geben? Oder sind sie selbst Teil des Problems?

Während Daniel verzweifelt versucht, in der Struktur der Bundeswehr Sicherheit zu finden und das Gefühl der Sinnlosigkeit zu überwinden, wird Ronnie zwischen Allmachtsgefühlen, Resignation und anarchistischer Wut hin- und hergerissen. Zwischen beiden kommt es zu Spannungen und Auseinandersetzungen, die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen.

Die Lage spitzt sich zu, als einer von Jamils Söhnen von einem US-Trupp erschossen wird und Taras Zwangsverheiratung mit einem Taliban droht. Sollen die deutschen Soldaten helfend eingreifen und Tara in Sicherheit bringen? Oder Hauptmann Glowalla (Devid Striesow) gehorchen? Der befiehlt strikte Einhaltung der Regeln – und das bedeutet Nichteinmischung in die innerafghanische Angelegenheiten.

Schauspielerische Glanzleistungen
Hanno Koffler als Ronnie Klein. © HS
Die Darsteller sind überragend, allen voran Max Riemelt, der als Daniel Gerber glänzt, aber auch alle anderen Darsteller sind so überzeugend, dass der Zuschauer schnell vergisst, dass er lediglich von einem Spielfilm gefesselt ist, mit den Protagonisten mitfühlt, aber auch leidet.

Besetzung:

Daniel Gerber: Max Riemelt
Ronnie Klein: Hanno Koffler
Emal Demir: Omar El-Saeidi
Herbert Glowalla: Devid Striesow
Anna Wöhler: Bernadette Heerwagen
Sarah Schulz: Henriette Müller
Jamil: Vedat Erincin
Asib: Marwan Kamal
Yasin: AyoubTarchani
Tara: Fatimzohra Tarchani
u.v.a
Regie: Till Endemann
Buch: Holger Karsten Schmidt
Co-Autorin: Nikola Bock
Kamera: Lars R. Liebold

Drehzeit und Drehorte
Oktober / November 2011 in Marokko, Köln und Umgebung

Sendetermin:
Mittwoch, 17. Oktober 2012, 20:15 Uhr, in der ARD

Vorheriger ArtikelIst Hanns Eisler das Problem oder die Nachwelt? – Nachlese zu den Hanns-Eisler-Tagen 2012
Nächster ArtikelHolper-Start und Niederlage für den Titelverteidiger – Eisbären Berlin bekommen keine Spielräume gegen die Straubing Tigers